Eine Schutzzone für Kramp-Karrenbauer?
Die CDU-Chefin schlägt eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien vor. Damit setzt sie ihren Plan, dereinst Kanzlerin zu werden, aufs Spiel.

Eine «aussenpolitische Sensation», eine «Zäsur in der deutschen Sicherheitspolitik», ein «Bruch» mit der traditionellen «Kultur der militärischen Zurückhaltung»: Die renommierte Kommentatorin des «Spiegels» überschlug sich fast vor Aufregung, als sie den Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer für eine international kontrollierte Sicherheitszone in Syrien bewertete.
Noch nie, schrieb Christiane Hoffmann, sei die Initiative für einen internationalen Friedenseinsatz von Deutschland ausgegangen. Noch nie habe das Land von sich aus Truppen für einen Militäreinsatz in Aussicht gestellt.
Und nun mache sich die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin quasi im Alleingang dazu auf, die deutsche Aussenpolitik neu auszurichten. Kramp-Karrenbauers Mut zu mehr deutschem Engagement sei unbedingt zu loben, schloss der «Spiegel», selbst wenn sich natürlich noch viele Fragen stellten und die Chancen ihres Vorstosses ziemlich klein seien.
«Annegret Kühn-Karrenbauer»
Die «Süddeutsche Zeitung» (SZ) war ähnlich elektrisiert, konnte sich aber nicht recht entscheiden, wie sie die Urheberin der Aufregung beurteilen sollte: «Annegret Kühn-Karrenbauer», wie es der aussenpolitische Kommentator tat? Oder doch eher wie der innenpolitische Leitartikler, der fragte: «Annegret wer?»
Kramp-Karrenbauer sei als Verteidigungsministerin noch nicht einmal 100 Tage im Amt, meinte die SZ, aussenpolitisch sei sie eine Novizin, als Vorsitzende der CDU bereits derart geschwächt, dass sie offenbar glaube, sich nur noch mit einem grossen Schlag befreien zu können. Mit ihrem Vorschlag beweise sie zwar Courage, und in der Sache sei er ja vielleicht sogar richtig. Aber sie habe ihn in einem «aberwitzigen Alleingang» so «tölpelhaft» vorgebracht, dass sie dabei Kanzleramt und Aussenministerium öffentlich vorführte – jene Stellen, denen eine solche Initiative eigentlich zustünde.
Von SMS-Diplomatie zu SOS-Diplomatie
Die CDU-Chefin überrumpelte auch den sozialdemokratischen Koalitionspartner. Aussenminister Heiko Maas unterrichtete sie lediglich per SMS. «Von SMS-Diplomatie halte ich wenig», meinte Maas später, «daraus wird schnell SOS-Diplomatie.» Der Vorstoss habe «Irritationen» bei den Bündnispartnern hervorgerufen. Und in jedem Fall wäre es klüger gewesen, erst den Ausgang des russisch-türkischen Gipfels abzuwarten.
Man müsse nun schnell wissen, was Kramp-Karrenbauer mit ihrer Schutzzone konkret meine und von wie vielen deutschen Soldaten man eigentlich spreche. Die SPD steht Auslandeinsätzen traditionell skeptisch gegenüber. Die aktuelle Überwachungsmission über den Irak und Syrien wollte sie eigentlich auslaufen lassen – und nicht neue militärische Verpflichtungen eingehen.
Kramp-Karrenbauer habe den «grossen Knall» gesucht, weil sie ihn innenpolitisch und persönlich brauche, meinten am Mittwoch viele Kommentatoren. Sie zwinge damit ihre Partei und die stets vorsichtige Kanzlerin Angela Merkel hinter sich und hebe sich vom ungeliebten Koalitionspartner ab. Gleichzeitig könne sie sich selbst als handlungsfähig und mutig profilieren, zur Not halt auch gegen die SPD – und an Merkel vorbei.
«Sie setzt alles auf eine Karte»
Die Gefahr, dass sich Kramp-Karrenbauer mit ihrem Va-banque-Spiel überhebt, ist riesig. Nicht nur, weil eine Einigung mit Russland und der Türkei über Nordsyrien wenig wahrscheinlich scheint, sondern auch, weil sie mit ihrem Vorgehen die innenpolitischen Verbündeten ohne Not vor den Kopf stiess. In der deutschen Bevölkerung wiederum ist die Skepsis gegenüber militärischen «Abenteuern» im Ausland sowieso gross.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schrieb: «Sollte Kramp-Karrenbauer eines Tages Bundeskanzlerin sein, wird ihr Mut und ihr Instinkt gepriesen werden. Sollte sie es nicht werden, wird ihr Syrien-Vorschlag als Beispiel dafür genannt werden, dass sie sich übernommen hat.» Der SZ sagte ein anonymer General über seine Chefin: «Sie setzt alles auf eine Karte. Wenn sie das durchsetzt, gehört sie zu den ganz Grossen. Wenn nicht, dann kann sie endgültig ins Saarland zurückgehen.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch