Europas Freudentag
Die Ängste der Konservativen vor François Hollande sind ökonomisch gesehen dumm. Sein Wahlsieg kommt gerade zur rechten Zeit – denn er macht in Europa den Weg frei für eine vernünftige Wirtschaftspolitik.

Für Konservative ist der Sieg von François Hollande eine Art zweite französische Revolution. «Der eher gefährliche Monsieur Hollande» titelte beispielsweise der «Economist» vor Wochenfrist. Von Angela Merkel ist die Bemerkung überliefert, wonach es für sie ein «Albtraum» sei, mit Hollande zu geschäften. Der britische Premierminister David Cameron hat ihn bei seinem Besuch in London demonstrativ geschnitten, und für die Amerikaner ist jemand, der sich als Sozialist bezeichnet, ohnehin der Leibhaftige.
In konservativen Kreisen wird man darauf hoffen, dass es die Märkte richten werden. Die vielzitierten «bond vigilantes», die Anleihenwächter, sollen nun mit hohen Zinsen für Staatsanleihen dafür sorgen, dass François Hollande nicht auf dumme Gedanken kommt. Und wenn doch, dann soll es ihm ergehen wie François Mitterand in den 1980er Jahren: Dieser musste sich nach zwei Abwertungen des französischen Franc unter die Obhut der deutschen Bundesbank flüchten und sich seine Geldpolitik von Frankfurt aus diktieren lassen. Auch heute wissen alle, wo Gott in Europa hockt: In Berlin.
Ökonomische Dummheit
Die Ängste der Konservativen sind nicht nur unbegründet – Hollande ist ein sehr pragmatischer und gemässigter Linker – sie sind ökonomisch gesehen dumm. Der Sieg der Sozialisten in Frankreich kommt gerade zur rechten Zeit. Die deutsche Austeritätspolitik hat versagt. Die Eurozone befindet sich in einer Rezession, die Arbeitslosigkeit nimmt beängstigende Ausmasse an. Nicht nur in der Eurozone ist die Sparpolitik auf die Nase gefallen. Auch in Grossbritannien hat die Regierung Cameron damit Schiffbruch erlitten. Es herrscht offiziell Rezession und es gibt keine Anzeichen für einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Aufgeklärte Konservative haben inzwischen eingesehen, dass Europa dringend einen Wechsel der Wirtschaftspolitik braucht. Der gleiche «Economist», der vor Hollande warnt, fordert in der neuesten Nummer auch die deutsche Bundesbank auf, mehr Inflation zuzulassen. Abgesehen von einigen Unverbesserlichen verlangen inzwischen alle ein Wachstumspaket für Europa, selbst wenn dies bedeutet, dass die Kriterien des Fiskalpakts 2013 noch nicht eingehalten werden können. Das Einhalten dieser Kriterien ist ohnehin längst illusorisch geworden.
Chance der Vernunft
Die Gefahr droht in Europa nicht von einer imaginären Inflation, sondern von der realen politischen Entwicklung. Der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson – lange ein Hardliner – hat deshalb eine Kehrtwende vollzogen. «Heute stellen die Konsequenzen der Austeritätspolitik nicht mehr die grösste Bedrohung für ein Überleben Europas dar, es sind die politischen Konsequenzen in der Form von populistischen, anti-europäischen und xenophoben Parteien», stellt er in der «Financial Times» fest.
Der Sieg von François Hollande könnte der Auslöser für eine entscheidende Weichenstellung der europäischen Wirtschaftspolitik sein. Die Austeritätspolitik hat versagt, die Vernunft hat zumindest wieder eine Chance. So gesehen ist heute ein Freudentag für Europa.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch