Dorfgeschichte auf der Bühne
Am Freitag war mitten im Dorf Première.
Seit Februar hat Regisseur Urs Hirschi mit vierzig Schauspielern die über siebzig Rollen des «Vehdokters» einstudiert, darunter viele Doppel- und Dreifachrollen. Das Ensemble besteht aus Laienschauspielern der Region. Am Freitag haben sie das Stück um den Tierarzt, Politiker und Gründer der Ersparniskasse Rüeggisberg zum ersten Mal aufgeführt. Der «Vehdokter» Rudolf Trachsel wird als Wohltäter präsentiert, der ein offenes Ohr für alle Rüeggisberger hat. Detailgetreu Vor einem Bauernhaus wird der Alltag im von Armut geprägten Dorf Anfang des 19. Jahrhunderts gezeigt. Von den Kleidern über die hölzernen Pferdewagen bis hin zu Gebrauchsgegenständen haben die Ausstatter alles möglichst originalgetreu nachgebildet oder Originalstücke aufgetrieben. Selbst die Pausenverpflegung wird von einem Pferdewagen vor die Tribüne gezogen. Armut, Alkohol, Liebe Das Stück erzählt die Geschichte eines Gutmenschen. Rudolf Trachsel weiss, dass er die Welt nicht ändern kann, will seinen Mitmenschen aber immerhin helfen, sich in der schwierigen Zeit zurechtzufinden. Urs Steffen spielt den Tierarzt überzeugend und trägt damit das Stück. Exemplarisch für viele andere, die sich ob der Armut und fehlenden Perspektive nicht mehr zu helfen wussten, stehen die beiden verschuldeten Bauern Peterli Gilgen (Hans Ueli Wittwer) und Bänz Bieri (Arno Keller). Ersterer vertraut sich Trachsel an, bevor es zu spät ist, letzterer wird zum Frevler und setzt die Saatkartoffeln der Gemeinde lieber in den Schnapsbrennkessel. Er wandert schliesslich nach Amerika aus. Die Tochter Marianne (Monique Moser) muss mit über den grossen Teich und ihre Liebe Ueli (Jonathan Stoller) in Rüeggisberg zurücklassen. Uelis Vater, der Alte Nydegger (Erwin Guggisberg), ist darüber nicht unerfreut, sind für ihn die Armen doch nur nutzloses Pack. In diesem Milieu bekommt der Tierarzt Gelegenheit, seine Philosophie auszuführen. Demnach ist keiner von sich aus schlecht, nur die Umstände sind es. Selbst als der Kassier der Ersparniskasse mitsamt dem Geld abhaut, glaubt Trachsel noch an das Gute im Menschen. Einmalige Kulisse Rudolf Trachsel altert im Stück um Jahrzehnte, Kinder werden geboren, Tote beklagt und eine Hochzeit gefeiert. All das ist in zwei kurzweilige Stunden komprimiert. Die Kulisse ist einmalig und wird geschickt genutzt. Durch die zahlreichen Auftrittsmöglichkeiten, welche der Schauplatz bietet, entstehen keine Längen zwischen den Szenen. Oft sind sogar mehrere Szenen gleichzeitig im Blickfeld. Verschiedene Gruppen sorgen für musikalische Abwechslung. Einziger Wermutstropfen: Grosse Teile der zweiten Hälfte spielen vor dem Stöckli. Das Geschehen dort ist etwas weit von den Zuschauern entfernt. Martina Bisculm Der Vehdokter: Freilichttheater in Rüeggisberg. Mit ÖV erreichbar. Vorstellungen bis am 6. August. Tickets: 031 808 17 77, Wettertelefon: 1600 801 132. www.vehdokter.ch>
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