«Er hat erkannt, dass es falsch ist zu töten, aber er entschied sich zu töten»
Geir Lippestad hielt heute sein Schlussplädoyer: Der Verteidiger will einen Freispruch erwirken und eine Einweisung in die Psychiatrie verhindern. Sein Klient habe «nicht unüberlegt» gehandelt.
Im Prozess gegen den geständigen norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik hat die Verteidigung einen Freispruch oder zumindest ein mildes Urteil für ihren Mandanten gefordert.
Vor allem aber wolle der 33-Jährige bei einem Schuldspruch für zurechnungsfähig erklärt werden, sagte Breiviks Anwalt Geir Lippestad heute in seinem Schlussplädoyer vor dem Osloer Bezirksgericht. Die Staatsanwaltschaft hatte Antrag auf Einweisung Breiviks in die geschlossene Psychiatrie gestellt, da es Zweifel an dessen Schuldfähigkeit gebe.
Ein Kampf unter der Kriegsschwelle
«Der 22. Juli war ein Inferno der Gewalt», sagte Lippestad. «Er hat erkannt, dass es falsch ist zu töten, aber er entschied sich zu töten. Das ist es, was Terroristen tun. Der Zweck heiligt die Mittel.» Das müsse man begreifen, um die Kultur von Rechtsextremisten zu verstehen, fuhr er fort.
Wenn Breivik über einen Bürgerkrieg spreche, fantasiere dieser nicht über Panzer und Soldaten im Wald, sondern über einen Kampf unter der Kriegsschwelle, der dessen Meinung nach 60 Jahre andauern werde. «Niemand von uns weiss, wie Europa in 60 Jahren aussehen wird», sagte Lippestad. «Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass eine rechtsextremistische Partei in Griechenland jetzt zehn Prozent bei der Wahl erhalten würde.»
Zum Abschluss seines Plädoyers forderte er die geringstmögliche Haftstrafe für Breivik, wurde von diesem aber korrigiert. Lippestad erklärte daraufhin, die Verteidigung fordere einen Freispruch oder ein mildes Urteil, wolle aber vor allem, dass das Gericht ihren Mandanten für zurechnungsfähig erkläre.
Breivik will politischer Terrorist sein
Die Forderung nach einem Freispruch wurde aus Prinzip gestellt, ohne realistische Chance auf Erfolg. Breivik behauptet, er habe nur sein Land verteidigt und die Morde seien daher gerechtfertigt. Er hat nie bestritten, am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utöya 77 Menschen getötet zu haben.
An jenem Freitag zündete er zunächst eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo, bei deren Explosion acht Menschen ums Leben kamen. Dann setzte Breivik auf die Insel Utöya über und richtete unter den Teilnehmern eines Jugendlagers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ein Massaker mit 69 Toten an, bevor er sich den Einsatzkräften ergab.
Allerdings hält er sich nicht im juristischen Sinne für schuldig, sondern will nach eigenen Angaben einer muslimfeindlichen Gruppierung nach dem Vorbild der Tempelritter angehören. Die Existenz eines solchen Extremistennetzwerkes konnte aber nie bewiesen werden. Entsprechend wies Breivik seine Verteidigung an, ihn vor Gericht nicht als Geisteskranken darzustellen, sondern als politischen Terroristen.
Zurechnungsfähigkeit im Zentrum
Die Frage der Zurechnungsfähigkeit Breiviks bestimmte den zehnwöchigen Prozess. In einem ersten Gutachten war ihm paranoide Schizophrenie bescheinigt und er für unzurechnungsfähig erklärt worden. In einem zweiten Gutachten kamen die Experten jedoch zu dem Schluss, dass Breivik zum Zeitpunkt der Bluttat nicht psychotisch, sondern voll zurechnungsfähig war.
Nach dem Schlussplädoyer der Verteidigung am Freitag war noch vorgesehen, dass Überlebende der Mordserie zu Wort kommen. Breivik selbst forderte eine Stunde Redezeit für eine Schlussbemerkung. Die fünf Richter haben nun einen Monat Zeit, um über Breiviks mentale Gesundheit zu entscheiden, bevor sie im Juli oder August das Urteil verkünden.
dapd/mrs/rub
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch