Ein Leben unter Terroristen
Ein spanischer Journalist hat eine radikalislamische Gruppe infiltriert. Er wurde zum Handlanger des berüchtigten Terroristen Carlos. Dieser erteilte ihm vom Gefängnis aus Aufträge.
Er ist Spaniens berühmtester Undercover-Journalist – so berühmt, dass er sich unter falschem Namen verstecken muss, weil er um sein Leben fürchtet: Unter dem Pseudonym Antonio Salas hat er zahlreiche Reportagen über die rechtsradikale Szene oder den Prostituiertenhandel veröffentlicht, und gegenwärtig wartet er mit Artikeln über das Innenleben von Terroristengruppen auf.
Dafür hatte sich Salas eigens eine neue Identität zugelegt und sich nach und nach unter islamische Radikalisten begeben – ein ungeheuerlich aufwendiges Unterfangen, wie der Spanier dem britischen «Guardian» erzählt. Salas gab sich als Mohammed Abdullah aus, als spanisch-venezolanischer Bürger, der palästinensische Grosseltern hatte.
Erfundene Ehefrau
Er lernte Arabisch und dachte sich seine eigene Lebensgeschichte aus, in der es unter anderem eine von Israeli getötete Ehefrau gab. Zumindest deren Name war real, Salas hatte ihn in Zeitungsarchiven recherchiert: Die 25-jährige Dalal Mujahad aus der palästinensischen Stadt Jenin war 2004 von israelischen Soldaten erschossen worden, sie war schwanger. Salas erzählte, sie hätten heimlich geheiratet – für den Fall, dass jemand seine Familiengeschichte durchleuchten und keine Verbindung zwischen ihm und der Frau finden würde.
Dieses Schicksal habe ihn radikalisiert, erzählte Salas überall herum. Er begann, islamistische Schriften zu schreiben und verteilte vor einer Moschee auf Teneriffa Flugblätter, die zum Jihad aufriefen. Die Polizei nahm ihn daraufhin fest, was Salas allerdings nur recht war.
Beförderung zum Webmaster eines Terrorführers
Die Biografie, die der Spanier auftischte, war offenbar überzeugend genug, dass er in Camps eingeladen wurde, in denen Terroristen ausgebildet wurden. Zudem wurde Salas zum persönlichen Webmaster eines der berüchtigtsten Terroristen: Carlos der Schakal, der in Paris im Gefängnis sitzt und mit bürgerlichem Namen Illich Ramirez Sanchez heisst. Für diesen Job führte Salas regelmässig Telefongespräche mit dem Terroristen, der für den Tod von über 80 Menschen verantwortlich sein soll.
Der Kontakt ergab sich nicht zufällig, sondern war von Salas gezielt gesucht worden. Carlos hatte er gewählt, weil dieser ein zum Islam konvertierter Venezolaner ist und für ihn besser erreichbar war als ein arabischer Radikaler. Salas schlug sein Zelt in Venezuela auf, besuchte die Familie von Carlos und war irgendwann «zufällig» im Haus, als diese mit dem Terroristen telefonierte. So lernte der Spanier den «Schakal» kennen. Er erschlich dessen Vertrauen und erhielt von ihm den Auftrag, seine persönliche Internetseite zu betreuen. Besuchen konnte Salas jedoch seinen neuen Chef nie, da er seine wahre Identität hätte offenlegen müssen, um Zutritt zum Gefängnis zu erhalten.
Beschneidung wegen Hammam-Besuch
Und auch sonst musste der Spanier ständig auf der Hut sein, um nicht aufzufliegen. Eine Einladung in ein Hammam-Bad brachte ihn zum Entschluss, sich beschneiden zu lassen. «Das war viel schmerzhafter, als ich dachte», erzählt er dem «Guardian». Als ihm einmal jemand begegnete, der die Heimatstadt seiner angeblichen palästinensischen Frau besucht hatte und mit ihm über die Ortschaft sprechen wollte, kam Salas ins Schwitzen.
All diese Strapazen hatte der Spanier nur wegen der Terroranschläge von 2004 in Madrid auf sich genommen. Diese hätten ihn geschockt, und er habe immer verstehen wollen, wie Terroristen denken würden. «Ich rechtfertige Gewalt nicht, aber nach meinen Recherchen kann ich es verstehen, wenn jemand zu diesem Mittel greift», sagt Salas dem «Guardian». Carlos der Schakal hat für ihn etwas Faszinierendes und Tragisches. «Für Terroristen gibt es nur zwei Enden: Entweder sie sterben oder gehen ins Gefängnis», sagt Salas. «Man muss ein bisschen dumm sein, wenn man sich auf so etwas einlässt.»
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