Ein Kleiderschrank rettete ihr das Leben
In der Nacht haben bis zu 60 Nachbeben Norditalien erschüttert. Die Zahl der Toten stieg auf 17. Eine Frau wurde nach zwölf Stunden aus den Trümmern gerettet. Die Behörden kündigen Konsequenzen an.
Einen Tag nach dem schweren Erdbeben in Norditalien haben Feuerwehrleute eine weitere Leiche geborgen. Der Körper des vermissten Arbeiters wurde unter den Trümmern einer eingestürzten Fabrik in Medolla in der Provinz Modena entdeckt. Er ist laut offiziellen Angaben die letzte vermisste Person. Damit stieg die Zahl der Toten des jüngsten Bebens auf 17. Die italienische Zivilschutzbehörde hatte gestern mitgeteilt, man gehe von etwa 350 Verletzten und 14'000 Obdachlosen in der Erdbebenregion aus.
Laut Medienberichten wurde eine 65-jährige Frau zwölf Stunden nach dem Beben der Stärke 5,8 aus den Trümmern gerettet. Die Region Emilia-Romagna und Teile Mittelitaliens waren bereits eineinhalb Wochen zuvor von einem Beben der Stärke 6,0 getroffen worden.
Zahlreiche Nachbeben – je nach Angaben zwischen 40 und 60 – erschütterten in der Nacht auf heute die Region. Der stärkste Erdstoss hatte eine Magnitude von 3,8, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Viele Anwohner verbrachten die Nacht aus Angst in ihren Autos.
Experten gehen von weiteren Beben aus. «Es wird bestimmt noch zu weiteren Erdstössen kommen», sagte Gianluca Valensise, Mitglied des nationalen Instituts für Geologie und Vulkanologie. «Nach einem Erdbeben im Jahr 1570, das die Stadt Ferrara erschütterte, dauerten die Nachbeben vier Jahre lang.»
Historische Bauten beschädigt
Der Schaden am Kulturerbe der Region ist immens. Die Feuerwehr ist im Einsatz, um das genaue Ausmass der Zerstörung festzustellen. Besonders betroffen sind Kirchen und Schlösser in den Provinzen Modena, Bologna und Ferrara.
In San Felice sul Panaro ist nunmehr der auf vielen Titelblättern abgebildet gewesene Turm ganz eingestürzt, von dem nach dem ersten Beben am 20. Mai nur noch die Hälfte übrig geblieben war. In Mirandola brach ein Teil des Domes ein.
Der Palazzo Ducale in Mantua bekam Risse, und auch in der Stadt Carpi wurde der Dom aus dem 16. Jahrhundert schwer beschädigt. Schäden an historischen Gebäuden wurden auch aus Venedig und aus der Toskana berichtet.
Trümmerhaufen der Gebäude
In Rovereto starb ein 65-jähriger Pfarrer unter den Trümmern der Kirche, in der er jahrelang die Messe gelesen hatte. Der Priester hatte mit Feuerwehrleuten Risse in den Kirchwänden kontrolliert, die beim ersten Beben entstanden waren. Als die Erde erneut bebte, wurde er von einer Steinplatte getroffen, die sich von der Decke löste.
Tote gab es aber wie schon beim ersten Beben vor allem in eingestürzten Fabriken. Ingenieure hatten sie gerade wieder freigegeben, wie Rai News berichtete. Das Fernsehen zeigte Trümmerhaufen der Gebäude, die wie Kartenhäuser zusammengefallen waren.
Regierungstreffen
Mittlerweile haben die Behörden Konsequenzen angekündigt. Die Staatsanwaltschaft von Modena nahm Ermittlungen auf, warum bei den Beben am Dienstag und am 20. Mai so viele Werkshallen einstürzten.
«Die nationale Industriepolitik ist, was die Bauten angeht, selbstmörderisch», sagte der leitende Staatsanwalt von Modena, Vito Zincani. Präsident Giorgio Napoletano übte Kritik an den Politikern: «Die Politik zur Vorbeugung von Erdbebenschäden war in hohem Masse unzureichend.» Ingenieure hatten die Gebäude gerade wieder freigegeben, wie Rai News berichtete. Das Fernsehen zeigte Trümmerhaufen von Fabriken, die wie Kartenhäuser zusammengefallen waren.
Kritik von Wissenschaftlern
Auch Geologen kritisierten mangelnde Vorsorge. Fast drei Millionen Menschen leben in Gebieten mit einem «hohen Erdbebenrisiko», während 21 Millionen Bürger in Gebieten mit einem «erhöhten Risiko» wohnen. In Italien gebe es aber kaum Prävention. 725 Gemeinden seien von Erdbeben sehr bedroht, eine erhöhte Gefahr bestehe in 2344 Gemeinden.
Italiens Regierung will heute eine Ministerratsitzung abhalten, bei der Hilfsmassnahmen für die Region beschlossen werden sollen. «Wir werden die betroffenen Gebiete nicht allein lassen», versicherte Premierminister Mario Monti.
Um die Notstandsmassnahmen zu finanzieren, überlegt die Regierung eine Erhöhung der Benzinsteuer, berichteten italienische Medien. Die Regierung erklärte den kommenden Montag zum Nationaltrauertag.
SDA/bru
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