Bauernschule in LangenthalErneut regt sich Widerstand gegen Schliessung des Waldhofs
Der Ausbildungsstätte drohte schon 1996 das Aus. Damals gingen 3000 Leute auf die Strasse. Nun wird wieder Kritik an den Plänen des Kantons laut.

Für SVP-Grossrat Markus Aebi war es ein Déjà-vu, als letzte Woche bekannt wurde, dass der Kanton vier der sieben Standorte des Ausbildungszentrums Inforama schliessen will – auch den Waldhof in Langenthal.
Die Schliessung der landwirtschaftlichen Schule im Oberaargau war nämlich bereits 1996 Thema. Damals gingen über 3000 Personen auf die Strasse und demonstrierten für den Erhalt des Waldhofs. Mittendrin war Markus Aebi. Er war damals Präsident des Vereins ehemaliger Waldhof-Schüler und des Aktionskomitees «Waldhof muss bleiben».
Aebi bezweifelt aber, dass auch diesmal die Leute auf die Strasse gehen werden. «Ich denke nicht, dass die Region die Ressourcen hat, auf die Hinterbeine zu stehen.»
Verändertes Berufsbild
Aebi spricht sich nicht primär gegen Änderungen aus. Letztlich gehe es darum, die Landwirte und Bäuerinnen für ihre zukünftige Aufgabe top auszubilden. In den letzten Jahren habe sich das Berufsbild verändert. Digitalisierung, Ökologie, Tierwohl und Agrartechnik wurden zu neuen Kernthemen. Strategien müssten überdacht und angepasst werden können, das sei normal.
Dass sich die vorgestellte Inforama-Strategie lediglich auf eine Standortkonzentration in der Agglomeration Bern konzentriert, erachtet Markus Aebi aber «als falsch und mutlos». Dabei würden weder die Interessen der Bauernfamilien noch die der Steuerzahler berücksichtigt. Die Investitionen in Zollikofen würden den Steuerzahler gegen 200 Millionen Franken kosten.

«Um effizient, zukunftsorientiert und kostengünstig auszubilden, müssen nicht alle Ausbildungsbereiche an einem Standort zentralisiert werden, dafür gibt es genügend gute Beispiele in der Bildungslandschaft», sagt Aebi. Am Waldhof wäre sehr viel möglich: ein Zentrum für überbetriebliche Kurse, wie es die Landmaschinenbranche in Aarberg betreibt oder die Gartenbauer/Gärtner mit Jardin Suisse am Oeschberg.
«Bäuerliche Ausbildung gehört auch in den ländlichen Raum.»
Oder endlich ein modernes Zentrum für Bäuerinnen und Hauswirtschaft, das weit in andere Gesellschaftsschichten und Kantone ausstrahle. Am Waldhof sei das meiste an Infrastruktur vorhanden und müsste nicht in Zollikofen neu erstellt werden. «Bäuerliche Ausbildung gehört auch in den ländlichen Raum», sagt Aebi und betont: «Ich hoffe, dass die Diskussionen zu Korrekturen der Strategie führen.»
Schule mit langer Geschichte
Der Entscheid des Kantons kommt just zum 100-Jahr-Jubiläum des Waldhofs. Lokalhistoriker Simon Kuert hat die Geschichte der Schule aufgearbeitet. Diese begann bereits um 1850. «Damals befand sich die Landwirtschaft im Umbruch. Mit zunehmender Mobilität, also der Eisenbahn, wurde die bäuerliche Wirtschaft stärker dem Weltmarkt ausgesetzt», erklärt er.
Getreideimporte aus Ländern mit günstigeren Produktionsbedingungen drückten die Preise in der Schweiz. Der einheimische Kornanbau geriet in Gefahr. Viele Bauern begannen deswegen, in die Vieh- und Milchwirtschaft zu investieren, dies, weil auf dem internationalen Markt eine Nachfrage nach Käse und Zuchtvieh bestand. Um diesen Umbruch zu bestehen, war Bildung gefragt.
Am 14. März 1857 schrieb Oberst Daniel Flückiger, Landwirt, Nationalrat und Präsident des Ökonomischen Gemeinnützigen Vereins, eine «Vorstellung» an den Grossen Rat des Kantons Bern. Es ging um die Einrichtung einer landwirtschaftlichen Schule. Doch die Frucht des Vorstosses war nicht eine Schule im Oberaargau, sondern die «Errichtung einer staatlichen Ackerbau- und Waldschule» in Zollikofen, die Rütti. Ab 1860 wurde dort unterrichtet.
In Langenthal wurden 1905 die ersten Bauern ausgebildet. 20 Schüler besuchten als Filialklasse im Kaufhüsi einen Winterkurs. 1919 bewilligte der Grosse Rat eine Landwirtschaftsschule mit Hauswirtschaftsschule und Gutsbetrieb auf 23 Hektaren Burgerland im Bettenhölzli in Langenthal.
Das Land wurde entwässert und gepflügt. Zuerst wurde der Gutshof gebaut. Danach folgten der Schweinestall und die Waschküche und schliesslich das Schul- und Verwaltungsgebäude. 1923 feierte der Waldhof Eröffnung.
Die kantonale land- und hauswirtschaftliche Schule bot einen Winterkurs für die bäuerliche sowie Winter- und Sommerkurse für die hauswirtschaftliche Ausbildung an. Später fanden auch Berufs-, Meister- und Bäuerinnenprüfungen statt.

1973 wurde das 50-Jahr-Jubiläum mit einem Umzug gefeiert. Schülerinnen, Schüler und Ehemalige zogen mit Treicheln und Kühen durch Langenthals Strassen. Die Schülerzahlen wuchsen stetig. Als 1996 der Kanton eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Bildung plante, hoffte man im Oberaargau auf einen möglichen Ausbau des Waldhofs.
Doch dann der Schock, wie Simon Kuert es ausdrückt. Die Regierung wollte die Landwirtschaftsschule Waldhof auflösen. Es kam zu einem breiten Protest im Oberaargau. Über 3000 Personen fanden sich 1996 zu einer Kundgebung in der Langenthaler Markthalle zusammen. Darunter auch Markus Aebi.
Eine neue Lösung
Gemeinsam mit landwirtschaftlichen Organisationen im Oberaargau hatte Markus Aebi damals eine «neue Lösung» entworfen. Sie sah als Alternative zur Zentralisierung der landwirtschaftlichen Bildung regionale Kompetenzzentren vor. Es gab sogar Parallelen zu den heutigen Plänen.
Der damalige Vorschlag beinhaltete Berglandwirtschaft im Hondrich, Gemüseanbau in Ins, mechanisierte Landwirtschaft auf der Schwand, Tierproduktion/Ackerbau im Waldhof und Futterbau/Biolandbau auf der Bäregg. Im Gegenzug sah diese Version die Schliessung der Rütti und des Oeschbergs vor. Mit 88 zu 85 Stimmen scheiterte der Vorschlag im Grossen Rat knapp.
Trotz drohender Schliessung feierte man 1998 das 75-Jahr-Jubiläum. Sieben Jahre später wurde der Gutsbetrieb verkauft, und es folgten schrittweise Anpassungen im Schulwesen. Heute befinden sich im Waldhof unter einem Dach die Grundausbildung (1. und 2. Lehrjahr) zur Landwirtin und zum Landwirt EFZ wie auch die Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis und das Bildungsjahr Hauswirtschaft.
Weiter gibt es verschiedene Dienstleistungen wie die Inforama-Beratung, den IP-Ring Waldhof und die Agro-Treuhand. Hinzu kommen Ausbildungsangebote des Bildungszentrums Langenthal (BZL). Wobei sich das BZL künftig am Standort Weststrasse in Langenthal konzentrieren wird.
Ungewisse Zukunft
Während seines 100-jährigen Bestehens hat der Waldhof viel erlebt. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Voraussichtlich im Herbst wird der Grosse Rat zur Strategie «Inforama 2040» Stellung beziehen. Und wie einst 1998 wird auch heuer nicht auf eine Jubiläumsfeier verzichtet. Diese findet im kommenden August satt.
«Der Entscheid soll die Festivitäten nicht stören, fürs Inforama bleibt der Waldhof sicher noch zehn Jahre ein wichtiger Standort», schreibt Kaspar Grünig, Direktor des Inforamas, auf Anfrage. Er hält fest, dass die Konzentration über zehn Jahre auf drei Kompetenzzentren notwendig sei, damit der Kanton Bern in die dringend notwendige Sanierung der Infrastrukturen investieren könne. Der Kanton habe einfach nicht genug Geld, um sieben Standorte zukunftsfähig auszurichten.
«Zudem bin ich überzeugt, dass mit diesem Entscheid die Ausbildung im Bereich Hauswirtschaft gestärkt wird. Wir können Synergien zwischen den beiden Schulen Waldhof und Hondrich sowie allenfalls mit der Berner Fachhochschule BFH nutzen, was die Ausbildung attraktiver macht», so Grünig.

Enttäuscht über diese Pläne zeigt sich Christine Badertscher, Nationalrätin (Grüne) und Präsidentin des Oberaargauer Bauernvereins (OBV). «Wir im OBV-Vorstand bedauern den Entscheid des Regierungsrates sehr.» Badertscher fühlt sich im Gefühl bestärkt, dass der Oberaargau als Randregion des Kantons Bern abgehängt werde. Und sie bemängelt die Kommunikation des Regierungsrats, diese sei unklar und lasse viele Fragen offen.
Der OBV werde sich dafür einsetzen, dass wenigstens die Ausbildung 1. und 2. Lehrjahr und die verschiedenen Beratungsstellen im Waldhof blieben, so Badertscher. Denn Beratungsstellen seien wichtig zur Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte, beispielsweise bei einer Hofübergabe.
Emmental auch betroffen
Der Langenthaler Stadtpräsident Reto Müller (SP) bedauert den Weggang des Waldhofs ebenfalls. Er hat am 11. Mai per Mail vom Entscheid des Kantons erfahren. Dann wurde auch die Öffentlichkeit informiert. Tags darauf habe der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann (SP) ihn angerufen und ihm die Hintergründe erläutert.
Unmittelbar nach dem Erhalt der E-Mail habe er diese an sämtliche Oberaargauer Mitglieder des Grossen Rates und die Verantwortlichen der Region Oberaargau sowie an Nationalrätin Christine Badertscher weitergeleitet, um beim nächsten Koordinationstreffen darüber zu sprechen, ob und wie sich eine koordinierte Intervention beim Kanton lohne. Hierbei werde sicher auch das Gespräch mit den Emmentaler Grossratsmitgliedern gesucht, die gar zwei Standorte zu verlieren schienen, so Reto Müller.
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