Ein Messias tritt ab
Er befreite Millionen aus der Armut, erarbeitete ein «Null Hunger»-Programm und etablierte Brasilien als Wirtschafts-Weltmacht: Der abtretende Präsident Lula da Silva hinterlässt seiner Ziehtochter ein schweres Erbe.
Als Luis Inácio Lula da Silva 2002 zum brasilianischen Präsident gewählt wurde, ging ein Zittern durch die Geschäftswelt des Landes. Schliesslich hatte der hemdsärmelige Gewerkschaftsführer in flammenden Wahlkampfreden vom Klassenkampf schwadroniert und den Armen eine bessere Zukunft versprochen.
Doch bereits kurz nach seinem Amtsantritt schwenkte Lula da Silva auf einen wesentlich moderateren Kurs ein. Den soll seine Nachfolgerin Dilma Rousseff, die an Neujahr 2011 ihr neues Amt antritt, nun fortführen.
Lula da Silva sorgte für ein wirtschaftsfreundliches Investitionsklima, trieb die Privatisierung von Häfen, Bahnen und Stromkonzernen voran und machte Brasilien zum grössten Exporteur von Biokraftstoffen. Auf der anderen Seite steckte er die Milliardengewinne aus der staatlichen Erdölförderung in ambitionierte Sozialprogramme.
Armutsbekämpfung mit Sozialprogrammen
Einer Studie zufolge haben sich zwischen Lula da Silvas Amtsantritt 2003 und Ende 2009 rund 20,5 Millionen Brasilianer aus extremer Armut befreit, etwa 29 Millionen schafften den Sprung in die Mittelschicht. Über das Programm «Bolsa Familia» werden über elf Millionen Familien mit monatlich rund 35 Euro unterstützt.
Da die Auszahlung der Unterstützung an den regelmässigen Schulbesuch der Kinder gebunden ist, gilt das Programm unter Experten als Modell für nachhaltige Sozialentwicklung. Über das Programm «Null Hunger» werden nach Angaben der brasilianischen Regierung zudem rund 50 Millionen Arme täglich mit drei Mahlzeiten versorgt.
Bereits kurz nach seinem Amtsantritt überraschte Lula da Silva die Finanzwelt, als er dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Schulden in der Höhe von 15 Milliarden Dollar vorzeitig zurückzahlte. Als Oppositionsführer hatte er die IWF-Forderungen noch zurückgewiesen.
Mit einer antizyklischen Wirtschaftspolitik gelang es Lula da Silva, Brasilien unbeschadet durch die Finanzkrise zu lotsen. 2009 verzeichneten brasilianische Aktien einen durchschnittlichen Wertzuwachs von 130 Prozent und der Real war die stärkste Währung weltweit. Für 2010 erwarten Experten ein Rekordplus auf dem Arbeitsmarkt und ein Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent.
Bedeutendere Rolle auf der Weltbühne
Während seiner Präsidentschaft forderte Lula da Silva für Brasilien selbstbewusst eine bedeutendere Rolle auf der Weltbühne und bemühte sich beispielsweise für einen ständigen Sitz im UNO- Sicherheitsrat. 2004 übernahm Brasilien in Haiti erstmals die Leitung einer UNO-Friedensmission.
Lula da Silva setzte sich für eine stärkere politische Ausrichtung der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur ein und trieb die Koordination der regionalen Verteidigungspolitik voran. Seinen Anspruch auf eine regionale Führungsrolle unterstrich Lula da Silva, als er 2008 nach 20 Jahren die Wiederaufnahme des brasilianischen Atomprogramms ankündigte.
Wegen seines moderaten Kurses gelang es ihm zudem immer wieder, zwischen konservativen und sozialistischen Regierungen und Südamerika vermitteln.
Rousseff geniesst volles Vertrauen Lulas
Dilma Rousseff soll nun das Erbe des überaus beliebten Präsidenten antreten. Lula da Silva hat volles Vertrauen in seine Vertraute und glaubt, dass sie die Geschicke Brasiliens weiterhin in seinem Sinne lenken wird.
«Sie wird mein Vermächtnis nicht nur weiterführen, sie wird es perfektionieren», sagte Lula da Silva kürzlich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP.
Er sei sich sicher, «dass sie noch viel mehr tun kann als ich, weil sie auf unserer Erfahrung aus acht Regierungsjahren aufbauen kann», sagte er. Sie habe in dieser Regierung an den Schaltstellen mitgearbeitet und sie wisse genau, wo es noch etwas zu verbessern gebe.
SDA/mrs
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