Eine Suppenküche gegen Hungersnot
Vor 200 Jahren richtete die Gemeinde Signau im Beckhaus eine Suppenküche ein, um so die Hungersnot zu bekämpfen. Dies fand Lokalhistoriker Alex Fabel kürzlich beim Lesen alter Ratsprotokolle heraus.

Andernorts hätten die Menschen vor 200 Jahren verfaulte Abfälle, Gras und Wurzeln gegessen, weiss Alex Fabel. Der 77-jährige Signauer beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte seiner Gemeinde. Kürzlich ist er auf Ratsprotokolle aus dem Jahr 1817 gestossen, die ihn beeindruckten. Denn sie zeigen, «wie die Gemeinde durch Einigkeit und unbedingten Willen die Hungersnot in Schach gehalten hatte», schreibt er im Vorwort einer kurzen Abhandlung.
Es war an der Sitzung vom 7. Januar 1817, als der Gemeinderat beschloss, man wolle «eine Rumfortische Suppenanstalt anlegen und fornieren». Laut Fabel geht der Begriff Rumfordsuppe zurück auf einen Reichsgrafen von Rumford, der 1795 ein Suppenrezept zur Soldatenspeisung der bayerischen Armee erfunden habe. «Weil die Herstellung einfach und billig war, eignete sich das Rezept auch zur Armenspeisung», so Fabel.
Geldsammlung für Suppe
Bei der Suppe handelte es sich um einen Eintopf aus Wasser, Gersten- oder Weizenkörnern und Kartoffeln. Gemeinsam schafften die Signauer einen eisernen rund 200 Liter fassenden Kochtopf an. «Des Peter Ruchs Frau» wurde als Köchin angestellt. Sie wohnte im Haus an der Dorfstrasse 45, das heute als Beckhaus bekannt ist.
Doch das Einrichten einer Suppenküche war mit grossen Kosten verbunden. So wurde beschlossen, bei den Gutsbesitzern ihrem Vermögen entsprechend Kartoffeln und pro Gut ein Mass Hafermehl sowie ein Mass «gestarpfte Gerste» einzuziehen. Das reichte aber noch nicht. Am 17. Januar 1817 erging auch noch der Beschluss, dass «zuhanden der rumfordschen Suppe» eine freiwillige Geldsammlung durchgeführt werde.
Am 10. Februar wurde die Suppenküche – jetzt unter dem Namen Mushafen – in Betrieb genommen. Ab dem gleichen Tag war das Betteln in der Gemeinde Signau verboten. Am 11. Februar fand eine sogenannte Armensitzung statt. Dort wurde laut Alex Fabels Recherchen festgelegt, wer berechtigt war, Suppenportionen zu beziehen, und zu welchem Preis.
Warum die Köchin bereits auf den 12. Februar wechselte, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls wurde nun aber «Niklaus Kammermann Röhrlimachers Frau» eingestellt, «welche die Suppen nach Vorschrift zubereiten und kochen soll». Pro Woche erhielt sie 20 bis 25 Batzen Lohn und pro Tag zwei Gratisportionen Suppe. Sie wohnte laut Fabel ein paar Häuser vom Beckhaus entfernt an der Dorfstrasse 53, also dort, wo Gerda Tscharner heute ihren Coiffeursalon betreibt.
«Ob und wie viele Opfer die Hungersnot forderte, wissen wir nicht», schreibt Fabel. «Aber im Herbst 1817 standen wieder bessere Ernten in Aussicht.» Deshalb beschloss die Gemeindeversammlung: «Der Mushafen soll Samstag, 30. August 1817, aufhören.» Die noch vorhandenen Lebensmittel seien auf die Armen zu verteilen. Weiter wurden die Gutsbesitzer angehalten, der Armenkommission eine bestimmte Menge Korn zu liefern, damit Brot gebacken und den Bedürftigen verteilt werden könne.
Der Vulkan in Indonesien
Die Organisation einer Suppenküche «zeugt von einem aufgeklärten und weltoffenen Geist der Signauer», stellt Fabel fest. Denn andernorts habe man mit Wallfahrten oder gar mit abergläubischen Zeremonien versucht, die Katastrophe abzuwenden.
Zu bedenken gibt der Lokalhistoriker aber auch, wie es überhaupt zur Hungersnot kommen konnte. Ausgelöst wurde sie vom Vulkan Tambora, der am 10. April 1815 auf Indonesien ausgebrochen war. «Die erzeugte Aschenwolke verfinsterte die Sonne, sodass wegen Ernteausfällen in den folgenden Jahren weltweit eine grosse Hungersnot ausbrach.»
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