«Eine Fraktion der Unverbesserlichen»
Gravierende Wahlmanipulationen in Aserbeidschan sorgen für Streit im Europarat. Was los war, sagt Alfred Heer, Wahlbeobachter und Europaratsmitglied.

Aserbeidschan hat am vorletzten Sonntag seinen Präsidenten gewählt. Ilham Alijew wurde erwartungsgemäss in seinem Amt bestätigt. Der autokratisch regierende Langzeitpräsident gewann mit 86 Prozent der Stimmen. Nach dem Urnengang verbreitete die Wahlkommission Aserbeidschans eine Mitteilung, wonach die internationalen Wahlbeobachter die Wahl «grösstenteils positiv bewertet haben».
Zu einem anderen Schluss kommen die Berichte von OSZE und Europarat, die Wahlbeobachter in die Südkaukasusrepublik entsandt hatten. Nicht nur sei der Wahlkampf nicht fair und ohne echten Wettbewerb verlaufen. Am Tag der Wahl stellten die Wahlbeobachter zudem «zahlreiche schwerwiegende Unregelmässigkeiten» fest. Dabei hätte Amtsinhaber Alijew auch ohne Regelwidrigkeiten haushoch gewonnen.
Mehr Wahllisten in der Urne, als Leute abgestimmt haben
«Die Manipulationen waren klar sichtbar», sagt Alfred Heer, Zürcher SVP-Nationalrat und Mitglied des Europarats, der als Wahlbeobachter in Aserbeidschan war. Heer selber wurde Zeuge von Unregelmässigkeiten in einem Wahlbüro in Baku. Beispielsweise berichtet Heer, dass sich in der Urne ein Bündel Wahlzettel befand. «Dies bedeutet, dass jemand mehrere Wahllisten eingeworfen hat.» Bei der Auszählung sei nicht ermittelt worden, wie viele Personen die Wahlliste unterzeichnet hatten. «Dies ist notwendig, damit die Anzahl Unterschriften mit der Anzahl Wahllisten aus der Urne verglichen werden kann», erklärt Heer. «Macht man dies nicht, muss man davon ausgehen, dass mehr Wahllisten in der Urne sind, als Leute abgestimmt haben.» Zudem habe die Auszählung durch die Beobachter nicht kontrolliert werden können.
Die Erkenntnisse der Wahlbeobachter sind in einen Bericht eingeflossen, der deutliche Kritik an der Präsidentenwahl in Aserbeidschan äussert. Im zuständigen Ausschuss des Europarats sorgte der Bericht danach für heftige Auseinandersetzungen. Die Beobachter von OSZE und Europarat hätten 50 Prozent der Auszählungen als sehr schlecht bewertet, sagt Heer. «Allerdings gibt es Unverbesserliche im Europarat: Sie finden, dass 50 Prozent immerhin richtig ermittelt wurden und die Wahlen deshalb fair waren.» Das kritische Statement zur Wahl in Aserbeidschan wurde schliesslich verabschiedet – allerdings mit einem knappen Resultat von 12 zu 10 Stimmen.
Unterschiedliche Demokratiestandards
Heer spricht von einer «Fraktion der Unverbesserlichen». «Das sind vor allem Personen aus den früheren Ostblockländern und sogar aus EU-Ländern, die selber keine lupenreine Demokratie kennen», sagt Heer. Aber auch westliche Länder wie Spanien seien nicht über alle Zweifel erhaben. «Logisch unterstützt man sich gegenseitig.» Der Europarat in Strassburg ist eigentlich eine wichtige Institution, die sich als Hüterin von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat versteht.
Laut Heer ist klar, dass der Europarat diese Werte durchsetzen sollte. Der Bericht der Wahlbeobachter habe aber keinerlei Konsequenzen für Aserbeidschan. «Für die Anhänger einer fairen rechtsstaatlichen Demokratie sind die Berichte des Europarates jedoch wichtig. Immerhin geniessen sie dann einen gewissen Schutz im eigenen Land.»
Man könne nur den Dialog mit solchen Staaten wie Aserbeidschan aufrechterhalten, sagt Heer. «Es besteht allerdings die Gefahr, dass nicht wir die undemokratischen Staaten positiv beeinflussen, sondern die undemokratischen Staaten die demokratischen Staaten negativ.» Wer also meine, dass die Menschenrechte in Strassburg gut geschützt seien, sollte sich hüten. «Die Nichtdemokraten sind nur unwesentlich schwächer als die Demokraten aus den stabilen Demokratien.»
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