Ein Raumschiff auf dem Bauernhof
Im Weltall war der Raumfrachter zwar nie, der am Freitag auf dem Hof bei der Sternwarte Uecht gelandet ist. Trotzdem wirkt die riesige Kapsel, als würde sie aus einer anderen Welt stammen.
Die silberne Oberfläche der Kapsel verteilt das Scheinwerferlicht im Dunkeln der Nacht. Es ist kurz nach vier Uhr morgens, und doch ist auf dem Bauernhof in Niedermuhlern schon einiges los. Die Equipe aus Zürich ist fleissig bei der Arbeit: Sie löst Spanngurte, erklimmt Leitern, bringt den Kran in Position.
Guido Schwarz steht daneben, die Arme eng um den Körper geschlungen. In Bern sei es kälter als in Zürich, meint er und ringt sich zu einem Lachen durch. Schwarz hat einen langen Tag hinter sich. Am Donnerstagmittag wurde der Lastwagen in Zürich-Seebach beladen: 7 Meter hoch, 4,5 Meter breit und 2,5 Tonnen schwer ist der Raumfrachter, der nach Bern gebracht wurde. Um Viertel vor zwei in der Nacht startete der Schwertransport, Schwarz fuhr in seinem eigenen Auto hinterher.
Ein Glücksfall
«Hätten wir keine Lösung gefunden, hätte man den Frachter verschrotten müssen.»
Auf dem Bauernhof von Landwirt Res Kunz erinnert das Raumfahrt-Artefakt an ein Ufo, das am falschen Platz gelandet ist. Ein silbernes Raumschiff, am Kran schwebend zwischen Erntemaschine und Güllefass, oberhalb des Gürbetals inmitten von weiten Feldern. Dass der Frachter kostenlos in Kunz' Scheune unterkommen kann, sei ein Glücksfall, betont Guido Schwarz: «Hätten wir keine Lösung für ihn gefunden, hätte man ihn verschrotten müssen.»
Guido Schwarz ist Leiter des Swiss Space Museum – wohl fast das einzige Museum ohne Räumlichkeiten. Der Zürcher besitzt mittlerweile eine beachtliche Sammlung an Weltraumstücken, darunter etwa einen kompletten Raumanzug oder einen Luftreinigungsfilter, wie er auch in der Apollo-13-Mondkapsel verwendet wurde. Noch fehlt es aber an einem Ort, an dem er seine Sammlung ausstellen kann. Als ihm das Unternehmen Ruag Space den Raumfrachter anbot, konnte Schwarz trotzdem nicht widerstehen. Für den symbolischen Wert von einem Franken kaufte er das Artefakt.
Konkret handelt es sich bei der gigantischen Kapsel um einen Prototyp des Automated Transfer Vehicle (ATV). Die Ruag entwickelte den Frachter, nach dessen Vorbild fünf weitere Exemplare gebaut wurden. Zwischen 2008 und 2014 wurden diese ins All geschossen, beladen mit Vorräten für die Internationale Raumstation ISS. Lebensmittel, Treibstoff und Materialien für Experimente – mit etwa 5 Tonnen Fracht konnten die Kapseln bestückt werden. Die Besatzungen der ISS wiederum füllten die ATV mit Müll und sendeten sie zurück Richtung Erde, wo sie beim Eintritt in die Atmosphäre verglühten.
Neben der Sternwarte
Auch wenn der Raumfrachter in Niedermuhlern ein ungewohntes Bild abgibt – ganz unpassend platziert ist das Erbstück der Schweizer Raumfahrt doch nicht. Gleich neben Kunz' Hof steht nämlich die alte Sternwarte Uecht. Und ungefähr in zwei Jahren soll, nur wenige Hundert Meter weiter, das Swiss Space & Sustainability Observatory realisiert werden, das neue Schweizer Zentrum für Astronomie, Weltraumwissenschaft und Klimaveränderung.
«Vielleicht können wir die Kapsel irgendwann auch unserem Publikum zugänglichmachen.»
Massgeblich am Projekt beteiligt ist Andreas Blaser, Präsident der Stiftung Sternwarte Uecht. Er ist wärmer gekleidet als Schwarz, verfolgt die Ankunft der Raumkapsel an diesem Morgen aber genauso gespannt. Blaser war es, der die Zwischenlösung für den gigantischen Frachter organisiert und den Kontakt zum Landwirt hergestellt hat. «Es musste schnell und unbürokratisch eine Lösung gefunden werden», erklärt er das Engagement der Stiftung. «Und während der Realisierung des neuen Observatoriums wollen wir prüfen, ob die Kapsel vielleicht irgendwann auch unserem Publikum zugänglich gemacht werden kann.»
Einen Teil der Konstruktion können die Männer der Transportfirma bereits in der Scheune verstauen. Der wuchtige, aber leichte Carbonring wird mühelos hineinbefördert. Anders steht es um den Oberbau: Dieser ist noch zu gross und kann erst in zwei Wochen rein. Dann wird er von Lernenden der Maxon Motor AG zerlegt. «So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe», freut sich Guido Schwarz, «einerseits können wir das ATV endlich zwischenlagern, und andererseits geben wir etwas an die jüngere Generation weiter.»
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