Entscheid zur Konzern-Initiative fällt erst nach den Wahlen
Ruedi Noser gelingt ein weiteres Manöver zugunsten von Grosskonzernen: Auf seinen Antrag hin vertagt der Ständerat den Entscheid zur Verantwortungs-Initiative.

Eigentlich wäre alles bereit gewesen. Schon seit zwei Jahren probiert das Parlament, sich auf einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative zu einigen. Diese verlangt, dass Schweizer Unternehmen in der Schweiz vor Gericht gezogen werden können, wenn sie oder ihre Tochterfirmen im Ausland Menschenrechte verletzen oder Umweltschäden anrichten.
Heute sollte sich der Ständerat über das Thema beugen, schon zum zweiten Mal. Beim ersten Anlauf lehnte die kleine Kammer einen Gegenvorschlag ab. Diesmal, kurz vor den Wahlen vom 20. Oktober, wäre der Druck gross gewesen, darauf einzusteigen. Handstreichartig hat die kleine Kammer das Geschäft heute jedoch wieder von der Tagesordnung gestrichen, mit 24 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung, mit den Stimmen der Mehrheiten von FDP, CVP und SVP. Das bedeutet, dass der Gegenvorschlag erst nach den Wahlen weiter diskutiert wird.
Protestbrief mit 50'000 Unterstützern
Vergeblich appellierten die Initianten in letzter Minute mit einem Brief an die Ständeräte, vorwärtszumachen. «Wir sind überzeugt, dass nach 19 Kommissionssitzungen und zwei Jahren nun der Zeitpunkt gekommen ist, entweder einem Kompromiss zuzustimmen oder die Volksinitiative zur Abstimmung zu bringen», heisst es in dem Protestbrief, der auf der Webseite der Initianten innert drei Tagen die Unterstützung von mehr als 50'000 Personen fand.
Den umstrittenen Antrag hatte der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser eingereicht, bis 2017 Vorstandsmitglied von Economiesuisse. Der Wirtschaftsdachverband wehrt sich zusammen mit Swissholdings, dem Verband der internationalen Konzerne, resolut dagegen, dass das Parlament einen Gegenvorschlag mit Haftungsregeln beschliesst. Noser führte ins Feld, es brauche eine Zusatzschlaufe, weil der Bundesrat Mitte August selbst einen neuen Vorschlag angekündigt hatte: «Ich habe das Recht, in Kenntnis aller Fakten zu entscheiden.» Die Initianten würden mit dem öffentlichen Druck die seriöse Arbeit im Ständerat «geringschätzen». Kritik wies Noser zurück: «Liebe Initianten, ich kann gut einstecken, aber wer sich glaubwürdig für Menschenrechte einsetzen will, muss sich daran messen lassen, wie er mit Andersdenkenden umgeht.» Die Volksabstimmung verschiebe sich mit seinem Antrag nicht.
Der Winkelzug der FDP-Bundesrätin
Es ist bereits das zweite Manöver von FDP-Politikerin in dieser Sache. Mitte August hatte sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter vom Bundesrat den Auftrag erteilen lassen, einen eigenen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Damit gerüstet soll sie in den Abstimmungskampf gegen die Initiative ziehen. Der Schritt war ungewöhnlich, weil der Bundesrat normalerweise nicht mitten in parlamentarischen Beratungen mit neuen Ideen aufwartet. Das Schlupfloch fand er dank der EU: Sie verlangt von Firmen eine Berichterstattung über die Nachhaltigkeit, und der Bundesrat hatte schon früher angekündigt, er werde irgendwann eine ähnliche Regelung vorschlagen.
Allerdings will der Bundesrat deutlich weniger weit gehen als die Initiative. Diese sieht eine Haftung für Konzerne und ihre Tochterfirmen vor. Eine Haftungsregel ist auch im Gegenvorschlag des Parlaments enthalten, wenn auch in abgeschwächter Form. Dem Bundesrat geht er jedoch zu weit, weil er wie die Initiative den Wirtschaftsstandort Schweiz klar benachteilige.
Der grüne Genfer Ständerat Robert Cramer ging mit der Taktik der Bürgerlichen hart ins Gericht. «Man hat alles gemacht, um diese Initiative zu behindern», rief er in den Saal. «In den 12 Jahren, die ich hier im Rat sitze, habe ich nie so etwas erlebt. Das grenzt an einen Skandal.» Er warf den Ständeratskollegen vor, sich hinter formellen Winkelzügen zu verstecken. «Einige von uns wagen es einfach nicht, die Debatte hier im Rat zu führen.»
Westschweizer Wirtschaftsverbände sind für Haftung
Die Initianten hatten auf einen scharfen Gegenvorschlag gehofft, damit sie die Initiative zurückziehen könnten. Dahinter stehen Hilfswerke sowie Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Sie kritisieren die Verwicklung von Schweizer Konzernen in eine Reihe von Skandalen: Bäuerinnen und Bauern würden durch Pestizide auf Baumwollfeldern in Indien vergiftet, Kinder müssten auf Kakaoplantagen in Burkina Faso arbeiten, in Marokko würden die Menschenrechte verletzt, im Kongo Flüsse verschmutzt und Regenwälder abgeholzt.
Für einen indirekten Gegenvorschlag mit Haftungsregeln setzen sich auch Exponenten aus der Wirtschaft sowie Wirtschaftsverbände aus der Westschweiz ein, darunter das Centre Patronal und das Groupement des Entreprises Multinationales. Die Verbände Economiesuisse und Swissholdings hingegen bekämpfen einen Gegenvorschlag mit Haftungsregeln.
Die Initiative dürfte im kommenden Jahr zur Abstimmung kommen; die Frist für die parlamentarische Beratung läuft im April 2020 ab.
(Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA)
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