Ein Drittel der 60-Jährigen findet keine Stelle mehr
Eine neue Studie zeigt, wie über 55-Jährige bei der Stellensuche benachteiligt werden – und liefert den Befürwortern der Überbrückungsrente zusätzliche Argumente.

Der Bundesrat will ausgesteuerten Arbeitslosen über 60 den Gang aufs Sozialamt ersparen und ihnen bis zur Pensionierung eine Überbrückungsleistung gewähren (zum Bericht). Im Parlament ist die Idee umstritten. Doch nun zeigt eine Studie, wie schlecht in der Schweiz die Aussichten älterer Arbeitsloser auf eine neue Stelle sind.
Publiziert hat sie Daniel Oesch, Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Lausanne. Er hat einerseits untersucht, wie häufig ältere Arbeitnehmer zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Andererseits verfolgte er die Situation von 1200 Arbeitnehmern, die bei Betriebsschliessungen entlassen wurden.
Seine Untersuchung zeige, dass es in der Schweiz eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer gebe, sagt Oesch. So nehme die Chance, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, ab 55 massiv ab. Dies ergab ein Test mit 500 Personalverantwortlichen, denen fiktive Bewerbungsdossiers für Stellen als Hauswart, als HR-Assistent und Buchhalter zugesandt wurden. Für die Hauswartstellen gab es bereits für 50-Jährige kaum mehr eine Einladung. Bei den HR-Assistenten und Buchhaltern stellte Oesch ab 55 eine Diskriminierung fest.
Der zweite Beleg für die schwierige Situation der Älteren sind die mit zunehmendem Alter schwindenden Chancen, wieder angestellt zu werden. Bei den zum Zeitpunkt ihrer Entlassung 35-Jährigen waren nach zwei Jahren 5 Prozent arbeitslos. Bei den 40- bis 50-Jährigen betrug die Quote 12 Prozent. Von den 55-Jährigen waren hingegen 28 Prozent noch immer arbeitslos, bei den 60-Jährigen sogar 35 Prozent. Laut Oesch wäre die Arbeitslosigkeit bei den über 55-Jährigen wohl noch viel höher, wenn nicht ein Teil nach der Entlassung frühpensioniert worden wäre. Der Anteil der Frühpensionierten beträgt bei den 55-Jährigen 3 Prozent, bei den 60-Jährigen 35 Prozent.
Konkret bedeutet dies, dass nur 30 Prozent der 60-Jährigen zwei Jahre nach der Entlassung wieder eine Erwerbsarbeit hatten. Und wer Arbeit fand, musste erhebliche Lohneinbussen hinnehmen. «Bei den über 55-Jährigen beläuft sich die jährliche Einkommenseinbusse auf ein bis zwei Monatslöhne», sagt Oesch.
«Wenn Firmen die Überbrückungsrente als eine Art Frühpensionierung betrachten würden, wäre das verheerend.»
Der Bundesrat sieht die Überbrückungsleistung für jene vor, die ab 60 aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert werden, also mit 58 oder später entlassen wurden. Die Gegner der neuen Sozialleistung wenden ein, dass ältere Arbeitnehmer in der Schweiz nicht häufiger arbeitslos seien als Jüngere. Das stimme zwar, sagt Oesch. «Die meisten über 55-Jährigen arbeiten tatsächlich, und die Arbeitgeber sind mit deren Arbeit sehr zufrieden.» Dennoch sei das Argument nur bedingt stichhaltig. Denn nach einem Stellenverlust sei es insbesondere ab 55 sehr schwierig, wieder einen Job zu finden. «Die Untersuchung zeigt, dass es in der Schweiz ein sozialpolitisches Problem gibt, auf welches die Überbrückungsleistung eine Antwort sein kann.»
Oesch glaubt nicht, dass die Überbrückungsrente einen Anreiz schafft, sich weniger um eine neue Stelle zu bemühen. Er verweist darauf, dass die Arbeitslosen vor der Berechtigung auf die Überbrückungsleistung während zweier Jahre vergeblich eine Stelle gesucht haben müssen. Weil für die Überbrückungsrente zudem ein maximal zulässiges Vermögen und ein Vermögensverzehr festgelegt werden, bestehe nach wie vor ein grosser Anreiz, eine Arbeit zu suchen.
Allerdings sieht Oesch eine gewisse Gefahr, dass Firmen die Überbrückungsrente als eine Art Frühpensionierung betrachteten. «Heute gibt es in der Schweiz eine gewisse Zurückhaltung bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer. Wenn die Überbrückungsleistung diesen Tabubruch erleichtern würde, wäre das verheerend.»
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