«Sturm aufs Bundeshaus verhindert»Polizei setzt an Demo Wasserwerfer, Tränengas und Gummischrot ein
Am Donnerstagabend demonstrierten in Bern wieder Tausende Menschen gegen die Zertifikatspflicht. Auf dem Bundesplatz eskalierte die Situation. Die Ratspräsidenten im Bundeshaus verurteilen die Ausschreitungen.
Schätzungsweise 3000 Menschen haben sich am Donnerstagabend auf dem Berner Bahnhofplatz versammelt, um gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht und den «Impfzwang» zu demonstrieren. Kurz vor 20 Uhr setzten sich die Demonstrierenden via Innenstadt Richtung Bundesplatz in Bewegung. Zu sehen waren Transparente wie «Zertidiktat Nein» und «Freiheit statt digitale Diktatur». Immer wieder rief die Menge «Liberté, Liberté», französisch für «Freiheit».
Als sie auf dem Bundesplatz ankamen, eskalierte die Situation. Wie bereits bei den beiden Kundgebungen von letzter Woche wurde auch am Donnerstag eine Sperre errichtet, um das Haus zu schützen. Die Menge versuchte jedoch, die Gitter aus der Verankerung zu heben und zu durchbrechen. Zudem wurde Feuerwerk gegen das Bundeshaus geschossen und unzählige Gegenstände, darunter Flaschen und Holzscheite, auf die Einsatzkräfte geworfen. Nach mehrmaligen Ermahnungen setzte die Polizei Wasserwerfer, Tränengas und Gummischrot ein und löste die Demonstration gegen 22 Uhr auf.
Eine Person sei nach den Würfen angehalten, in polizeiliche Räumlichkeiten gebracht und die Personalien aufgenommen, teilte die Polizei in der Nacht auf Freitag mit. Weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit den Vorfällen und Abklärungen zu allfälligen Sachschäden seien am laufen, schreibt die Polizei weiter.
Wie die Polizei auf Twitter mitteilt, wurde bei der Demonstration eine Person verletzt.
Die Kundgebung war laut Sicherheitsdirektor Reto Nause unbewilligt, da von den Organisatoren niemand mit der Stadt in Kontakt getreten sei. Um 22 Uhr schrieb Nause auf Twitter, die Polizei habe einen «möglichen Sturm aufs Bundeshaus» verhindert:
Auf die Frage, ob der Schutzzaun, der auch schon bei anderen Gelegenheiten vor dem Bundeshaus installiert worden war, denn nicht fest verankert sei, sagte Nause, das sei der Fall. Doch seien Leute hochgeklettert und diese Sperre sei tabu. Die Leute seien ja zuvor «abgemahnt» worden.
Zweimal während des Umzugs stellte sich eine Gruppe von gut 30 Gegendemonstrierende dem Umzug in die Quere. Es kam zum Gerangel. Mit gelben Westen ausgestattete Demonstrationsteilnehmer entfernten am Rand des Bundesplatzes resolut die quer über die Strasse gestellten Absperrgitter.
Reaktionen aus dem Bundeshaus
Die Ratspräsidenten im Bundeshaus verurteilen die Ausschreitungen. Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP, Bern) sagt, er sei gestern Nacht nicht im Bundeshaus gewesen und habe die Auswüchse nicht erlebt. Der höchste Schweizer Politiker in diesem Jahr meint: «Wegen ein paar Hitzköpfen lassen wir uns nicht aus der Fassung bringen.» Deren Verhalten sei unschweizerisch und dem Zusammenhalt im Land nicht förderlich.
Für Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SVP, Schwyz) ist klar: «Mit Gewalt und Demonstrationen lösen wir kein einziges Problem.» Das Virus interessiere sich nicht für Demos, sagt Kuprecht. Er verstehe die Welt nicht mehr, wie man aufgrund der Corona-Massnahmen gewalttätig werden könne. Auch dann, wenn er lese, dass Impfgegner in einen Gebärsaal eingedrungen seien. Zum Sessionsbeginn hatte Kuprecht als Ratspräsident dazu aufgerufen, einander die Hand zu reichen.
Aufgrund der Demonstration kam es zu Verkehrsbehinderungen im öffentlichen Verkehr. Die Polizei musste mehrere Strassen sperren.
Demonstration auch in Biel
Auch in Biel gingen am Donnerstagabend rund 1000 Personen auf die Strasse, um gegen die Corona-Massnahmen und das Zertifikat zu demonstrieren. Auch sie skandierten «Liberté, liberté», verurteilten die Impfung von Kindern, hatten Transparente mitgebracht und schwenkten Fahnen. Sie zogen vom Bahnhof her durch die Stadt und versammelten sich anschliessend auf dem Zentralplatz.

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