Ferienprofis persönlich (12)Ein Vielflieger landet in der Schweiz
Claudio Grisch kennt als Reiseprofi die ganze Welt. Nun entdeckt er als CEO von Hotelcard und Familienvater auch die Heimat.
Grimsel, Val d’Anniviers oder Wergenstein statt Indien, Island oder Tokio – die Destinationen haben sich bei Claudio Grisch radikal gewandelt. Das hat nicht allein mit den eingeschränkten Reisemöglichkeiten in Corona-Zeiten zu tun. «Ich war in den letzten 20 Jahren in der ganzen Welt unterwegs, nun möchte ich endlich die Schweiz entdecken», sagt der Reiseprofi.
Lange war Grisch für die Kuoni Gruppe tätig. Später arbeitete er bei GTA Travel in London und zuletzt bei Hotelbeds in Spanien – beides global führende Distributionsplattformen für Hotels. Er hat zwar immer in der Schweiz gewohnt, aber unter der Woche war er meist irgendwo auf der Welt zu Meetings unterwegs. Stolz ist Grisch nicht darauf, als Vielflieger seinen Teil zur Klimaerwärmung beigetragen zu haben. Aber oft war es einfach auch unausweichlich für seine berufliche Tätigkeit.
Schweizer System schätzen gelernt
Als Vater von zwei Buben im Alter von drei und fünf Jahren verzichtet er nun aber privat fast ganz auf Flugreisen. Seine Familie war auch der Grund, weshalb Claudio Grisch wieder in der Schweiz arbeiten wollte. «Ich habe das Schweizer System durch meine Erfahrungen im Ausland wieder sehr zu schätzen gelernt», meint er schmunzelnd.

Seit gut einem Jahr leitet Claudio Grisch als CEO die Firma Hotelcard mit Büro im idyllischen Klosterareal in Wettingen AG. «Mich reizte es, eine Firma als Geschäftsführer von Grund auf mitgestalten zu können.» Er sei begeistert vom einzigartigen Geschäftsmodell von Hotelcard und sehe grosses Potenzial, die Firma weiterzubringen. Das Unternehmen entstand 2009.
Mitglieder der Hotelcard, damit sind die Gäste gemeint, bezahlen einen Jahresbeitrag von 99 Franken. Sie profitieren von Preisreduktionen, die bis zu 50 Prozent betragen können – in über 500 Hotels in der Schweiz und den Nachbarländern. Die teilnehmenden Häuser wiederum können dank Hotelcard ihre Auslastung in Randzeiten und Nebensaison aufbessern, ohne dafür eine Kommission abgeben zu müssen.
Übernachten an traumhaften Orten
Anfangs lockte das Unternehmen mit dem knackigen Slogan «Das Halbtax für Hotels». Doch nicht immer konnte das Versprechen auch eingehalten werden. «50 Prozent Rabatt sind nicht immer möglich, aber die absolute Ersparnis beträgt im Schnitt über 100 Franken pro Nacht», betont der CEO. Das Ziel sei, dass Hotelcard-Mitglieder dort übernachten können, wo sie es sich erträumten.
Dazu arbeiten Grisch und sein 20-köpfiges Team in der ganzen Schweiz sowie in Indien daran, die Plattform weiter zu verbessern und die Benutzerfreundlichkeit zu steigern. «Wir wollen nicht nur mit Rabatten punkten, sondern die Mitglieder auch inspirieren und sie an neue, wunderbare Orte führen.» Und weiter: «Wir möchten uns mit nachhaltigen, lokalen Reisen positionieren und verstehen uns als Gegenpol zu Booking und Easyjet.»

Natürlich möchte Grisch als passionierter Reisender dieses Credo auch selbst vorleben. «Es gibt noch so viele schöne Ecken in der Schweiz», schwärmt der in Zürich wohnhafte 41-jährige Bart- und Brillenträger. Strandferien sind ohnehin nicht sein Ding. Der aktive Sportler steigt lieber aufs Mountainbike und dreht seine Runden – wenn nicht in den Alpen, dann auf dem Üetliberg. Im Sommer zieht es Grisch auch aufs Wasser zum Stand-up-Paddeln und im Winter aufs Snowboard. Inspiration für noch unbekannte Orte bekommt er oft auch von seinem Portal. Gerade die kleinen Ferienorte und Hotels liegen dem Firmenboss am Herzen. «Sie können sich keine grosse Werbung leisten.»
Mehr Mitglieder und Übernachtungen
Während viele Reiseanbieter und Hotels derzeit stark von der Corona-Krise betroffen sind, steigen die Übernachtungszahlen bei Hotelcard markant. In den Sommermonaten konnten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 49 Prozent zusätzliche Zimmernächte vermittelt werden. «Das bringt mir kein Geld, macht aber die Mitglieder glücklich.» Doch auch die Zahlen der Neumitglieder bei Hotelcard sind gestiegen, ebenso die Erneuerungsrate. Das freut den Chef natürlich, aber überrascht ihn nicht völlig: «Die Schweiz ist ein grossartiges Produkt!»

Dass der in Brigels und Bonaduz aufgewachsene Bündner einmal in der Tourismusbranche landen würde, hat sich übrigens schon in seiner Kindheit abgezeichnet. Für seine Lieblingsbeschäftigung verzog er sich gerne in den Keller, wo er Modellflieger bastelte. Er wollte aber nicht nur Basteln, sondern auch richtig Fliegen. Den Traumberuf als Pilot hat er allerdings bisher nicht ergriffen. «Wer weiss, vielleicht werde ich irgendwann noch das Segelflugbrevet machen», meint er lachend. Damit könnte Claudio Grisch auf jeden Fall seine Klimabilanz noch etwas aufbessern.
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie in Zusammenarbeit mit PrimCom. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Tamedia.
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