Experten im Scheitern
Zum dritten Mal in Folge verlieren die Schweizer einen Achtelfinal. Ein halbes Eigentor besiegelt gegen Schweden ihr Schicksal – in einem Spiel, in dem sie einfach alles schuldig bleiben.

Die Kapuze hat Manuel Akanji über den Kopf gezogen, als müsste er sich verstecken. Er sagt: «Das ist sehr enttäuschend. Mir fehlen ein wenig die Worte.»
Er steht wieder. Vorher lag er die längste Zeit auf dem Boden, kaum hatte der Schiedsrichter diesen Match abgepfiffen. Er wirkt wie ein Häufchen Elend, er, der in diesem Spiel den Fuss einmal da hatte, wo er ihn besser nicht gehabt hätte.
Die Kollegen versuchen, ihn aufzurichten. «Lass den Kopf nicht hängen», sagt ihm Ricardo Rodriguez, und Gelson Fernandes: «Das ist sicher nicht deine letzte WM.»
Was hilft ihm das jetzt? Er ist entscheidend daran beteiligt, dass die Schweizer morgen Donnerstag in die Heimat zurückfliegen. Die 66. Minute läuft. Marcus Berg spielt den Ball vor dem Strafraum quer zu Emil Forsberg, Valon Behrami kann nicht eingreifen, als Forsberg zu seinem Lauf ansetzt, Granit Xhaka rutscht weg, Forsberg hat auf einmal allen Platz für einen Abschluss. Er schiesst, Akanji hat nur eines im Kopf: den Ball abwehren. Er stellt den rechten Fuss hinaus. Später sieht er am Fernseher, dass er das besser nicht getan hätte. Der Ball wäre mitten aufs Tor geflogen, direkt in Yann Sommers fangbereite Hände. «Keinen Vorwurf an Manuel», sagt der Goalie.
Es ist dieser Moment, der ein Spiel entscheidet, das für den neutralen Beobachter quälend langweilig sein muss. Hier Schweden, die ohne jede Lust sind, in der Defensive auch nur einen Zentimeter herzuschenken. Da die Schweizer, denen einfach nichts einfallen mag, um sich an dieser gelben Mauer vorbeizuarbeiten. Die einen wollen nicht, weil das nicht in ihrem Plan steht; die anderen können nicht, weil sie keinen Plan haben oder einen, der einfach nicht funktioniert. Dabei geht es um einen Platz im Viertelfinal einer WM.
Xhakas Luftloch als Symbol
«Wir waren richtig optimistisch», sagt Granit Xhaka. «Wir wollten Geschichte schreiben.» Aber wieso ist davon nichts zu spüren? Kein Feuer, keine Leidenschaft? Wieso liefert diese Mannschaft besonders eine erste Halbzeit ab, die den Zuschauer voller Grauen zurücklässt? «Schwer zu sagen so kurz nach dem Spiel», sagt Sommer.
Nach der Pause wirken die Schweizer etwas lebendiger. Shaqiri legt den Ball für Xhaka auf, es ist eine gute Schussposition, wie damals gegen Serbien. Xhaka schlägt ein Luftloch. Es ist ein Symbol schweizerischer Hilflosigkeit.
Valon Behrami muss den Schaden, den Xhaka angerichtet hat, beim folgenden Konter ausmerzen. Er sieht für ein Foul, das eigentlich keines ist, eine Gelbe Karte. Es ist seine zweite an dieser WM, er wäre im Viertelfinal gesperrt. Behrami versucht, Schiedsrichter Skomina gut zuzureden, der sagt: «Vielleicht war es ein Fehler von mir.» Behrami nimmt es gelassen: «Das kann sein, ich mache auch viele Fehler.»
Fünf Minuten später fällt das Tor.
Eine halbe Stunde bleibt der Schweiz inklusive Nachspielzeit, den Schaden zu korrigieren. Sie haben zuletzt mehrmals nach einem Rückstand noch ins Spiel zurückgefunden. Xhaka schiesst, irgendwohin. Vladimir Petkovic reagiert, holt Dzemaili und Zuber vom Platz, bringt Seferovic und Embolo. Nach einem Corner Shaqiris kommt Embolo zum Kopfball, Forsberg wehrt zwei Meter vor der Torlinie ab. Drmic schiesst, sein Ball wird abgewehrt. Die Schweden schinden Sekunden. Den Schweizern fällt noch immer nichts ein, Djourou schlägt einen Ball ins Toraus, Rodriguez flankt, Seferovic köpfelt, Olsen hält. Mehr ist nicht von der Schweiz.
Schweden kontert noch einmal, Lang stösst Olsson in den Rücken und sieht dafür die Rote Karte. Der Schiedsrichter konsultiert den VAR und nimmt seinen Elfmeterentscheid zurück. «Das spielt keine Rolle mehr», sagt Sommer. Er wehrt Toivonens Schuss noch ab. Dann ist die WM zu Ende für die Schweiz.
«Das war kein grosser Gegner»
«Das schmerzt», sagt Shaqiri, er redet ganz lange, und immer wieder sagt er: «Ich will nicht über Negatives reden. Wir haben es in den letzten vier Jahren gut gemacht.» Es hört sich dann trotzdem nicht so positiv an, was er zu berichten hat. In der ersten Halbzeit hätten sie zu langsam gespielt, den Ball nur von links nach rechts gespielt. Schweden habe den Sieg verdient, «aber es war kein grosser Gegner wie Deutschland».
Zuletzt sagt er: «Wir müssen es in Zukunft wieder besser machen. Wir müssen daraus lernen. Wir müssen es auch in grossen Spielen zeigen.» Eben, sie müssen auch dann bereit sein, wenn es um alles oder nichts geht.
Shaqiri hat zum dritten Mal in Folge einen Achtelfinal verloren, Xhaka auch. Er sagt: «Einmal kann das passieren, auch zweimal, aber nach dem dritten Mal ist es schwierig, Worte zu finden.» Aber wieso verliert die Schweiz immer? «Man kann es Pech nennen oder Fluch. Man kann sagen, die anderen waren besser und wir schlechter. Es gibt viele Punkte. Die Realität ist: Wir sind draussen.»
Und Behrami sagt: «Wir haben unsere Grenzen. Wir sind nicht gut genug.»
Xhaka hat in einer von acht Halbzeiten in Russland überzeugt. Das ist eine erschreckende Bilanz für einen Spieler, der als unersetzbar gilt und sich selbst als Chef versteht. Er sagt: «Wir spielten gut bis zum Sechzehner. Aber es ist nicht das erste Mal, dass uns auf den letzten Metern etwas fehlte.» Das Erste stimmt nicht, das Zweite schon. Die Schweizer Offensive ist wieder einmal ohne Durchschlagskraft. Josip Drmic sagt: «Wir hatten keine Lösungen. Die Schweden haben uns am Ende schachmatt gesetzt.»
Das Schlusswort bleibt Behrami, diesem grossen Kämpfer und feinen Analytiker. Zwei Sätze stechen heraus: «Wir haben sicher unsere Grenzen. Wir sind nicht gut genug.» Kein Schönreden, kein Leugnen einer Tatsache, er sagt nur, wie es ist. Er tut es unaufgeregt. Er zeigt die Klasse, die der Schweiz vorher auf dem Platz gefehlt hat.
Behrami ist 33. Er hat gar schon zum vierten Mal einen Achtelfinal verloren, «ich bin Experte», sagt er und lacht. 33 wäre ein gutes Alter, um aufzuhören, er macht es nicht. In den letzten Tagen hat er entschieden weiterzumachen. Er will ein Ziel haben, um als Fussballer motiviert zu bleiben. Das Ziel heisst: Viertelfinal an einem Turnier.
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