Emotional erzählte Leidensgeschichte
Kurz vor Ostern führten das Kammerorchester von Herzogenbuchsee Camerata 49, das Collegium Vocale Seeland und der lokale Kammerchor die Johannespassion auf.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Konzerts lässt sich erahnen, dass das Oberaargauer Publikum durchaus bereit ist, einen Sonntagabend in der Kirche zu verbringen. Während sich die Bänke füllen, ist die nervöse Vorfreude der Musiker und Sänger deutlich spürbar.
Kein Wunder, es stehen ihnen zwei anspruchsvolle Stunden des Musizierens bevor. Um Bachs Johannespassion gerecht zu werden, ist die Zusammenarbeit von Dirigent, Sängern, Orchester und Solisten essenziell. Im Laufe des Abends beweist die Gruppe: Für sie ist das kein Problem.
Bewegender Gesang
Dass das Stück in dieser Formation mühelos von Choral zu Rezitativ zu Solo wechselt, ist Zeugnis der musikalischen Leitung des Projekts durch Dirigent Ewald Lucas. Der natürliche Fluss des Werks war ihm in den Proben besonders wichtig, seit Herbst 2018 arbeitete er mit dem Kammerchor Herzogenbuchsee und dem Collegium Vocale Seeland an der Passion.
Mit der Aufführung kurz vor Ostern ist auch der inhaltliche Zusammenhang gegeben: Schliesslich handelt Bachs Werk von den Geschehnissen um die Kreuzigung Jesu. Diese gibt der Evangelist, gesungen von Tenor Jan-Martin Mächler, aus der Erzählerperspektive wieder.
Der Chor, der in Mächlers Ausführungen sporadisch einspringt, schafft es, aufgebrachte Menschenmengen vor dem inneren Auge aufleben zu lassen. Er gibt der Passion eine faszinierende Dynamik, stellenweise hat man das Gefühl, selbst mitten in der Geschichte zu stehen.
Einen klaren Kontrast zum Tumult der Masse schafft Bass José Coca Lola, der die Rolle des Jesu von Nazareth übernimmt. Wie in traditionelleren Versionen des Stücks üblich, übernimmt ein zweiter Basssolist die weiteren männlichen Rollen. Ulrich Eggimann sticht besonders in der letzten Arie für Bass und Chor heraus, sein Gesang verleiht den Phrasen eine tiefe Melancholie.
Emotionale Strophen hört das Publikum auch in den Arien für Alt, gesungen von Solistin Anna Nero. Die perlende und eindrücklich raumfüllende Sopranstimme von Sandrine Droin rundet die gesangliche Palette ab.
Spannende Gegensätze
Dass das Ganze mehr als eine Summe von Individuen ist, zeigt das Kammerorchester Camerata 49. In den Turba-Chor-Passagen und Chorälen legt es das klangliche Fundament des Stücks.
Das Orchester setzt die oft schnellen Stimmungswechsel der Passion problemlos um, ohne Lücken im Erzählfluss zu verursachen. Dass die Mitglieder in den vielen Soli der Passion auch individuell glänzen, beweist die Qualität der Formation zusätzlich.
Zu Beginn erklärte Dirigent Lucas, dass die Johannespassion noch heute gerade wegen der vielen Gegensätze so spannend aufzuführen sei. Für die Zuhörer bestätigt sich diese Aussage durchs Band, sei es klanglich, erzählerisch oder emotional. Dass das Publikum in den voll besetzten Kirchenbänken schon wenige Momente nach dem letzten Ton stehend applaudiert, erstaunt deshalb keineswegs.
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