Disney beherrscht die Oscars
Mit der Übernahme des Fox-Studios wird der Disney-Konzern nicht nur zum Hollywoodriesen. Er steigt auch zur fast unerreichbaren Oscarmacht auf.

Wenn am Sonntag die 90. Academy Awards vergeben werden, kommt es zum Zweikampf zwischen der Fantasy-Romanze «The Shape of Water» (13 Nominierungen) und dem Rachedrama «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« (7 Nominierungen). Das Spezielle an diesem Duell: Es ist gar keines. Beide Filme wurden von Fox Searchlight, der auf Arthouse-Filme spezialisierten Tochterfirma von 20th Century Fox, produziert und in die Kinos gebracht. Das Fox-Studio ist oscarerprobt, in den letzten sechs Jahren hat es viermal die meisten Nominierungen verbuchen können. 2015 etwa dank «Birdman».

Die Award-Dominanz von Fox ist von Bedeutung, wenn man sich die künftigen Machtverhältnisse in Hollywood anschaut. Ende 2017 kündigte der Disney-Konzern an, für 52,4 Milliarden Dollar grosse Teile von Fox zu übernehmen. Dazu kauft Disney der Mutterfirma 21th Century Fox die Film- und Fernsehproduktionsstudios, den Fernsehsender FX Networks, die Kabelkanäle von National Geographic sowie eine Mehrheit am Streaming-Dienst Hulu ab. Dank Fox erhält Disney auch weltbekannte Marken wie die «Simpsons» oder «Avatar», wozu in den nächsten Jahren Fortsetzungen angekündigt sind. In Florida hat Disney bereits im letzten Jahr einen Pandora-Themenpark eröffnet. Nicht zum Deal gehört Fox News, der Lieblingssender von Donald Trump. Dennoch ist die Übernahme einer der grössten Deals, die es in der amerikanischen Unterhaltungsbranche je gegeben hat.
Weinstein Company ist pleite
Ende 2018 soll die Übernahme vollzogen werden, sofern die Kontrollbehörden zustimmen. Disney würde damit nicht nur umsatzmässig die Nr. 1 in Hollywood. Dank Fox Searchlight avanciert Disney auch zur dominierenden Oscarmacht: Von insgesamt 123 Nominationen, die dieses Jahr aufgelistet sind, lassen sich 37 Disney und Fox zuordnen. Das sind über 30 Prozent. Im US-Kinomarkt hätten Disney und Fox gemäss «Hollywood Reporter» zusammen fast 40 Prozent Marktanteil. Andere Studios können da nur noch zuschauen. Etwa das einst so wichtige Paramount-Studio, das 2017 einen Verlust von 230 Millionen Dollar vermeldete und als erstes Hollywoodstudio seit 15 Jahren keine einzige Oscarnomination erhielt.

Mit Oscarfabriken hat die Walt Disney Company Erfahrung. 1993 übernahm sie für 60 Millionen Dollar Miramax, das frühere Filmstudio von Harvey und Bob Weinstein. Die Brüder waren damals gerade dabei, «Pulp Fiction» herauszubringen. In jenen Jahren galt Disney als spiessiger Hersteller von Familienunterhaltung, der höchstens mit dem Animationsfilm «Aladdin» an den Oscars vertreten war. Die Weinsteins waren die unberechenbaren Produzenten aus Queens, die Kritikerhits wie «The Crying Game» oder «The Piano» an die Festivals und zur Oscargala brachten.
Disney kaufte sich mit Miramax nicht nur Preisehren, sondern auch Coolness. Die Weinstein-Brüder konnten weitgehend unabhängig Filme zu sich holen und selbst produzieren. 2005 stiegen sie aus und gründeten die Weinstein Company, mit der sie aber nie an die früheren Oscarhits anschliessen konnten. Nach den Enthüllungen um Harvey Weinstein 2017 versuchte man ohne Erfolg, die Firma zu verkaufen. Diese Woche beantragte sie Insolvenz; am Sonntag ist keiner ihrer Filme nominiert.
Aufrüstung im Streaming-Markt
Dafür ist Disney noch gigantischer geworden. In den letzten 15 Jahren übernahm der Unterhaltungskonzern Pixar («Finding Nemo»), Lucasfilm («Star Wars») und die Marvel Studios, die Superhelden-Blockbuster produzieren, aktuell «Black Panther». Mit Fox Searchlight holt sich Disney nun wie damals bei Miramax ein weitgehend autonom operierendes Studio ins Haus, das auch aus sperrigeren Werken Publikumslieblinge machen kann.

Die Frage ist, was Disney mit Filmen wie «Three Billboards» anstellen will. Ab 2019 startet der Konzern einen eigenen Streaming-Dienst, um gegen Netflix oder Amazon anzukommen. Dort will er familientaugliche Disney-Filme und -Serien zeigen. Titel mit einem R-Rating, also solche, die ab 17 Jahren zugelassen sind, kommen voraussichtlich zur neu gekauften Hulu-Videothek. Noch dieses Jahr will Disney gewisse Lizenzpartnerschaften mit Netflix beenden. Dann werden wohl von einem Tag auf den anderen Disney-Titel aus der Netflix-Bibliothek verschwinden.

Die Entwicklung ist paradox: Während grosse Hollywoodstudios die eigenen Inhalte nun selber vertreiben und streamen wollen, um näher an ein Publikum heranzukommen, das Filme schauen möchte, wann und wo es will, wachsen Netflix oder Amazon zu Mini-Major-Studios heran – also zu mittleren Playern, die ziemlichen Lärm machen. Für den Fantasy-Actionfilm «Bright» mit Will Smith hat Netflix einen Blockbuster-Betrag von 90 Millionen Dollar bezahlt. Dieses Jahr will der Dienst 8 Milliarden Dollar in Eigenproduktionen stecken. Amazon investiert mindestens halb so viel, wenn nicht mehr. Die zunehmende Bedeutung der «Streaming-Studios» lässt sich auch an den Oscarteilnahmen ablesen. Netflix kommt 2018 mit acht Nominierungen auf einen Rekord. Und dies, obschon der Anbieter seine Filme nach wie vor nicht ins Kino bringt.
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