Drei Tage lang Brot und Salami
Gestern erreichte die manövrierunfähige Costa Allegra den Zielort Seychellen. Amateuraufnahmen zeigen nun, was sich während der dreitägigen Irrfahrt in Piratengewässern auf Deck abspielte.
Die Klimaanlage ging nicht. Die Toiletten funktionierten nicht. Es konnte nicht gekocht werden. Es gab nachts kaum Licht. In den Kabinen war es unerträglich heiss und es stank. Zu essen gab es trockenes Brot mit Käse oder Salami, dreimal täglich.
Zu Hunderten drängten sich die Menschen auf Deck, wo der Fahrtwind etwas Kühlung brachte. Videoaufnahmen, die Passagiere machten, zeigen Dutzende von Liegen, auf denen Menschen schlafen. Denn auf dem Weg von Madagaskar nach Victoria, in die Hauptstadt der Seychellen, befand sich die Costa Allegra, das havarierte Kreuzfahrtschiff, in den Tropen, nicht sehr weit südlich des Äquators.
«Wir haben alle quasi im Schwimmbad gelebt», sagte der Deutsche Franz Meyer. Sein Landsmann Sebastian Veit konnte all dem allerdings nicht viel abgewinnen: «Morgens Sandwich, mittags Sandwich, abends Sandwich, da hat man irgendwann genug.»
Im Schlepp eines Fischtrawlers
Viele der rund 1000 Menschen an Bord standen am gestern Morgen an Deck und winkten, als das Schiff am Kai festgemacht wurde. Das Rote Kreuz hatte im Hafen Zelte aufgebaut, um die Passagiere versorgen zu können. «Wir sind hier, um Wasser und psychologische Unterstützung anzubieten, weil die Passagiere sich in einer sehr stressigen Situation befanden», sagte eine Rot-Kreuz-Mitarbeiterin.
Das manövrierunfähige Kreuzfahrtschiff Costa Allegra erreichte die Seychellen im Schlepp eines französischen Fischtrawlers. Es nahm am Morgen Kurs auf den Hafen der Hauptinsel Mahé, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Im Hafen warteten 16 Busse, um die Passagiere, die nach Hause zurückkehren wollten, zum Flughafen zu fahren. Dort standen zwei Chartermaschinen bereit, um die Urlauber nach Europa zu bringen.
Passagiere blieben ruhig
An Bord befanden sich auch 90 Schweizer Passagiere, 71 davon sind Kunden des Reiseveranstalters Reisecenter Plus AG aus dem Kanton Zürich. Man habe bereits mit dem eigenen Reiseleiter sprechen können, sagte die Geschäftsführerin Christine Bucher gegenüber Redaktion Tamedia. «Den Passagieren geht es offenbar gut, aber sie sind froh, endlich angekommen zu sein.»
Drei Tage dauerte es, bis das Schiff die Seychellen erreichte. Die meisten Passagiere hätten sich während dieser Zeit an Deck aufgehalten und auch im Freien übernachtet, da nach einem Brand Strom und Klimaanlagen ausgefallen waren und es darum in den Kabinen sehr heiss geworden war. «Die Stimmung an Deck war aber offenbar ruhig und entspannt», sagt die Geschäftsführerin weiter. Die Passagiere seien laufend informiert worden. «Wie unser Reiseleiter berichtete, haben sie versucht, das Beste aus der Situation zu machen.» Mit der Zeit sei sogar ein richtiges Gefühl der Zusammengehörigkeit entstanden. Auch zu Zwischenfällen mit Piraten sei es glücklicherweise nicht gekommen.
Die meisten Schweizer bleiben
Die mehr als 600 Passagiere sollen nach ihrer Ankunft auf den Seychellen nach Italien, Frankreich oder Deutschland ausgeflogen werden. Nach Angaben der italienischen Reederei Costa Crociere wird ihnen aber auch angeboten, bis zu zwei Wochen – die Dauer der geplanten Kreuzfahrt – auf den Seychellen zu bleiben. Fast alle der Schweizer Passagiere werden diese Möglichkeit laut Reiseveranstalter nutzen: «Nur etwa ein Dutzend unserer Kunden will sofort die Heimreise antreten.»
Laut der Reederei bleiben von den 627 Passagieren 376 auf ihre Kosten auf den Seychellen. Sie sollen demnach in guten Hotels auf verschiedenen Inseln untergebracht werden. Costa Crociere zahlt ihnen auch den Rückflug.
Wie die Passagiere der Costa Allegra darüber hinaus entschädigt werden, ist laut dem Zürcher Reiseveranstalter noch nicht bekannt. Man rechne aber damit, dass die Entschädigung grosszügig ausfallen und schnell über die Bühne gehen werde. Ob die Schweizer Passagiere weitere, darüber hinausgehende Forderungen stellen werden, müsse für jeden Fall einzeln abgeklärt werden, sagte die Geschäftsführerin weiter.
Brand im Maschinenraum
Das Kreuzfahrtschiff hatte sich am Montag auf dem Weg von Madagaskar zu den Seychellen befunden, als im Maschinenraum ein Brand ausbrach. Dieser konnte zwar gelöscht werden, doch fielen der Strom, die Klima- und die Toilettenanlagen aus. Die Rettungsfahrt hatte sich offenbar verzögert, weil das französische Schiff zwei von den Seychellen geschickte Schlepper aus finanziellen Gründen nicht an der Operation beteiligen wollte.
Die Havarie erregte besonders starke internationale Aufmerksamkeit, weil die Costa Allegra zur selben Reederei gehört wie die Costa Concordia, die vor rund sechs Wochen vor der italienischen Toskana-Küste auf einen Felsen auflief und kenterte. Bei dem Unglück starben 32 Menschen. Die Stadt Genua, Hauptquartier von Costa Crociere, bangt nun um die Zukunft der Kreuzfahrtgesellschaft, die 20'000 Personen beschäftigt und einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro generiert. In der Genueser Ortschaft Sestri Levante wurden die neuesten Costa-Schiffe gebaut.
dapd/sda/mrs
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