Von Corona in die Pleite getriebenEin Patriarch, der glaubte, sich alles erlauben zu können
Philip Green galt als «König der High Street» in Grossbritannien. Jetzt ist sein Modekettenimperium pleite. Über einen Milliardär, der aus der Zeit gefallen ist.

Im Lockdown gibt es gewiss unangenehmere Orte als Monaco. Dorthin hat sich Sir Philip Green bereits im Frühjahr zurückgezogen, um der Pandemie möglichst aus dem Weg zu gehen. Die meiste Zeit verbringt er seitdem an Bord seiner 90 Meter langen Superjacht Lionheart. Green hat dort im Grunde alles, was er braucht: einen Koch, einen Pool und, falls er doch mal weg muss, einen Landeplatz für seinen Hubschrauber.
Anstatt in letzter Zeit nach London zu fliegen, um das Schlimmste zu verhindern, blieb Green im Hafen von Monaco. Es gibt Bilder, die ihn dabei zeigen, wie er im grauen Jogginganzug und mit mehreren Handys an den Ohren versucht, die Pleite seines Modekettenimperiums abzuwenden. Doch es half nichts. Die Arcadia Group beantragte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Zu ihr gehören mehrere Modeketten, die bekannteste ist Topshop.
500 Geschäfte, 13’000 Mitarbeiter vor dem Aus
Die Corona-Krise hat in Sir Philip den bislang prominentesten Unternehmer Grossbritanniens getroffen. Der 68-Jährige gilt dort noch immer als «König der High Street». Doch nun stehen seine 500 Geschäfte vor dem Aus, 13’000 Mitarbeiter müssen um ihre Arbeitsplätze fürchten. Viele haben auch Angst um ihre Pensionsansprüche, denn Green und seine Frau Tina hatten erst im vergangenen Jahr die Einzahlungen in den Pensionsfonds halbiert. Sie versprachen damals, stattdessen 100 Millionen Pfund in die Altersversorgung der Mitarbeiter zu stecken. Ob das noch gilt, ist fraglich.
In der Corona-Krise sind die Greens zu einer Art Zielscheibe der kollektiven Wut ihrer Angestellten geworden. Während ein Grossteil der Mitarbeiter von Arcadia in den Corona-bedingten Zwangsurlaub geschickt wurde, genossen Sir Philip und Lady Tina das Leben an der Côte d’Azur. Der Reichenliste der «Sunday Times» zufolge verfügte das Ehepaar in den Nullerjahren noch über ein Vermögen von 4,9 Milliarden Pfund. Davon scheint immer weniger übrig zu sein. Im Frühjahr wurde den Greens der Milliardärsstatus aberkannt. Das geschätzte Vermögen liegt nun bei 950 Millionen Pfund (was in Franken immerhin noch mehr als eine Milliarde ist).
«Ich bin im Detailhandelsgeschäft tätig, nicht im Zirkusgeschäft.»
Für einen wie Green, der seinen Reichtum demonstrativ zur Schau stellt, ist das Aus seiner Modekette ein ziemlicher Schlag. Er liebte es, ausschweifende Partys zu veranstalten, seinen 60. Geburtstag feierte er in Mexiko. Mit dabei: Robbie Williams, Stevie Wonder und die Beach Boys. Kritikern seines Lifestyles entgegnete er einmal: «Ich bin im Detailhandelsgeschäft tätig, nicht im Zirkusgeschäft.» Wie es aussieht, will sich Sir Philip sein Jetset-Leben nicht verderben lassen. Dem «Guardian» zufolge will er seinen Weihnachtsurlaub auf den Malediven verbringen. An einem Strand, wo die Privatvilla bis zu 30’000 Pfund pro Nacht kostet. Für seine Mitarbeiter, die nun um ihre Jobs bangen, muss das wie Hohn klingen.
Im analogen Zeitalter stehen geblieben
Green dürfte das nicht weiter kümmern, genauso wenig wie die Anschuldigungen, die gegen ihn in der #MeToo-Debatte erhoben worden sind. Angestellte warfen Sir Philip vor, Mitarbeiterinnen sexuell belästigt zu haben. Auch rassistische Sprüche sollen ihm nicht fremd gewesen sein. Offenbar führte Green seinen Konzern wie ein Patriarch, der glaubt, sich alles erlauben zu können.
So wie Sir Philip selbst sind auch seine Modeketten im analogen Zeitalter stehen geblieben. Topshop & Co. haben die Digitalisierung verschlafen. Im Grunde blieb ihr Geschäftsmodell seit den späten 1990ern unverändert. Damals hiess der Premierminister Tony Blair, die Spice Girls stürmten die Charts, und Kate Moss modelte für Topshop. Keine schlechte Zeit – aber eben eine, die vorbei ist.
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