Wie hätte ein guter Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin aussehen können? Zum Beispiel so: Trump hätte sich im Anschluss an das Gespräch neben Putin stellen können. Er hätte den russischen Präsidenten auf klare und unmissverständliche Weise dafür kritisieren können, dass seine Agenten in den USA Wahlmanipulation betrieben haben, und er hätte ihn auffordern können, jeden weiteren Angriff auf die USA zu unterlassen. Für einen wie Trump, der sich auf seine deutlichen Töne einiges einbildet, wäre es nicht schwierig gewesen.
Doch Trump wählte einen anderen Weg. Nicht nur weigerte er sich bei seiner Pressekonferenz, Putin vor den Augen der Welt zur Verantwortung zu ziehen. Er stellte sich vielmehr neben den Russen und sagte, von Journalisten befragt, so laut und deutlich wie nie, dass er – der Präsident der Vereinigten Staaten – dem Staatschef Russlands mehr glaube als den Geheimdiensten seines eigenen Landes. Dass diese Dienste Russland unisono für den aggressivsten Widersacher Amerikas halten, dass sie erst gerade vor neuen Cyberangriffen auf die demokratische Infrastruktur der USA warnten: Es zählte alles nichts. Trump sagte, er habe keinen Grund, anzunehmen, dass Russland hinter der Einmischung in die US-Wahlen stecke.
Statt Kritik am Machthaber von Moskau also: Angriffe auf die eigene Opposition. Angriffe auf die eigene Justiz. Und Angriffe auf die eigenen Medien, deren Vertreter an der Pressekonferenz in furchtloser Direktheit bewiesen, warum die amerikanische Presse zu den besten gehört. Was Trump in Helsinki aufführte, war gerade für einen Präsidenten der Republikanischen Partei Ronald Reagans ein Verrat an der eigenen Geschichte – ein Verrat am eigenen Land. «Blame ‹America First›».
Statt die Annexion der Krim zu thematisieren, raunte Trump lieber von Verschwörungen.
Dass Trump die russischen Aktionen rund um die Präsidentschaftswahlen 2016 nicht losgelöst von seinem Wahlsieg betrachten kann oder will, ist das eine. Mindestens so schwer wiegt aber die verpasste Gelegenheit, Putin einmal öffentlich für all die Dinge zu rügen, die sich sein Regime in den vergangenen Jahren hat zuschulden kommen lassen. Nicht, dass es zu wenig Beispiele gegeben hätte, von den Wahlmanipulationen in den USA ganz abgesehen: die Annexion der Krim. Die Destabilisierung der Ukraine. Der Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs. Die Giftmorde in Grossbritannien. Die fortwährende Unterstützung des syrischen Machthabers Bashar al-Assad und dessen Vernichtungskrieg gegen sein Volk.
Lieber warf Trump mit Verschwörungstheorien um sich, er schwafelte von einem pakistanischen Gentleman und von verschwundenen Computerservern der Demokraten, was wiederum Putin zu einem eigenen Exkurs über George Soros verleitete, das bevorzugte Feindbild rechter Nationalisten und Antisemiten. Die Gedankenverschmelzung beider Männer war komplett, als Trump auf die Frage eines Journalisten nach der russischen Verantwortung für die diplomatische Krise sagte, «beide Länder» hätten Fehler begangen. Das war Whataboutism, wie ihn Putin perfektioniert hat: die rhetorische Technik, mit der sich jede Untat mit dem Verweis auf eine andere relativieren lässt.
Rückkehr auf diplomatische Weltbühne
Falls Putin während des ganzen Schauspiels innerlich grinste: Man merkte es ihm nicht an. Fraglos war das Treffen von Helsinki für ihn aber ein Triumph. Für seine Einmischung in die US-Wahlen wurde er von Trump mit einem pompösen Gipfel belohnt, mit Schmeicheleien überschüttet und erreichte das, wonach er schon lange gestrebt hatte: die Rückkehr Russlands auf die diplomatische Weltbühne. Bezahlen musste er dafür nichts. Auch so kann man Autokraten legitimieren.
Man sollte all dies bedenken, wenn man die Begegnung der Staatschefs nun als Beleg dafür lobt, dass die USA und Russland wenigstens wieder miteinander reden. Das wäre an und für sich tatsächlich positiv, gerade, falls aus den von Trump und Putin angekündigten technischen Gesprächen über eine Neuauflage der nuklearen Rüstungskontrolle tatsächlich etwas wird. Eine «grossartige Beziehung» zu Putin, wie sie sich Trump erträumt, nützt jedoch allein für sich nichts, wenn sie nicht dazu führt, dass dessen Regime sein Verhalten ändert.
Verstärkt hat Trump mit seinem Auftritt in Finnland schliesslich auch den Widerspruch, den seine Regierung in der Russland-Frage abgibt. Es ist nicht so, dass die USA gegenüber Moskau eine weiche Linie fahren: Die Sanktionen bestehen weiter, russische Diplomaten wurden ausgewiesen, schwere Waffen an die Ukraine geliefert. Doch solange der Präsident der USA klingt wie der persönliche Anwalt des Präsidenten von Russland, lacht über diesen Widerspruch nur einer: Wladimir Putin.
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Ein Verrat an der eigenen Geschichte
«America First»? Von wegen. Donald Trump klingt am Gipfel wie Putins Anwalt.