Erdogan ernennt zehn neue Minister
Der der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan reagiert auf den Korruptionsskandal mit einem Rundumschlag. Nach dem Rücktritt von drei Ministern hat er ein neues Kabinett bestimmt.

Der Korruptionsskandal stellt die Regierung der Türkei vor die Zerreissprobe. Drei Minister treten zurück – und Erdogan reagiert mit einem Rundumschlag: Zehn Kabinettsmitglieder werden ausgetauscht. Doch auch Rücktrittsforderungen an den Ministerpräsidenten werden immer lauter.
Nach dem überraschenden Rücktritt dreier Minister wegen eines Korruptionsskandals hat der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan sein Kabinett umgebildet. Erdogan ersetzte gestern Abend unter anderem Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, Innenminister Muammer Güler und Umweltminister Erdogan Bayraktar. Sie hatten ihre Ämter aufgegeben, nachdem ihre Söhne im Zuge von Ermittlungen zu Korruption und Bestechung festgenommen worden waren.
Insgesamt tauschte Erdogan zehn Kabinettsmitglieder aus. Gehen musste unter anderem der für die EU-Beziehungen zuständige Minister Egemen Bagis, der in den Skandal verwickelt sein soll, jedoch nicht selbst zurückgetreten war. Unter seinen gefeuerten Kollegen waren zudem drei Minister, die im März an Bürgermeisterwahlen teilnehmen wollten.
Grösste politische Krise
Die Korruptionsermittlungen in der Türkei laufen bereits seit einer Woche. Es geht dabei um dubiose Schwarzgeldtransfers in den Iran und mutmassliche Bestechungen bei Bauprojekten. Die Staatsanwaltschaft in Ankara geht nach eigenen Angaben möglichen Unregelmässigkeiten bei der Vergabe von Verträgen für Hochgeschwindigkeitszüge nach.
Die jüngste Affäre hat sich rasch zu einer der grössten politischen Krisen Erdogans der vergangenen zehn Jahre ausgeweitet. Erst im Sommer hatte er eine massive Protestwelle gegen seine Regierung überstanden, die sich an einem umstrittenen Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park entzündet hatte.
Die Söhne von Ex-Wirtschaftsressortchef Caglayan und dem früheren Innenminister Güler gehören mit dem Chef der staatlichen Halkbank zu 24 Verdächtigen, die unter Bestechungsvorwürfen verhaftet wurden. Bayraktars Sohn wurde festgenommen, bald darauf aber entlassen. Medienberichten zufolge wurden im Haus des Bankchefs umgerechnet 3,3 Millionen Euro Bargeld sichergestellt, das in Schuhkartons gelagert gewesen sei. Umgerechnet mehr als 730'000 Euro wurden demnach im Haus von Gülers Sohn beschlagnahmt.
«Dreckige Verschwörung»
Die zurückgetretenen Minister bezeichneten die Ermittlungen wie Erdogan als «dreckige Verschwörung» in- und ausländischer Kräfte, die den wirtschaftlichen Erfolg der Türkei torpedieren und die Regierung vor den Kommunalwahlen in Misskredit bringen wollten.
Bayraktar wies in einem Interview des Senders NTV persönliche Fehltritte von sich. Er sei von Erdogan zum Rücktritt gedrängt worden, sagte er. Doch habe der Ministerpräsident selbst zahlreichen Bauprojekten zugestimmt, die nun in das Fadenkreuz der Korruptionsermittler gelangt seien. Er glaube, der «geschätzte Ministerpräsident» solle selbst zurücktreten, erklärte Bayraktar.
Ministerpräsident Erdogan bekräftigte indes seine Entschlossenheit im Kampf gegen die Korruption. Zugleich unterstützte er Cagloyans Vorwürfe einer internationalen Verschwörung, an der sich die Medien und «Banden» in der Türkei beteiligt haben sollen. Es gebe Medienunternehmen, Organisationen und Banden, die als Spione auf verräterische Weise arbeiteten und dabei mehr an die Interessen anderer denken würden als an die des eigenen Landes, sagte er.
Eine Fehde
Türkische Beobachter werten die Ereignisse als Ergebnis einer Fehde zwischen der Regierung und Fethullah Gülen, einem in den USA ansässigen muslimischen Geistlichen, der viele Anhänger in der türkischen Justiz und Polizei haben soll. Gülen wies eine Verwicklung in den jüngsten Fall indes zurück.
Seit dem Beginn der Ermittlungen am 17. Dezember hat die Regierung Dutzende Polizeibeamte von ihren Posten entfernt, unter anderem den Polizeichef von Istanbul. Erdogan wird deshalb vorgeworfen, die Ermittlungen behindern zu wollen. Am Samstag änderte die Regierung zudem auch die Regeln für Polizeieinsätze. Beamte müssen dafür bei Ermittlungen und Festnahmen erst die Genehmigung der Polizeispitze und der Staatsanwaltschaft einholen.
Auch in der Bevölkerung regt sich Unmut über die Regierung: In Istanbul kam es laut der Nachrichtenagentur Dogan zu Zusammenstössen zwischen Polizisten und Hunderten Demonstranten, die den Rücktritt der Regierung forderten.
AFP/sda/AP/rub/wid
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