Eine Frage des Geldes
In China werden absurde Beträge bezahlt, um die besten Spieler zu verpflichten. Die Spirale des Irrsinns dreht sich immer schneller – immer prominentere Fussballer erliegen den Lockrufen.

Die Aussage war bemerkenswert, und sie steigerte die Beliebtheit des im Volk äusserst populären Hitzkopfes Carlos Tevez weiter:
«Ich bin müde vom Fussball. Ich meine es ernst. Es geht nur noch ums Geld, das gefällt mir nicht. Spieler sind nicht mehr daran interessiert, Titel zu gewinnen. Sie denken nur an ihre Verträge.»
So sprach der argentinische Weltklassestürmer mit Vergangenheit bei Manchester City und Manchester United im Sommer 2015, als er überraschend von Juventus zu seinem Heimklub Boca Juniors nach Buenos Aires zurückkehrte. Er wolle noch ein wenig zu Hause kicken und bei seinen Freunden sein, meinte der in seiner Karriere als schwieriger Charakter aufgefallene Tevez: «Das ist es, was im Leben zählt.»
Immer grössere Exzesse
18 Monate später ist alles anders. Carlos Tevez ist nun der bestbezahlte Fussballer der Welt. Er spielt in Zukunft: bei Shanghai Shenhua! Titel will er da kaum gewinnen, auch er ist dem Lockruf der Wirtschaftsmacht China erlegen und kassiert 45 Millionen Franken im Jahr. Der 32-Jährige ist das prominenteste Beispiel einer ungesunden Entwicklung.
«Es war eine sehr schwere Entscheidung. Und es ist ein Angebot, das ich für meine Familie nicht ablehnen konnte.»
Lange wird Tevez kaum die Nummer 1 auf der Lohnliste weltweit bleiben. Gestern schrieb die «Gazzetta dello Sport», Shanghai SIPG biete 170 Millionen Franken für Pierre-Emerick Aubemeyang – und dem Dortmund-Stürmer ein Jahressalär von noch einer Million mehr als Tevez.
Die Chinesen wollen, kräftig unterstützt durch den mächtigen Staat, in der mit Abstand grössten Sportart der Welt endlich zur globalen Grösse aufsteigen. Als Land, das bald eine WM austragen und gewinnen will.
Als Nationalteam, deshalb werden landesweit Hunderte Nachwuchszenten aufgezogen. Und als Liga, also investieren die Klubs Unsummen, um nicht nur Altstars zu verpflichten, sondern allergrösste Attraktionen.
Die Hunderten von Millionen Fussballfans im Land, welche die besten Ligen Europas fanatisch verfolgen, sollen zu Hause Spektakel erleben. Die Investoren buhlen auch um Wertschätzung bei der politischen Elite, die hinter dem Sportgrossprojekt steht.
Witsels Ehrlichkeit
Zuletzt zog Axel Witsel von Zenit St. Petersburg ein Angebot des Aufsteigers Tianjin einer Offerte von Juventus vor. «Es war eine sehr schwere Entscheidung. Auf der einen Seite ein Topklub wie Juventus und auf der anderen Seite ein Angebot, das ich für meine Familie nicht ablehnen konnte», sagte der Belgier italienischen Medien. In China wird Witsel in drei Jahren atemberaubende 65 Millionen verdienen.

Noch gibt es in der chinesischen Liga eine Beschränkung auf fünf Ausländer pro Team, um eigene Spieler zu fördern. Möglicherweise fällt diese, die Vereine haben Gefallen daran gefunden, immer wildere Transfers zu präsentieren. Das kann auch eine Chance für europäische Klubs sein, wie das Beispiel des Wechsels von Oscar zeigt.
Der Brasilianer, im Herbst 25 Jahre alt geworden, stagnierte bei Chelsea stark, war nur Ergänzungsspieler – und konnte für über 70 Millionen Ablöse zu Shanghai SIPG verkauft werden. Jahresverdienst des Edeltechnikers: 25 Millionen.
Nun ist das Transferfenster offen, der Wahnsinn geht im Januar weiter, selbst bei einem wie Lukas Podolski, dessen beste Zeiten Jahre zurückliegen, überbieten sich die chinesischen Vereine mit astronomischen Angeboten. «Es ist extrem, was da bezahlt wird», sagt Chelseas italienischer Trainer Antonio Conte. «Aber mal ehrlich: Ich verstehe jeden Trainer und jeden Spieler, der ein paar Jahre nach China geht.»
Milliarden für Superstars
Und die Spirale des Irrsinns dreht sich munter weiter. Selbst die Superstars werden ins Visier genommen. Lionel Messi könnte in China in fünf Jahren eine halbe Milliarde verdienen, Cristiano Ronaldo noch mehr, dazu würde dessen Arbeitgeber Real Madrid eine Ablösesumme von über 300 Millionen kassieren. Enorm viel Geld für einen 31-Jährigen. Aber Ronaldos Berater Jorge Mendes winkte in Tevez-Manier ab:
«Geld ist nicht alles. Real Madrid ist sein Leben. Der chinesische Markt ist neu, sie können eine Menge Spieler kaufen, aber es ist unmöglich, sich um Ronaldo zu bemühen. Cristiano ist der beste Spieler der Welt und der Geschichte und hat viele Angebote.»
Der gerissene Mendes wird das China-Interesse gewiss geschickt einsetzen bei den anstehenden Vertragsverhandlungen Ronaldos mit Real Madrid. Und so steigt das Lohnniveau auch in Europa weiter. In England zittern die Klubs jedenfalls vor Chinas Offensive. Arsenal-Coach Arsène Wenger warnt bereits seit Monaten: «Das ist eine Gefahr für uns. Sie machen den Fussball kaputt.»
Allerdings wechselt auch kaum ein Fussballer wegen des Wetters oder des strengen Weihnachtsprogramms in die gleichfalls schwerreiche Premier League. Liverpools scharfzüngiger Trainer Jürgen Klopp sagte kürzlich treffend zur Moraldiskussion in England, wonach Spieler nur noch dem Geld nachrennen und deshalb nach China wechseln würden: «Wissen Sie eigentlich, dass man auf der Welt das gleiche sagt über die Premier League?»
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