«Es entsteht kein riesiger Betrieb»
Am 26. November stimmt die Bevölkerung über ein neues Schulreglement ab. Kommt es durch, werden alle Kinder der Gemeinde künftig im Dorf Signau unterrichtet. Arno Jutzi erklärt, warum das angebracht sei.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit den Schulstrukturen von Signau?Arno Jutzi:Seit 2014. An der ersten Gemeinderatssitzung jenes Jahres leckten wir unsere Wunden, nachdem der Gemeinderat an der Gemeindeversammlung im Dezember 2013 auf die Nase gefallen war.
Als die Stimmbürger Nein sagten zur Schliessung des Schulhauses Mutten?Genau. Damals wehrte ich mich stark dagegen, dass wir wieder einen Berater beiziehen, der uns sagen würde, was nun zu tun sei. Ich fand, wir könnten unsere Schule selber organisieren.
Jetzt will der Gemeinderat nicht nur Mutten, sondern auch die Schulhäuser Höhe, Häleschwand und sogar Schüpbach schliessen. Man hört ab und zu, der Rat habe von Anfang an die Absicht gehabt, das Schulwesen im Dorf Signau zu zentralisieren.Das ist definitiv nicht wahr. Als Lehrer weiss ich, wie wunderbar es ist, in kleinen Schulhäusern zu arbeiten. Aber ich musste mich überzeugen lassen von den Fakten, der gesellschaftlichen Entwicklung und vom Angebot, das Signau leisten muss: eine Tagesschule. Diese können wir mit dezentralen Standorten nicht anbieten.
Ist also die Tagesschule der Auslöser für die Zentralisierung?Nebst dem Rückgang der Schülerzahlen ist sie einer der Auslöser.
«Die Zentralisierung in Signau macht für uns am meisten Sinn.»
Vor vier Jahren scheiterte der Antrag, das Schulhaus Mutten zu schliessen. Warum sollte es jetzt möglich sein, sogar vier Schulhäuser zu schliessen?Weil wir jetzt ganz anders aufgestellt sind. Die Lösung mit der Mutten-Schliessung war ein Schnellschuss. Dem Rat wurde zu Recht vorgeworfen, er schaue zu wenig weit in die Zukunft. Das haben wir in den letzten vier Jahren korrigiert. Zuerst haben wir Fakten erhoben, damit nicht mehr über Kosten gestritten werden muss. Dann aber hat uns die Realität überholt.
Weil es zu wenig Kinder hatte?Auf der Höhe und der Mutten hatte es circa 40 Schülerinnen und Schüler – zu viel, um drei Klassen zu führen. Eine Reduktion auf zwei Klassen drängte sich auf. Ein Teil der Höhe-Schüler wäre neu auf der Mutten unterrichtet worden. Damit die Kirche im Dorf bliebe, hätten wir beide Schulhäuser weiterbetrieben. Dann wehrten sich Eltern auf der Höhe, weil es ihnen zu kompliziert schien, wenn eines ihrer Kinder auf der Mutten, das andere auf der Höhe wäre unterrichtet worden. Sie sprachen sich dafür aus, lieber alle ins Schulhaus Mutten zu schicken.
Trotzdem: Haben Sie keine Angst, dass der Schritt, gleich vier Schulhäuser zu schliessen, dem Stimmvolk zu gross erscheint und es Nein sagt?Das ist möglich. Aber so macht es für uns am meisten Sinn. Wir müssten in alle Gebäude viel Geld investieren. Uns geht es darum, dieses dort auszugeben, wo es auch in zwanzig Jahren noch gebraucht wird.
Dass Schüpbach auch geschlossen werden soll, kam aber für viele überraschend.Dort sind Gebäudeschäden zum Vorschein gekommen, von denen niemand etwas gewusst hatte.
«Die Steueranlage wird mittelfristig wahrscheinlich sinken.»
Warum nicht? Wurde etwasversäumt?Nein. Man hätte schon Bohrungen durchführen müssen, um herauszufinden, dass im Bereich der Duschen Wasser eindrang. Das merkte man erst, als sich Schimmel zeigte. Wir wussten, dass auch dieses Schulhaus Sanierungsbedarf hat, aber wir wussten nicht, dass es nasse Füsse hat. Wir haben dann auch ernsthaft diskutiert, ob wir das Haus abreissen und einen Neubau aufstellen wollen. So hätten die Erst- bis Sechstklässler in Schüpbach bleiben können. Aber man weiss, dass eine Firma sehr grosses Interesse hat an dem Land, damit sie sich weiterentwickeln kann (Anmerkung Red.: die Schreinerei Röthlisberger AG, siehe Kasten)
Kritiker werfen dem Gemeinderat vor, er beuge sich dem Druck der Wirtschaft.Wir beugen uns überhaupt nicht. Aber der Gemeinderat darf nicht nur an die Schule denken, er muss das Ganze im Auge behalten. Sehr viel Industrie haben wir nicht in unserer Gemeinde und müssen zu den Betrieben schauen, die da sind, und Arbeitsplätze schaffen. Deshalb dürfen wir im Schulhaus Schüpbach nicht 3 Millionen verlochen, während unsicher ist, ob es in fünfzehn Jahren noch genügend Schüler haben wird.

Welche Argumente sprechen nebst den Finanzen für den Campus in Signau?Viele Eltern begrüssen es, wenn sich ihr Kind künftig mit anderen vergleichen kann. Im Sommer wurden von den zehn Sechstklässlern unserer Gemeinde sechs in die Sekundarschule aufgenommen. Die vier anderen sind aktuell auf fünf Schulhäuser verteilt. Zudem stimmt die Infrastruktur in den Aussenschulhäusern nicht mehr. Auf der Mutten haben wir letzthin für einen anständigen Internetanschluss fast 30 000 Franken investiert. Zudem profitieren die Schüler von einer grösseren Angebotsvielfalt, die die Schule selber gestalten kann.
Eltern äusserten die Angst, ihr Kind würde in dem grossen Zentrum untergehen.Bei uns entsteht kein riesiger Betrieb. Münsingen mit 800 Schülern in einem einzigen Kasten kann von einem Riesenbetrieb sprechen. Aber bei uns bleiben Sekundarschule, Tagesschule, Kindergarten sowie Primar- und Realschule räumlich getrennt.
Reicht der Platz für 300 Kinder, die gemeinsam Pause machen?Jawohl. Wir besitzen viel Land und werden dieses nutzen für die Schaffung von Aussenräumen.
Seit wann besteht der Wunsch nach einer neuen Sporthalle?Seit Jahrzehnten. Einerseits, weil die Turnhalle in Signau sehr klein und jene in Schüpbach in die Jahre gekommen ist. Anderseits vor allem aber auch, weil wir in der Gemeinde kein Lokal mehr haben für grössere Veranstaltungen. Alle Restaurants müssten in ihre Säle investieren, was offenbar niemand vorhat. Wir geraten in Zugzwang. Abgesehen davon steigt der Stellenwert von Sport und Bewegung, deshalb ist es ein Muss, dass die Gemeinde in diesem Bereich investiert. Davon hängt es auch ab, ob Signau attraktiv bleibt. Zusammen mit dem Schulprojekt kann die Gemeinde jetzt etwas realisieren, an dem sie sich schon seit Jahren die Zähne ausbeisst.
Bis 2024 soll der Campus stehen. Wie wirkt sich das Vorhaben auf die Steueranlage aus?Sie wird mittelfristig wahrscheinlich sinken. Das hängt aber auch von den zukünftigen Projekten der Gemeinde ab.
Trotz Nettoinvestitionen von 4,5 Millionen Franken hoffen sie auf eine Senkung.Ja. Mittelfristig rechnen wir damit, dass wir ein bis zwei Steuerzehntel sparen werden. Pro Schulhaus belaufen sich allein die Betriebskosten auf 35 000 Franken pro Jahr. Zudem werden wir mit weniger Klassen arbeiten können. Eine Klasse kostet die Gemeinde rund 100 000 Franken pro Jahr.
Was passiert, wenn das Volk Nein sagt?Dann setzen wir uns hin und atmen zweimal tief durch. Und dann fahren wir weiter mit Variante B: mit Schulstandorten in Schüpbach und Signau. Für den Gemeinderat ist klar, dass wir die anderen Aussenschulhäuser werden schliessen müssen.
Wie schnell?Im vorgesehenen Fahrplan: Bis 2024 wird das letzte Schulhaus zugehen. Bei einem Nein würden wir darauf tendieren, in Schüpbach ein neues Schulhaus zu bauen. Aber in Leichtbauweise, nicht mehr für hundert Jahre.
Wie lautet Ihre Prognose?Ich weiss es nicht. Es ist sehr ruhig im Dorf. Ich wünsche mir ein Ja, weil ich überzeugt bin, dass das der richtige Weg ist. Es hat mich gefreut, dass wir im Gemeinderat einen einstimmigen Entscheid fällen konnten. Wahnsinnig froh bin ich auch, dass wir an der Urne abstimmen und eine breite Bevölkerung dazu Stellung nehmen wird. Susanne Graf
Arno Jutzi ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern. Der 57-Jährige lebt in Schüpbach. Er arbeitet seit sieben Jahren für die SP im Gemeinderat von Signau mit, amtet dort aktuell als Vizepräsident und ist Sprecher der Arbeitsgruppe, die die Reform der Schulstrukturen erarbeitet hat.
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