Solarpionier Josef JenniEr sagte den Strommangel voraus – lange vor dem Krieg
Der Erfinder der Solartanks aus Oberburg warnt seit Jahren, dass der Wirtschaft das Benzin ausgehen werde. Er lebt vor, wie dies zu vermeiden wäre.

Eigentlich könnte Josef Jenni jetzt irgendwo unter Palmen sitzen und es sich gut gehen lassen. Immerhin hat der 69-Jährige das Pensionsalter längst überschritten. Und er hat ein erfolgreiches Unternehmen mit heute rund 70 Mitarbeitenden aufgebaut.
Aber Jenni hat keine Lust auf zeitvertreibende Mätzchen in fernen Gefilden. Eben hat er einen ganzen Vormittag in der Produktionshalle seiner Jenni Energietechnik AG verbracht und zwei neue Mitarbeiter in ihre Aufgabe eingeführt. «Für das haben unsere Monteure aktuell keine Zeit», sagt er.
Die Firma kommt mit den Aufträgen nicht mehr nach. Auf einmal verlangen die Kunden von überall nach Anlagen, die an einem Ort kühlen und am anderen die Abwärme zum Heizen abgeben. Oder nach Holzheizungen. Und, wofür Jennis Firma vor allem bekannt ist, nach Solaranlagen mit Wärmespeichern. Die Leute wollen weg von Gas, Uran und Erdöl.
Als Josef Jenni vor einem halben Jahrhundert zur Überzeugung kam, dass die fossilen Energien in eine Sackgasse führen, stand er damit ziemlich allein da. Doch für den Studenten der Ingenieurschule Burgdorf wirkte es wie ein «Weckruf», als er Anfang der 1970er-Jahre vom Club of Rome eine Studie über die Grenzen des Wachstums las.
Jenni gehörte dann zu jener Studentengruppe, die in den 1970er-Jahren die Volksinitiative für 12 autofreie Sonntage lancierte. Und er demonstrierte gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Kaiseraugst. Noch heute schmunzelt er, wenn er an das damalige Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei zurückdenkt.
Der Coup mit dem Swimmingpool
Der junge Elektroingenieur verschrieb sich den erneuerbaren Energien. Europaweit bekannt machten ihn seine Entwicklungen zur damals «verpönten» Solarthermie. Jennis Innovation: Er speicherte das mit Sonnenkollektoren auf dem Dach erhitzte Wasser in grossen Tanks.
«Man sagte uns kaltes Birchermüesli und dicke Pullover voraus.»
Um zu beweisen, dass die Sonne auf dem Dach genügend Energie erzeugt, haben er und sein Bruder Erwin Jenni neben der Werkstatt in Oberburg ein Wohnhaus gebaut, das einzig mit Sonnenenergie versorgt wird. «Die Skepsis war riesig», erinnert sich Jenni. «Man sagte uns kaltes Birchermüesli und dicke Pullover voraus.»
Als die Zweifler nicht verstummten, doppelten die Brüder Jenni mit dem Bau eines Swimmingpools nach, in dem sie dann zu Demonstrationszwecken bei Minustemperaturen im Winter badeten. «Dieses Bild ging um die Welt», sagt Jenni. Es habe bewiesen, dass ein Haus ganzjährig autark betrieben werden könne. «Damit haben wir viel zur Minergie-Bewegung beigetragen.»

«Wir haben mit konservativen Mitteln spektakuläre Ziele erreicht», stellt Josef Jenni rückblickend fest. Gleich nach dem Studium hatte er sich selbstständig gemacht. «Allein. Ohne Geld.» Im Keller seines Elternhauses stellte er Steuerungen für Solaranlagen her. Weil der Absatz zu wünschen übrig liess, begann er, bei Freunden und Bekannten eigenhändig ganze Solaranlagen zu installieren.
Tüftler und Rechner
Josef Jenni ist ein Selfmade-Unternehmer durch und durch, geht keine ausgetretenen Pfade und bewies seinen Einfallsreichtum nicht nur bei technischen Innovationen. Als er 1983 in Oberburg die erste Werkstatt baute, konnte er sich das nur leisten, weil er dafür die Jenni Liegenschaften AG gründete. Und weil er jeden dritten Kunden überzeugen konnte, sich am Aktienkapital zu beteiligen.
Mit dem geschäftlichen Erfolg stieg der Platzbedarf, die ursprüngliche Werkstatt wuchs sich im Lauf der Jahre zu inzwischen drei mehrstöckigen Industriebauten aus. «Das ist alles Eigenbau», sagt Jenni immer wieder, während er durch die Produktionshallen führt und die Maschinen präsentiert, mit denen seine Mitarbeiter heute produzieren.

Die meisten hat Jenni selbst konzipiert und gezeichnet, damit sie dem von ihm geforderten Optimum an Effizienz entsprechen. Man wird nie erfahren, wie viele Feierabende und Samstage der Mann in Oberburg rechnete, zeichnete und an Verbesserungsmöglichkeiten herumstudierte.
Seine jüngste Erfindung ist eine Art überdimensionierter Büchsenöffner. Damit werden die Ränder der Zylinder, aus denen die Solartanks entstehen, schräg abgeschnitten. «Mit dem Winkelschleifer dauert dieser Arbeitsschritt 20 Minuten, macht einen Höllenlärm und einen Haufen Staub», erklärt Jenni. Jetzt ist der Vorgang lautlos und staubfrei in einer Minute erledigt.
Jenni erklimmt die nächste lange Treppe. Auf dem Rundgang durch seinen Betrieb geht es viele Stockwerke hinauf und hinunter. Er hat – bedacht auf eine sparsame Ausnutzung des Bodens – weniger in die Breite als in die Höhe gebaut.
Keine Wende allein mit Strom
«Es geht doch bei allem auch darum, den Bedarf zu reduzieren», betont er immer wieder. Man kennt Josef Jenni zwar landauf, landab als Förderer der Solarenergie. Aber er kritisiert seit Jahren, dass die Energiewende nicht zu schaffen sei, wenn sie in den Köpfen vieler bloss eine «Stromwende» bedeute.
«Zu meinen, die Energiezukunft sei elektrisch, ist ein Witz», sagt er. Das führe im Gegenteil zu einem immer höheren Stromverbrauch im Winter und jage die Preise in die Höhe. Jenni hatte schon lange vor dem Krieg in der Ukraine vor einer Strommangellage gewarnt.
Jetzt nur noch mit strombetriebenen Wärmepumpen zu heizen, ist für ihn keine Lösung. Und vom Boom der Elektroautos hält er schon gar nichts. Dies, obwohl er in den 1980er-Jahren die Tour de Sol ins Leben rief und mit Solarmobilen die Schweiz durchquerte. Aber seine Fahrzeuge waren leicht – im Gegensatz zu den «schweren Rennboliden», die nun mit Elektromotoren ausgerüstet würden.

Josef Jenni kann sich auch nicht einfach an den zahllosen Fotovoltaikanlagen freuen, die nun auf Dächer montiert werden. «Solange die Wechselrichter fehlen und der Strom nicht ins Netz eingespeist werden kann, wäre es sinnvoller, auf den Dächern in erster Linie Wärme zu erzeugen.»
Vision «Oil of Emmental»
«Für eine echte Energiewende ist es brutal spät», sagt Josef Jenni. Die Hoffnung hat er aber noch nicht aufgegeben. Schon vor zwei Jahrzehnten hat er den Menschen im Emmental aufgezeigt, wie sie die Abkehr von fossilen Energieträgern schaffen könnten. Mit der Aktion «Oil of Emmental» erging es Jenni aber wie mit vielen seiner Vorträge, die er in der ganzen Schweiz gehalten hat: «Man fand das Gehörte interessant, aber es regte sich nichts.»
Dabei hätten 160 Millionen Franken nicht aus dem Emmental abfliessen müssen, wenn man auf Jenni gehört hätte. Diese Zahl hatte er für das Jahr 2008 aufgrund des damaligen Ölpreises errechnet. Jenni plädierte damals – und tut es heute noch – für eine Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen, insbesondere aber der Sonne und des Holzes.
Er ist allerdings überzeugt, dass in drei bis fünf Jahren keine neuen Holzwärmeverbünde mehr realisiert werden können. «Jetzt wird der Wald aufgeräumt», sagt er und warnt davor, künftig mehr Holz zu schlagen, als in den Wäldern jährlich nachwächst. Auch hier präsentiert er eine exakte Zahl. «Es sind 800 Kilo pro Einwohnerin und Einwohner.»
«Der gut erschlossene Wald wird jetzt schon übernutzt.»
Jenni weiss das. Er hat es ausgerechnet, so wie er alles kalkulatorisch unter die Lupe nimmt, was sich irgendwie dazu eignet. «Ich rechne gern», sagt er. Darum weiss er auch, dass es theoretisch genügend Brennholz gäbe in der Schweiz, wenn alle nur als Ergänzung zu Solaranlagen mit Holz heizen würden.
«Aber der gut erschlossene Wald wird jetzt schon übernutzt», gibt er zu bedenken. Es seien die schwer zugänglichen Partien, in denen mehr Holz geschlagen werden müsste.
Effizient, aber unsexy
Ein bedeutender, wenn nicht sogar der effizienteste Pfeiler in Josef Jennis Energievision klingt nicht sexy: «Einsparungen durch Minderverbrauch.» Seit 50 Jahren fahre er Auto, habe aber für den Kauf der Gefährte in der ganzen Zeit nicht mehr als 55’000 Franken ausgegeben.
Den Unternehmer belustigt es, wenn er an das Bild denkt, das sich an Besprechungen zuweilen ergab: «Der Architekt kam im BMW, der Ingenieur im Mercedes und dann noch der Jenni im VW Polo.»
«Es müsste eine radikale Kehrtwende passieren, damit die Umweltpessimisten nicht recht bekommen.»
Schon vor Jahren warnte der Oberburger: «Bis in wenigen Jahren wird Energie ganz allgemein zur Mangelware.» Wovor er warnte, und was die Mehrheit nicht gar so ernst nahm, tritt nun ein: Der Wirtschaft droht tatsächlich «das Benzin» auszugehen, wie Jenni einst prophezeit hatte. Er hatte also recht. Erfüllt ihn das mit Genugtuung? «Sicher nicht, das wäre ja Schadenfreude», entgegnet der ehemalige EVP-Grossrat postwendend.
Zu gross sind seine Sorgen um das Klima, als dass er in diesem Zusammenhang so etwas wie Freude empfinden könnte. Für seine Kinder und Grosskinder hoffe er, dass es «schlussendlich doch nicht so schlimm kommt». Doch Josef Jenni sagt: «Es müsste schon eine radikale Kehrtwende passieren, damit die Umweltpessimisten nicht recht bekommen.»
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