Ein Leben mit Blick auf die Stars
Interlaken. Denn seit
Klar, James Stewart, Henry Fonda und Gary Cooper sind viel berühmter als Robert Mühlemann. Aber immerhin: Irgendwie erinnert der gut aussehende, sportliche 80-jährige Böniger an die gross gewachsenen, oft etwas schlaksig wirkenden Hollywood-Stars jener vergangenen Jahrzehnte, als Schauspieler noch Stil und Charakter hatten. Dabei steht der stets gepflegt gekleidete Röbi, wie ihn seine sehr zahlreichen Bekannten nennen, keineswegs gerne im Scheinwerferlicht. Im Gegenteil: Seine angeborene Bescheidenheit und anerzogene Zurückhaltung lassen für Aufdringlichkeit oder gar Wichtigtuerei keinen Platz. Doch eigentlich hätte der stets pflichtbewusste und zuverlässige Robert Mühlemann genügend Grund, sich auch einmal feiern zu lassen. Besonders in diesem Jahr: 1945, also vor 65 Jahren, begann er seine Mitarbeit im Interlakner Kino. Beim Start waren die Aussichten zwar noch recht düster, denn nach Kriegsende lag die internationale Filmproduktion fast genauso am Boden wie die meisten anderen Wirtschaftszweige auch. Doch danach ging es rasch aufwärts, und auch Hollywood erwachte wieder zu voller Blüte. Schon 1946 feierten zum Beispiel James Stewart mit «It's a Wonderful Life» (von Frank Capra) und Henry Fonda mit «My Darling Clementine» (John Ford) zwei ihrer allergrössten Erfolge. Liebe und Ohnmachten Aber zurück von Hollywood aufs Bödeli. Hier, in Bönigen, war Röbi am 20. Oktober 1929 als Sohn eines Dachdeckers geboren worden und nach der Schule zuerst im Sand- und Kieswerk als Maschinist und anschliessend 41 Jahre bei der BLS als Magaziner, später als Magazinchef angestellt. «Schon als Kind hatte ich mich für das Kino interessiert», erinnert er sich. Dabei galt sein Augenmerk eher der Technik als Drehbüchern oder Schauspielern. (Mühlemann: «Am liebsten habe ich Tierfilme.») Ein Kollege von ihm arbeitete im Cinema Fédérale des Interlakner Kinopioniers Carlo Corti als Platzanweiser, fand jedoch eine Stelle als Nachtwächter – womit der 15-jährige Röbi Mühlemann zu seinem ersten bezahlten Freizeitjob kam. Zwei Jahre lang wies er nun also die Zuschauer – Mühlemann spricht auch heute immer nur von «Gästen» – ihre Sitze zu. Immerhin war das Kino dazumal noch in sechs verschiedene Platzkategorien aufgeteilt; der durchschnittliche Eintrittspreis betrug 80 Rappen. Und 1947, nach der Eröffnung des Ciné Rex an der Centralstrasse, übernahm der fleissige und engagierte Mitarbeiter auch noch die Funktion als Filmvorführer. An einen Gast jener Abende erinnert sich Robert Mühlemann besonders gerne: «Trudi gefiel mir so gut, dass ich sie statt in den von ihr bezahlten zweiten auf den ersten Platz führte und das nächste Mal sogar in die Loge.» 60 Jahre später, im September 2011, werden Trudi und Robert Diamantene Hochzeit feiern können. Und gut erinnern mag er sich auch an einige Ohnmachten: «Die Aufklärungs- und Geburts-filme der 60er-Jahre waren für manche Gäste des Guten zuviel, und einige fielen sogar ohnmächtig aus ihren Stühlen. Schliesslich mussten wir die Filme vorzeitig wieder vom Programm absetzen.» Explosion und Filmrisse Robert Mühlemann hat weit über ein halbes Jahrhundert aus nächster Nähe die Entwicklung der Kino-Technik miterlebt. In seiner Kabine, wo er die mächtigen Spulen mit den 4000 bis 5000 (entspricht rund drei Stunden) Meter langen 35-Milimeter-Filmen startet und Bild, Ton und Licht reguliert, arbeitete er bis 1951 noch mit abbrennenden Kohleelektroden als Lichtquelle. Erst dann wurden sie durch die so genannte Xenon-Gasentladungslampe ersetzt, die viel länger brennt – aber zunächst auch gefährlich war. Mühlemann: «Tatsächlich ist uns eine solche Lampe mal explodiert, und im ganzen Vorführraum lagen Scherben herum.» Auch an ein anderes Malheur erinnert er sich noch heute mit einem Schaudern: «Das war 1971 bei einer Vorführung von ‹Der Kapitän› mit Heinz Rühmann. Es war wie verhext: Der Film riss insgesamt zwölf Mal!» Technik und Respekt Doch die vielen positiven Erlebnisse überwiegen. Und Robert Mühlemann ist glücklich, auch heute noch sowohl im Ciné Rex als auch im Rex Piccolo Filme vorführen zu können: «Ich interessiere mich immer noch sehr stark für die Technik. Zudem fühle ich mich hier wie in einer Familie und freue mich über die vielen Gäste.» Dazu, so schmunzelt er, gehören auch einige 50- bis 60-Jährige, die früher, so erzählen sie ihm, Respekt und sogar regelrecht Angst hatten vor ihm: «Sie fürchteten sich davor, dass ich ihr Alter kontrolliere und merke, dass sie für die Vorstellung noch zu jung sind.»Alex Karlen >
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