«Dort singen, wo ich lebe, ist wunderschön»
Am Musikfestival Murten Classics, das am 12. August beginnt, ist die Sopranistin Martina jankova Artist-in-Residence. Sie tritt dreimal auf und wird auch Werke aus ihrer Heimat singen.

Die Sopranistin Martina Jankova ist auch Poetin. In sich ruhend sitzt sie da, spricht, oder vielmehr, denkt laut nach und zitiert den Komponisten Leos Janacek: «Aus dem Inneren wachsen, sich nicht auf Anerkennung verlassen, aber stets den Acker bearbeiten, der uns anvertraut ist.» Das sei ihr Lebensmotto, sagt sie und präzisiert: «Erst wenn man im Kleinen etwas kann, darf man sich an das Grosse wagen – muss dann aber wieder zurück zum Kleinen –, sonst wird man arrogant.»
Die Sängerin ist Artist-in-Residence und tritt am Musikfestival Murten Classics auf (siehe Kasten). Sie kennt aber auch die grossen Bühnen. Sie singt in renommierten Häusern wie der Mailänder Scala, in Paris, Wien, Berlin und in den USA. Und sie wohnt seit zehn Jahren in Worb, zusammen mit ihrem Ehemann Rudolf Menzi und dem zehnjährigen Sohn Andri. Worb erinnert sie an die Kleinstadt Friedland am Fluss Ostravice im heutigen Mähren (Tschechien), wo sie aufgewachsen ist. «An beiden Orten sieht man Berge, Wälder und Felder – die Weite», sagt Martina Jankova.
Liebe zum Volkslied
«Ich liebe es, dort zu singen, wo ich lebe», sagt die Sängerin, die sich freut, nach zahlreichen Auftritten auf den internationalen Bühnen, am Musikfestival im kleinen Städtchen Murten aufzutreten. «Murten ist wunderschön. Und das diesjährige Thema von Murten Classics, ‹Unterwegs›, passt zu mir», sagt Jankova, deren Familiengeschichte vom Einmarsch der russischen Truppen in die Tschechoslowakei im Jahr 1968 geprägt ist. Sie war damals zwar noch nicht auf der Welt. «Aber meine Eltern und Grosseltern haben mir viel davon erzählt.» Ein Teil der Familie sei nach der Invasion der Russen nach Kanada ausgewandert.
Im Garten gesungen
Die kommunistische Periode von 1945 bis 1989 habe das Land und seine Kultur stark geprägt, sagt Martina Jankova, die im Kommunismus aufgewachsen ist. Als sie zwei Jahre alt war und ihre Mutter wieder arbeiten musste, lebte sie unter der Woche bei ihrer Grossmutter auf dem Land. «Ich war immer im Garten und sang mit den Vögeln um die Wette», erzählt sie. Die Nachbarn, die Musikerfamilie Kotek, seien auf sie aufmerksam geworden.
«Sie haben mich zu sich geholt und mit mir Volkslieder geübt.» Als Vierjährige trat sie dann mit ihnen öffentlich auf – und das Publikum sang jeweils mit. Wunderschön und unvergesslich sei dieser Schritt in die Welt der Musik gewesen. Und wieder gerät Martina Jankova ins Sinnieren, sagt: «Die erste Heimat vergisst man nie.» Erzählt von den Äpfeln in Grossmutters Garten und den mährischen Volksliedern, die sie über alles liebt. Einige davon wird sie auch in Murten singen.
Dank an die Schweiz
1991, die Grenzen ihres Heimatlandes waren erst kurze Zeit offen, packte Martina Jankova als sehr junge Frau ihren Koffer und reiste aus. Zuerst besuchte sie Gesangskurse, die sie aus zusammengesparten Gagen bezahlte. Nach dem Studium an der Basler Musikakademie studierte sie ein Jahr an der Zürcher Oper, wo sie von 1998 bis 2012 Ensemblemitglied war. «Dank einem Stipendium der Eidgenossenschaft konnte ich das Solistendiplom erwerben», sagt sie und fügt an: «Ich bin so dankbar, dass ich in der Schweiz studieren durfte.»
Nach dem Studium folgte ein Stage im Gesangsensemble der Zürcher Oper, als Sprungbrett für eine glänzende Karriere. Jankova sang an den weltweit bekannten Salzburger Festspielen, in Wien, am Lucerne Festival. «Die Schweiz öffnete mir die Welt, das hat meine Liebe zu den mährischen Liedern und der tschechischen Musik verstärkt.»
Familie als Rückhalt
Von Berufes wegen reist Martina Jankova viel. Sehr viel. Aber zum Glück empfinde das ihre Familie nicht als Belastung, sondern begleite sie so oft wie möglich. «Wir versuchen, meine Auslandaufenthalte mit Ferien und Familientreffen oder einem Fest zu verbinden. Das gelingt uns oft.» Aber trotz aller Liebe zum Reisen und zu den Auftritten auf den Bühnen der Welt freut sich die Sopranistin auf das Kleine, Überschaubare. Beispielsweise auf Murten. Oder ihr Elternhaus in der Tschechei, wo sie auch schon Vaters Ziegen melken durfte.
Martina Jankova lehnt sich zurück und philosophiert: «Es ist doch wunderschön, wie uns die Tiere ihre Milch schenken. Und die Hühner ihre Eier.» Sie legt die Hände ineinander, zeigt, wie sich ein Kreis schliesst, das Grosse mit dem Kleinen verbunden ist.
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