Roms Bürgermeisterin Raggi wird entlastetDummerweise ein Freispruch
Ihre erste Amtszeit gilt als Desaster: Jetzt, nach überstandenem Justizkampf, wird sich Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi von den Cinque Stelle um ein zweites Mandat bewerben. Zum Unmut von Freund und Feind.

Der Triumph gerät etwas zu laut, aber wer kann es ihr verdenken? Virginia Raggi von den Cinque Stelle, seit viereinhalb Jahren Roms Bürgermeisterin, ist von einem Berufungsgericht vom Vorwurf freigesprochen worden, sie habe in einer Affäre um Vetternwirtschaft gelogen. «Das ist mein Sieg», sagte sie nach dem Urteil, und in diesem trotzigen Satz steckt viel Lust auf Revanche.
Wäre die 42-jährige Anwältin zu zehn Monaten Haft verurteilt worden, wie das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, wäre ihre politische Karriere wohl definitiv vorbei gewesen. Das Statut der Fünf Sterne ist da deutlich. Nun aber will Raggi sich bei den Wahlen im kommenden Jahr um ein zweites Mandat bewerben – zum grossen Unmut ihrer Gegner und vermeintlichen Freunde. Selbst in der eigenen Partei hatten viele insgeheim gehofft, dass Raggi im Gericht stürzen würde und nach ihrer desaströsen Geschäftsführung in den vergangenen Jahren den Weg räumt für eine Alternative.
Die Umfragewerte sind verheerend, und doch ist nichts klar
Konkret ging es in dem Verfahren um die Umstände, die 2016 zur Berufung von Renato Marra, einem Polizisten, zum Direktor der städtischen Tourismusbehörde führten. Renato ist der Bruder von Raffaele Marra, und dieser Raffaele war Raggis mächtiger Personalchef. Es hiess gar, er sei mächtiger als die Bürgermeisterin selbst. Als Raggi von der Anti-Korruptions-Behörde zu der Affäre befragt wurde, sagte sie, sie sei selbst Opfer der Machenschaft gewesen. Das Gericht glaubte Raggi, die Sache ist vom Tisch.
Die Wahlen 2021 sollten deshalb ganz und gar darum kreisen können, worum Wahlen immer kreisen sollten: um Politik, in diesem Fall um die Verwaltung der italienischen Hauptstadt. Unter der Leitung Raggis besserte sich keines der chronischen Grossprobleme Roms, weder der öffentliche Verkehr noch die Müllabfuhr – sie wurden eher noch grösser. Das sagen die Römer in Umfragen, Raggi schneidet katastrophal ab. Und doch ist keineswegs sicher, wie die Wahlen ausgehen werden.
«Unterstützt mich, ihr habt ja niemanden.»
Im sozialdemokratischen Partito Democratico, der national mit den Cinque Stelle regiert und mit der Bewegung auch kommunal Allianzen plant, hatten sie gehofft, Raggi falle aus. Mit ihr ist ein Bündnis ganz unvorstellbar. Einen eigenen Kandidaten hat die Partei aber bisher auch nicht finden können, angefragt wurden prominente Namen: unter anderem David Sassoli, der Vorsitzende des Europaparlaments, Enrico Letta, der ehemalige Premier, und Andrea Riccardi, der Gründer der humanitären katholischen Laienorganisation Sant’Egidio. Doch alle lehnten dankend ab.

So drängt sich den Sozialdemokraten jetzt Carlo Calenda auf, der frühere Manager und Industrieminister, Chef der kleinen sozialliberalen Partei Azione. Ihm wird zugetraut, dass er Raggi im ersten Wahlgang schlägt und sich dann in einer Stichwahl mit dem Kandidaten der Rechten messen könnte. Doch der Polemiker Calenda gehört nun mal nicht zum Partito Democratico. Er greift die Partei sogar ständig an, meist auf Twitter. «Unterstützt mich», sagt Calenda, «ihr habt ja niemanden. Im Februar präsentiere ich Mannschaft und Programm.»
Auch die Rechte hat noch keinen Bewerber gefunden, doch sie hat Zeit: Nach Raggis Freispruch läuft nun mal für eine Weile die übliche Selbstzerfleischung der italienischen Linken.
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