Ermittler korrigieren den Ju-Air-Chef
Die Airline will vorwärtsmachen und nimmt die Ergebnisse der Untersuchung zum Absturz vorweg. Das passt den Experten nicht.
Ju-Air-Chef Kurt Waldmeier hat sich etwas gar weit vorgewagt. Obwohl die Untersuchung am Wrack der abgestürzten Maschine noch läuft, gab er letzte Woche ein Interview mit der «Südostschweiz». Kernaussage: Er steige «absolut sicher» in die beiden verbleibenden Flugzeuge. Die Untersuchungsbehörde habe schliesslich von Anfang an klargestellt, «dass sie ein technisches Problem ausschliesst».
Die Dübendorfer Firma Ju-Air will vorwärtsmachen. Sie ist daran, Ersatz für die am 4. August abgestürzte dritte Maschine zu beschaffen. Diese dritte Ju – weltweit gibt es noch sieben – steht in einem Hangar in Mönchengladbach. Sie gehört einem deutschen Verein, der schon mit der Schweizer Ju-Air zusammengearbeitet hat. Die HB-HOY startete von 1997 bis 2016 für Flüge ab Dübendorf. Sie war auf Kosten der Ju-Air generalüberholt worden. Doch sie ist im Moment nicht flugtauglich, es fehlen die Motoren.
Was sich wirklich ausschliessen lässt
Untersuchungsleiter Daniel Knecht lässt die Aussage von Ju-Chef Waldmeier nicht gelten, dass man ein technisches Problem ausschliessen könne. Der Bereichsleiter Aviatik der Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) sagt, dass es erst Anfang nächsten Jahres möglich sein werde, «technische Ursachen zu benennen oder auszuschliessen». Ausschliessen kann die Sust bisher bloss, dass die verunfallte Maschine mit einem anderen Luftfahrzeug oder einem Hindernis wie einem Seil kollidiert ist. Zudem habe die Ju «nach heutigem Kenntnisstand keine Teile verloren und ist nicht schon im Flug auseinandergebrochen».
Das Wrack des am Segnespass unter dem Martinsloch abgestürzten Oldtimers wurde nach Payerne geflogen. Dort sind die Teile zurzeit in einem Hangar ausgelegt. Die intensive Analyse des Wracks werde voraussichtlich bis Anfang nächsten Jahres dauern, sagt Knecht. Diese Analyse habe für die Sust hohe Priorität, «damit allfällige Verbesserungen in den noch vorhandenen Flugzeugen so rasch als möglich vorgenommen werden können», so Knecht.
Piloten werden besser überwacht
Die Sust lässt es nicht mit der technischen Untersuchung bewenden. Sie analysiert auch die betrieblichen Grundsätze der Ju-Air zum Zeitpunkt des Unfalls, «um bei Bedarf Sicherheitsempfehlungen aussprechen zu können».
Reagiert hat bereits das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Die beiden Ju-52-Oldtimer müssen nun einen GPS-Tracker an Bord haben. Damit kann das Bundesamt die Piloten besser überwachen. Das Bazl hat ausserdem eine Verdoppelung der Mindestflughöhen verfügt. Die Piloten dürfen nur noch maximal 300 Meter an die Berggipfel ran; über bewohntem Gebiet gilt neu eine Mindestflughöhe von 600 Metern. Zudem müssen die Passagiere während des gesamten Flugs angeschnallt bleiben.
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Die klare Aussage von Ju-Air-Chef Kurt Waldmeier, die Unglücks-Ju sei nicht wegen technischer Probleme abgestürzt, ist brisant. Damit suggeriert er menschliches Versagen der beiden äusserst erfahrenen Piloten als Ursache für den Unfall mit 20 Todesopfern. Auf Anfrage präzisierte Waldmeier am Dienstag seine Aussage: «Wir haben im Moment keine Hinweise auf ein technisches Problem des Flugzeugs.»
In Richtung menschliches Versagen deuteten auch die Kommentare der meisten Aviatikexperten nach dem Absturz. Als negative Einflüsse könnten die ungewöhnliche Hitze, Abwinde vom Segnespass und allenfalls mangelnde Reserven dazugekommen sein. Der fast senkrechte Absturz, wie ihn Augenzeugen beobachtet haben, weist auf einen Strömungsabriss hin, weil die Ju zu langsam war oder eine allzu abrupte Linkskurve im engen Talkessel flog.
Die Benzin- und die Passagierthese
An die These, dass verdampfendes Benzin die Motoren zum Stottern brachte, glaubt Ju-Air-Chefpilot Andreas Pfisterer nicht. Benzindampf steige an, das Benzin werde jedoch im untersten Teil des Tanks angesogen. Eine weitere These geht davon aus, dass viele Passagiere aufgestanden seien, um aus dem anderen Fenster einen Blick aufs Martinsloch zu werfen, zu filmen und zu fotografieren; das Flugzeug sei durch diese Gewichtsverlagerung destabilisiert worden. Aus diesem Grund habe das Bazl die Gurtenpflicht eingeführt. Chefpilot Pfisterer dementiert aber auch diese These: Das Flugzeug sei schmal, ein Seitenwechsel von Passagieren sei im Cockpit nicht zu spüren.
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