Mundkorb bei MetaFacebook verbietet Politik am Arbeitsplatz
Schwangerschaftsabbruch, Waffenbesitz und Impfungen sind «störende» Themen, findet Meta – und verbietet sie auf der internen Kommunikationsplattform. Das Verbot gilt auch in Europa.

Foto: Josh Edelson (AFP)
Auf Facebook und Instagram darf man sehr vieles sagen. Zum Beispiel, dass Frauen kein Recht darauf haben sollten, ihre Schwangerschaft abzubrechen, es aber erlaubt sein muss, Schnellfeuerwaffen zu tragen. Der Betreiber Meta lässt Nutzerinnen und Nutzer über fast alles diskutieren, auch kontrovers und polemisch. Mark Zuckerberg hält es für eine seiner wichtigsten Aufgaben, Menschen eine Stimme zu geben.
Intern hingegen setzt der Konzern künftig enge Grenzen. «Wie Mark kürzlich erwähnte, müssen wir eine Reihe kultureller Veränderungen vornehmen», schrieb Personalchefin Lori Goler in einer internen Unternehmensmitteilung, über die das Magazin «Fortune» berichtet.
Am Arbeitsplatz sind ab sofort eine Reihe von Themen tabu. Dazu zählen politische Wahlen und Bewegungen, das Recht auf Waffenbesitz und Gesundheitsfragen wie Schwangerschaftsabbrüche oder die Wirksamkeit von Impfstoffen. Diese Themen hätten sich als «sehr störend» erwiesen, so die Begründung. Ein Meta-Sprecher erklärt, es handle sich um ein «Update für unsere internen Kommunikationsplattformen». Das sei nötig, um Ablenkungen zu reduzieren und gleichzeitig ein respektvolles und inklusives Umfeld zu gewährleisten.
«Wir legen grossen Wert auf freie Meinungsäusserungen und offene Diskussionen», teilt Meta mit. Zumindest als Konzern will man sich aus solchen Diskussionen aber lieber heraushalten, solange sie nicht unmittelbar mit Meta selbst zu tun haben.
Die Meta-Verhaltensregeln kennen keine Ländergrenzen: Sie gelten auch für Angestellte in Europa.
Es entstehe ein "hohes Risiko, ein feindseliges Arbeitsumfeld zu schaffen"
Mit den neuen Vorgaben verschärft das Unternehmen seine bestehenden Verhaltensregeln. Als 2020 ein weisser Polizist den Schwarzen George Floyd tötete, löste das hitzige Debatten auf Metas internen Kommunikationsplattformen aus. Daraufhin verbot der Konzern Mitarbeitenden weiter darüber zu streiten. Im vergangenen Mai landete das Thema Schwangerschaftsabbruch auf der Tabuliste. Meta wies Angestellte an, intern nicht über das Urteil des Supreme Court zu diskutieren.
Dieses Thema berge ein «hohes Risiko, ein feindseliges Arbeitsumfeld zu schaffen», begründete Meta die Entscheidung. Wer mit Kolleginnen oder Kollegen über das Thema sprechen wolle, soll das nur in kleineren Gruppen tun. Wenn das Thema in Chats erwähnt wird, bei denen mehr Menschen mitlesen, werden die Beiträge entfernt.
Man könnte den Maulkorb für Mitarbeitende als Zeichen für den Druck deuten, unter dem Meta derzeit steht: Die Aktie ist abgestürzt, Zuckerbergs Milliardenwette auf das Metaverse verschreckt Investoren. Mehr als Zehntausend Menschen wurden entlassen. In dieser Situation sollen alle Störfaktoren ausgeblendet werden - oder jedenfalls alles, was Meta für störend hält.
Wer sich öffentlich auf eine Seite stellt, bringt die Hälfte des Landes gegen sich auf.
Die Entscheidung sagt ebenso viel über die politische Kultur in den USA wie über Meta aus. Lange Zeit dominierten im Silicon Valley liberale Stimmen, Konzerne und Angestellte bezogen offen Stellung zu gesellschaftlichen Fragen. In den letzten Jahren setzte eine Gegenbewegung ein. Die Gesellschaft ist tief gespalten, an politischen Fragen zerbrechen Freundschaften. Wer sich öffentlich auf eine Seite stellt, bringt die Hälfte des Landes gegen sich auf.
Manche Unternehmen versuchen deshalb, sich zu entpolitisieren, um interne und externe Kontroversen zu vermeiden. Vor zwei Jahren schrieb der Chef der Kryptobörse Coinbase, im Silicon Valley sei es üblich geworden, sich sozial zu engagieren, selbst wenn es nichts mit der Tätigkeit des Unternehmens zu tun habe. Er habe sich für einen anderen Ansatz entschieden, da Aktivismus das Potenzial habe, «viele Wert zu zerstören, sowohl durch Ablenkung als auch durch interne Spaltung». Man wolle deshalb eine «intensive, aber apolitische Unternehmenskultur» fördern. Das sei im Interesse aller Angestellten und Aktionäre.
Letztes Jahr wählten die Gründer des Software-Entwicklers Basecamper einen ähnlichen Weg und verboten «gesellschaftliche und politische Diskussionen am Arbeitsplatz». Wer darüber mit Kollegen debattieren wolle, könne das gern über Signal oder andere Messenger tun, aber bitte nicht auf der Kommunikationsplattform des Unternehmens.
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