Eine europäische Lösung ist nicht in Sicht
Immer mehr EU-Staaten torpedieren die Reform des gemeinsamen Asylsystems und setzen auf Alleingänge.

Das letzte Mal, als die Innenminister sich über die Reform des europäischen Asylsystems beugten, reiste der Deutsche Horst Seehofer gar nicht erst an. Auch Italiens Rechtsnationalist Matteo Salvini blieb lieber zu Hause und legte von dort aus sein Veto gegen den neusten Kompromiss ein. Bei der Reform der sogenannten Dublin-Verordnung sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht.
Die grosse europäische Lösung, von der jetzt Angela Merkel wieder spricht, ist jedenfalls nicht in Sicht. Mehr als zwei Jahre lang ist über Verteilschlüssel und Zuständigkeiten bei Asylverfahren gestritten worden. Im Fokus der sogenannte Solidaritätsmechanismus. Von der ursprünglichen Idee der EU-Kommission ist allerdings nicht mehr viel übrig. Eine obligatorische Lastenteilung soll es gemäss dem letzten Entwurf nur noch in Extremsituationen geben.
Griechenland und Italien, wo die meisten Asylsuchenden und Migranten ankommen, ist das zu wenig Solidarität. Die Visegrad-Staaten mit Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei sehen hingegen noch immer zu viel Zwang. Der Rechtsrutsch in einigen Hauptstädten hat die Polarisierung verstärkt und die Möglichkeiten für einen Kompromiss schrumpfen lassen. Österreich etwa hat sich auf die Seite der Visegrad-Staaten geschlagen, will das Flüchtlingsproblem mit Abschottung und ausgelagerten Auffanglagern ausserhalb der EU wie etwa in Albanien «lösen». Dieser Weg steht nicht wirklich offen, solange die Europäer sich an internationale Regeln und Menschenrechtsstandards halten.
Die Lage ist auch verzwickt, weil für eine Lösung Kompromisse übers Kreuz nötig wären. Was für die Südeuropäer die Solidarität ist, ist für die Nordeuropäer die Frage der sogenannten stabilen Verantwortung. Die bisherige Dublin-Verordnung lädt die Südeuropäer dazu ein, Asylsuchende nicht zu registrieren, und gibt Migranten Anreiz, unterzutauchen. Nach kurzer Zeit ist heute nicht mehr das Erstankunftsland, sondern möglicherweise ein EU-Staat weiter nördlich für das Asylverfahren zuständig. Um zu verhindern, dass ein Asylsuchender sich das Land aussuchen kann, wollen die Nordeuropäer die Frist auf bis zu zehn Jahre verlängern, innert deren ein Bewerber in das Erstankunftsland zurückgeschickt werden kann.
Das wiederum kommt für die Südeuropäer nur infrage, wenn auch der Solidaritätsmechanismus für eine robuste Entlastung sorgt. Was die Innenminister bei den unzähligen Beratungen nicht geschafft haben, soll nun der EU-Gipfel in zehn Tagen richten. Allerdings sind dort die Hürden noch höher, die Chancen auf eine Einigung in letzter Minute praktisch bei null. Anders als die Innenminister können die Staats- und Regierungschefs nur im Konsens entscheiden. Die Verhärtung hat dabei weniger mit den aktuellen Flüchtlings- und Migrationsströmen zu tun. Die Zahlen sind weit entfernt vom Rekordjahr 2015. Unter anderem auch, weil der umstrittene Deal mit der Türkei nach wie vor funktioniert. Es ist das politische Klima, das immer mehr nationale Regierungen zu Alleingängen drängt.
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