
Deutlicher als erwartet sagt der Kanton St. Gallen mit über 66 Prozent Ja zum Burkaverbot. Glaubt man den Befürwortern, hat das Verbot präventiven Charakter gegen religiösen Extremismus. Fragt sich, wie gross dieses Problem in St. Gallen tatsächlich ist. Von den gut 500'700 Einwohnern des Kantons sind rund 7 Prozent Muslime. Und um die totalverhüllten Frauen unter ihnen zu zählen, ist keine Hand nötig. Auch verschleierte Touristinnen bleiben eine Seltenheit. Damit dürfte das Verbot wie im Tessin mehrheitlich Fussball- und Hockeyfans treffen, während es fundamentalistische Organisationen für medienwirksame Kampagnen nutzen.
Gewiss, der Anblick vollverhüllter Frauen kann irritieren. Auch stehen Nikab und Burka für ein rückständiges Frauenbild und ein fundamentalistisches Verständnis des Islams. Doch in einer liberalen Gesellschaft sind dies keine ausreichenden Argumente, um einen solch starken Eingriff in die Grundrechte vorzunehmen. Auch das Argument, dass man mit einem Verhüllungsverbot Frauen vor dem Tragen der Burka schütze, überzeugt nicht: Es besteht bereits die Möglichkeit, gegen Täter vorzugehen. Dies ist auch der richtige Ansatz, da ein Verbot höchstens Opfer in die häusliche Isolation zwingt, statt die Täter zu bestrafen.
Polizei wird situativ entscheiden müssen
Problematisch wird nun die konkrete Umsetzung des Verbots werden. Zur Erinnerung: Bestraft wird Gesichtsverhüllung nur, wenn sie «die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet». So wird die Polizei situativ entscheiden müssen, wann verhüllte Personen eine Gefahr darstellen und wann nicht. Ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Ordnungshüter, der alles und nichts ermöglicht.
Das deutliche St. Galler Ja gilt als Stimmungsbaromenter für ein nationales Burkaverbot, wie es eine eingereichte Volksinitiative fordert. Ende Juni lehnte der Bundesrat die Vorlage ab. Sein Gegenvorschlag: Kontakte mit bestimmten Behörden sollen unverhüllt erfolgen. Weiter soll ausdrücklich im Gesetz verankert werden, dass jeder Zwang zur Verhüllung unter Strafe steht. Dieser Vorschlag scheint ein gangbarer Weg zu sein.

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Ein nicht existierendes Problem im Visier
Das Verhüllungsverbot in St. Gallen trifft eher Fussballfans als Burkaträgerinnen – und es liefert muslimischen Extremisten willkommenes Propagandamaterial.