Es wird immer finsterer
Im Wiener «Tatort» ist lange nicht klar, wer durchgedreht ist. Der Weg zur Wahrheit ist verworren und das Ende nicht auszumalen.
Kommissarin Julia Soraperra (Gerti Drassl) übergibt sich am Tatort. Es ist dunkel draussen. Es wird oft dunkel bleiben in der Wiener «Tator»-Folge mit dem Titel «Glück allein», nicht nur filmisch. Im Haus des Tiroler Politikers Raoul Ladurner zum Beispiel geschah ein Doppelmord. Ladurners Frau stirbt vor Ort, seine Tochter später im Krankenhaus – beide erstochen. Ein Einbruch? Ein ukrainischer Auftragskiller? Doch dieser wird selbst zum Mordopfer, und dann kommt dazu, dass die Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) nicht ermitteln dürfen. Anweisung von ganz oben, vom Innenminister. Sie tun es natürlich trotzdem – eingespielt, rau, liebevoll, unnachgiebig.
Dagegen wirkt die ukrainische Geschäftsfrau Natalia Petrenko platt gespielt, dazu noch als vermeintliches Unschuldslamm stets in eine weisse Bluse gekleidet. Unschuldig ist sie nicht, doch die beiden Frauen auf dem Gewissen hat sie auch nicht. Sie beschuldigt den Politiker, seine eigene Familie getötet zu haben. Dieser wiederum bindet den Ermittlern auf, seine Frau sei eine Psychopathin gewesen, die die Familie terrorisiert und die älteste Tochter in den Tod getrieben habe. Man glaubt ihm sogar einen Moment, wäre da nicht Kommissarin Soraperra, die langsam die Nerven verliert. Sie hat sich nicht wegen der Szenen am Tatort übergeben, sondern weil sie schwanger ist. Von Ladurner. Da brennen beim grimmigen Eisner die Sicherungen durch. Er, das gebrannte Kind eines tyrannischen, gewalttätigen Vaters, erkennt diesen im Politiker wieder. Als die schwangere Soraperra verkabelt zu Ladurner geschickt wird, lässt er seinen psychopathischen Zügen freien Lauf. Die Erniedrigungen sind fast nicht auszuhalten. Sie kosten ihn diesmal ein Messer, das in seinem Bauch steckt. Dasselbe Messer, mit dem Ladurners Tochter die Mutter tötete und dann sich selbst, weil sie vom Vater mit Drogen abgerichtet und dem Wahnsinn nahe gebracht wurde.
Diese Folge bleibt bis zum Schluss ein fesselnder und düsterer Ritt, begleitet von irritierend sanfter Musik und unheilvoll langsamen Kamerafahrten durch nächtliche Stadt- und Bürolandschaften. Der sarkastische Umgangston des Ermittlerduos macht die Angelegenheit etwas erträglicher. Dass Eisner sich nicht an die Abmachung mit dem Innenminister hält, kompromittierendes Material unter Verschluss zu halten, damit er und Fellner uneingeschränkt ermitteln können, sieht man mit Genugtuung. Es bleibt das Kind, dass Kommissarin Soraperra im Bauch trägt, das Kind eines Wahnsinnigen. Vielleicht hat sie sich auch deshalb übergeben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch