Es gibt auch Betriebe, die Mitarbeiter suchen
Wie geht es der Wirtschaft im Oberaargau? Der Stellenabbau bei der Amman Group wirft diesbezüglich viele Fragen auf. Wir haben uns bei grossen Unternehmen umgehört und festgestellt: Sie alle stehen vor ganz individuellen Herausforderungen.

Viele waren überrascht, viele waren wütend und viele einfach nur traurig: Die Meldung vom Abbau von 130 Arbeitsplätzen bei der Ammann Group wühlte die ganze Region auf. Kurz vor den Sommerferien steht Dutzenden von Familien eine schwierige und unsichere Zeit bevor. Auch in Wirtschaftskreisen beschäftigt die Nachricht. «Es ist für Oberaargauer Unternehmen verunsichernd, zu sehen, dass so renommierte und seriös geführte Unternehmen wie Ammann dermassen unter Druck kommen. Man kennt ja auch Mitarbeiter persönlich, die betroffen sind», sagt Béatrice Lüthi, die seit dem Frühling den Wirtschafsverband Oberaargau präsidiert.
In diesem Ausmass mag der Stellenabbau bei der Ammann Group ein Einzelfall sein. Aber fast alle exportorientierten Firmen im Oberaargau mussten in den letzten Jahren Stellen streichen. Mehrheitlich wurden diese Stellen durch natürliche Abgänge abgebaut, sprich Leute wurden einfach nicht mehr ersetzt. Oder ihre Stellenprozente wurden in andere Abteilungen verlegt. Dieser Trend dürfte weiter anhalten. «Die reine Produktion wird in der Schweiz wohl abnehmen und mehr in die Entwicklung und zu Dienstleistungen verschieben», sagt Lüthi.
Was bedeutet das für eine Wirtschaftsregion, in der die Industrie noch immer ein grosser Arbeitgeber ist? «Es ist jetzt wichtig, nicht in Panik zu verfallen, sondern Lösungen aufzuzeigen. Wenn Firmen immer noch über Fachkräftemangel sprechen, kann es sein, dass Ammann-Mitarbeiter diese Lücken füllen können», sagt Béatrice Lüthi.
Tatsächlich signalisieren einige Betriebe, dass sie in den kommenden Monaten nach neuem Personal suchen werden. Aber wie nachfolgende Zusammenstellung zeigt, stehen auch alle Firmen vor ganz individuellen Herausforderungen.
Création Baumann AG: Besser als im Vorjahr
«Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat in den letzten Jahren gelitten», sagt Philippe Baumann, CEO der Création Baumann AG. Und das hat einen gewichtigen Grund: den starken Franken. 2016 musste wegen der hoch gehandelten Schweizer Währung zum ersten Mal in der Firmengeschichte Kurzarbeit eingeführt werden. Diese Massnahme ist bereits wieder passé. «Die Beschäftigung unserer Produktion läuft momentan besser als noch im vergangenen Jahr», sagt Baumann. Dank neuer innovativer Produkte sowie einer stetig verbesserten Effizienz habe sich die Ausgangslage für das Unternehmen verbessert.
Der Frankendruck bleibt aber weiterhin bestehen. «Gerade bei grossen Projekten verlieren wir immer wieder Aufträge an Mitbewerber, weil diese zu tieferen Preisen offerieren können», erklärt Baumann. Dennoch werde der jetzige Personalbestand von 168 Mitarbeitenden in Langenthal bis Ende Jahr gehalten, so der Firmenchef.
Glas Trösch AG: Immer mehr Importe
Das Isolier- und Sicherheitsglas, das in Bützberg produziert wird, geht fast ausschliesslich an Fenster- und Fassadenbauer in der Schweiz. Dennoch steht das Werk unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs. Grund sind die steigenden Fensterimporte aus dem Ausland. «Sie machen heute bereits 37 Prozent des gesamten Schweizer Fenstermarktes aus», sagt Bruno Gygax, Leiter der Unternehmenskommunikation.
Entsprechend spürt das Unternehmen trotz fehlendem Exportgeschäft den Nachteil des starken Frankens. Nicht zuletzt dank der regen Bautätigkeit in der Schweiz kann sich das Bützberger Werk aber weiterhin behaupten. «Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiterzahl bis Ende Jahr stabil bleiben wird», sagt Gygax.
Ein Dämpfer war Anfang Jahr die Nachricht zur Verlegung der Interieurproduktion auf andere Standorte. Für die meisten der gut 20 betroffenen Personen konnte aber laut Gygax bereits eine Anschlusslösung gefunden werden. «Für eine weitere Person wird noch immer nach einer solchen Lösung gesucht.»
Lantal Textiles AG: Der Blick auf die Arabische Halbinsel
Dass Weltpolitik auch lokal Auswirkungen haben kann, selbst wenn sie ganz woanders stattfindet, zeigt das Beispiel Lantal Textiles AG. Letzte Woche belegte Saudiarabien den Nachbarstaat Katar mit einem Verkehrs- und Handelsboykott. Flugzeugen aus Katar ist es fortan nicht mehr erlaubt, im Luftraum von Saudiarabien zu fliegen. Das beschäftigt auch in Langenthal. Denn die Fluggesellschaft in Katar ist einer der grössten Kunden der Lantal AG. «Wir müssen nun beobachten, wie sich diese Blockade auf den Auftragseingang auswirkt», sagt Ermira Fetahu, verantwortlich für die Unternehmenskommunikation.
Es ist ein Beispiel, das auch zeigt, wie volatil das Geschäft ist. «Wir sind ständig grossen wirtschaftlichen Schwankungen ausgesetzt», sagt Fetahu. Das erfordert eine hohe Flexibilität der Mitarbeiter. Deshalb seien auch die Einführung von Kurzarbeit oder erhöhte Arbeitszeiten immer wieder ein Thema. Tendenziell nimmt die Beschäftigung aber zu. «Das Budget geht bis Ende Jahr von mehr Mitarbeitern aus. Wir haben zurzeit auch einige vakante Stellen zu besetzen», sagt Fetahu.
Bystronic Glass: Willkommener Grossauftrag
Eine erfreuliche Nachricht wurde letzte Woche den Mitarbeitenden der Bystronic Glass in Bützberg überreicht: Ein Grossauftrag bringt Vollzeitbeschäftigung für die nächsten paar Monate. Nachdem in letzter Zeit immer wieder von Spardruck die Rede war, ist das eine Art Befreiungsschlag.
Die Situation bleibt jedoch herausfordernd. Der grösste Konkurrent für Fahrzeugglas hat seinen Firmensitz in Japan. Auf dem internationalen Währungsmarkt ist der Yen gegenüber dem Franken im Vorteil. Bis Ende Jahr wird die Mitarbeiterzahl aber nicht zuletzt dank des neuen Auftrags gleich bleiben.
Bystronic Laser AG: Volle Auslastung
«Unser Werk in Niederönz ist über die nächsten Monate voll ausgelastet», sagt auch Jean-Pierre Neuhaus, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Bystronic Laser AG in Niederönz. Das ist nicht selbstverständlich. Gerade aus dem asiatischen Raum stiessen in den letzten Jahren zahlreiche neue Mitbewerber auf den Markt. Laufende Innovation sei die Antwort auf diese Herausforderung, so Neuhaus.
Die Mitarbeiterzahl soll bis Ende Jahr etwa gleich bleiben. Denn trotz der guten Auftragslage gibt es laufend neue Herausforderungen. Etwa die sinkende Loyalität von Kunden oder auch – wie fast bei jedem Unternehmen – der nach wie vor starke Franken.
Jorns AG: Oft schon im Vorfeld abgestempelt
Zugesetzt hat der starke Franken in den vergangenen Jahren auch der Jorns AG. Im Vergleich zu 2010 ist die Lotzwiler Firma nur noch halb so gross. «Ich persönlich denke, dass wir mit dem überbewerteten Franken einfach ein Missverhältnis gegenüber anderen Ländern und ihren Währungen haben. Die langfristigen Auswirkungen des starken Frankens werden oftmals heruntergespielt», sagt Firmenchef Marc Jorns. Sein Unternehmen müsse auch darum kämpfen, dass es von den Kunden nicht schon im Vorfeld als zu teuer abgestempelt werde. «Wir wurden in mehreren Fällen gar nicht mehr angefragt, weil Schweizer Produkte in den Augen der Kunden eh viel zu teuer sind.»
Dies hat zur Folge, dass gerade beim Verkauf viel mehr Aufwand betrieben werden muss. Der laufende Kosten- und Innovationsdruck bringt Arbeit mit sich. Entsprechend werde es bis Ende Jahr keine Veränderung bei der Anzahl Beschäftigten geben, so Jorns.
Biketec AG: Starke saisonale Schwankungen
Velo wird zwar das ganze Jahr über gefahren. Aber vom Hersteller bestellt werden die Fahrräder nicht gleichmässig. «Wir befinden uns in einem sehr saisonalen Geschäft», sagt Andreas Kessler, CEO der Biketec AG in Huttwil. Die optimale Auslastung der Montage sei deshalb immer eine «Challenge». In den letzten beiden Quartalen mussten die Mitarbeiter jeweils länger arbeiten. Zudem wurden temporäre Mitarbeiter in der Montage eingestellt. Das werde auch kommenden Winter so sein. «Wir passen unsere personellen Ressourcen laufend der wirtschaftlichen Entwicklung an», sagt Kessler.
In Huttwil spürt man die Turbulenzen auf dem Währungsmarkt gleich dreifach. Erstens belastet der stärker werdende Dollar. «Wir kaufen einen grossen Teil unserer Komponenten in Dollars ein», erklärt Kessler. Zweitens der starke Franken, mit dem die Löhne gezahlt werden. Und drittens der schwache Euro. «Drei Viertel unserer Exporte gehen in den EU-Raum.»
Schneeberger AG: Gute Aussichten
Gute Nachrichten gibt es aus Roggwil: «Die Geschäfte laufen im Moment gut», sagt Adrian Fuchser, Geschäftsführer bei der Schneeberger AG. Die Nachfrage sei «unerwartet hoch», und die Maschinen laufen rund um die Uhr. Dank der guten Auslastung konnten seit Anfang Jahr mehrere neue Mitarbeiter angestellt werden. «Wir schätzen aus heutiger Sicht, dass wir auch im zweiten Halbjahr noch ein paar weitere Mitarbeiter einstellen werden», sagt Fuchser.
Auch wenn die Schneeberger AG heute in einer guten Lage ist: Die Erfahrungen aus den letzten Jahren gebieten zur Vorsicht. «In zwölf Monaten kann die Situation schon wieder anders sein. Die Zyklen sind kürzer und unberechenbarer geworden», sagt Adrian Fuchser. Noch immer ist dem Unternehmen der «Frankenschock» von 2015 in Erinnerung. «Dieses Thema ist ein ständiger Begleiter, der Unsicherheit auslöst. Die Nationalbank greift nach wie vor ein, und es wäre theoretisch möglich, dass sich die Geschichte von 2015 wiederholt.»
Keine Antworten erhielten wir von der Güdel AG sowie der Bucher Langenthal AG (Motorex).
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