Markus Marti gestorbenEr zog 45 Jahre lang die Uhr im Zytgloggeturm auf
Der Mann, der mehr als ein halbes Leben lang das Uhrwerk im Zytgloggeturm unterhalten hat, ist gestorben. Nun tritt sein Sohn die Nachfolge an.

Während gut 45 Jahren hat Markus Marti fast täglich die Uhr im Zytgloggeturm aufgezogen. Dazu musste er jeweils fünf Gewichte 20 Meter hochziehen – insgesamt 400 Kilogramm. Doch am 7. Mai ist der pensionierte Elektroingenieur nach einer kurzen, heftigen Krankheit im Alter von 79 Jahren überraschend gestorben.
Die Turmuhr war Markus Martis Leidenschaft. Noch letztes Jahr verteidigte er sie in einem Leserbrief als «hervorragendes Meisterwerk», nachdem der Turm in einer Kolumne als «leise Enttäuschung» kritisiert worden war. Da das Uhrwerk nur schlecht erforscht war, stieg Marti selbst in die Archive und publizierte mehrere Artikel sowie zwei Bücher dazu.
Ingenieur und Uhrenfan in der Altstadt
Markus Marti sei international mit Historikern und Uhrenfans vernetzt gewesen und habe regelmässig an Symposien zu astronomischen Uhren referiert, erzählt Sohn Mario. 1983 half Markus Marti aktiv bei der Sanierung des Uhrwerks mit. Es war vor 493 Jahren gebaut worden.
Marti hatte das Nebenamt des Zytglogge-Richters 1978 übernommen, als sein Vorgänger pensioniert worden war. «Es passte alles», erinnert sich Mario Marti, obwohl er selbst damals noch klein war. «Wir wohnten in der Altstadt, mein Vater war Ingenieur und liebte Uhren.» Im Turm habe er jeweils auf seinem Arbeitsweg – damals arbeitete er bei der Firma Hasler – vorbeigeschaut.

Es werde schwierig sein, das Uhrwerk weiterhin so pünktlich laufen zu lassen, wie es sein Vater getan habe, sagt Mario Marti. «Mein Vater nahm die Pünktlichkeit sehr ernst und richtete die Uhr, wenn sie eine halbe Minute vor- oder nachging.» Das sei aufgrund der schwankenden Temperaturen besonders im Frühling und im Herbst nötig. Sein Vater habe die Turmuhr stets von seiner Wohnung an der Kramgasse aus im Blick gehabt.
Sohn wird Nachfolger
Wie geht es weiter? Der Zeitrichter hat für die Zeit nach ihm vorgesorgt. Denn bereits in seiner 2011 erschienenen «Zytglogge-Chronik» schrieb Marti: «Es ist mein innigster Wunsch, dass auch nach mir die Liste der Zytglogge-Richter noch sehr lange weitergeführt wird.» Der Stadt Bern sei es zu verdanken, dass nicht nur die Uhr als Kunstdenkmal, sondern auch das manuelle Aufziehen als lebendiger Brauch erhalten worden sei.
Deshalb hat er vor zwei Jahren zusammen mit seinem Sohn Mario eine GmbH gegründet, die künftig den Betrieb und den Unterhalt des Uhrwerks im Auftrag der Stadt Bern sichern wird. Mit zum Team gehören auch die ehemalige Münsterturmwartin Marie-Therese Lauper, der Grossuhrenmacher Cyrill Dajcar und der Stadtführer Domenico Bernabei.
Schon als Schüler im Job
Er habe dem Vater schon als Jugendlicher und als Student geholfen, die Uhr aufzuziehen, erzählt Mario Marti. «Ich verdiente damit mein Taschengeld.» Nun wird der fast 50-jährige Anwalt das Nebenamt seines verstorbenen Vaters übernehmen und seinen eigenen Kindern ein Taschengeld zahlen, wenn sie einspringen.

Das Amt des sogenannten Zytglogge-Richters ist so alt wie die Uhr selbst. Es wurde jeweils am Mittwoch nach Ostern durch den Kleinen Rat besetzt beziehungsweise bestätigt. Wie heute war der Zytglogge-Richter vor allem für das Aufziehen des Uhrwerks und das Richten, also das Einstellen der Zeit, zuständig. Zum Teil erledigte er kleinere Unterhaltsarbeiten und gab grössere in Auftrag. Im Mittelalter erhielt er für diese Arbeit 10 bis 12 Pfund pro Jahr, was etwa für einen Ochsen oder ein Pferd reichte. Ein Knecht konnte mit einem Jahreslohn von etwa 80 Pfund rechnen. Heute entspricht der Aufwand etwa einem 10-Prozent-Pensum. Die Stadt vergibt den Auftrag im Mandat.
Der Zytgloggeturm wurde im 13. Jahrhundert als Stadttor und Wehrturm gebaut. Als der Turm nach zwei Stadterweiterungen seine ursprüngliche Funktion verloren hatte, wurde er aufgestockt und als Gefängnis verwendet. Nach dem grossen Stadtbrand von 1405 wurde er als zentraler Uhrenturm mit einem Uhrwerk, das die Stunden automatisch anschlug, wieder aufgebaut. Dieses lief 120 Jahre lang.
1525 gaben die Stadtherren beim Waffenschmied Kaspar Brunner ein neues Uhrwerk in Auftrag. Es läuft noch heute. Während viele andere alte Uhrwerke heute automatisch mit elektrischen Gewichtsaufzügen am Laufen gehalten werden, gibt es im Zytglogge auch nach 600 Jahren noch Zeitrichter, die täglich die fünf Gewichtssteine 20 Meter hochziehen.
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