Neue Sisi-Serie bei RTLDildos am kaiserlichen Hof
Mit «Sisi» startet eine von mehreren Neuadaptionen über das Leben der österreichischen Kaiserin. Vergessen ist die Kitsch-Verfilmung der 50er-Jahre – die Hofdamen sind emanzipiert dargestellt.

Sisi trägt also Schwarz. Anders will sie nicht an den Hof des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. reisen – und da ihre Mutter und Schwester Néné aber nicht ohne sie nach Wien zu Nénés künftigem Gatten fahren können (zu auffällig!), dann eben in Schwarz. Sie ist in Trauer, da ihre Mutter einen einfachen Grafen für sie nicht akzeptieren will. Auf die Frage des Kaisers, was denn vorgefallen sei, weswegen sie Schwarz trage, antwortet Sisi nonchalant: «Ich trauere um meine grosse Liebe, Eure Majestät.»
Sie ist also zurück. In Zeiten, in denen das Kino einen historischen Stoff nach dem anderen zum Biopic verfilmt, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Geschichte von Elisabeth in Bayern, der späteren Kaiserin von Österreich, neu adaptiert wird. Die sechsteilige RTL-Serie «Sisi» ist nun Auftakt einer Reihe von Produktionen, die die Kaiserin facettenreicher darstellen wollen als bislang.
Und eine Renaissance kann Sisi gut vertragen. Denn das Bild der österreichischen Kaiserin ist immer noch geprägt von der einen Trilogie: der von Ernst Marischka aus den Fünfzigern mit Romy Schneider. Auch sechzig Jahre später läuft der Kitsch-Dreiteiler jedes Jahr an Weihnachten im Fernsehen, immer noch fällt Schneiders Name in einem Zug mit der Rolle, die «wie Griessbrei» an ihr kleben blieb. Und ähnlich wie Romy Schneider hat auch Sisi viel mehr zu bieten.

Die RTL-Adaption will zwar historisch genauer sein als die Marischka-Filme, verdrängen will sie diese jedoch nicht. Hauptdarstellerin Dominique Devenport drückte es bei der Premiere der Serie in Cannes im Hinblick auf die Fans der alten Filme so aus: «Ich würde mir wünschen, dass sie sich beim Schauen unserer Serie von dem Klassiker befreien.»
Zwar ist der Kern der Geschichte derselbe – die Herzogin von Bayern verlobt sich statt ihrer Schwester mit dem österreichischen Kaiser und leidet bald unter der Last aller Verpflichtungen einer Kaiserin. Und doch zeigt die Neuauflage eine facettenreichere Sisi. Sie weiss zwar nicht, was sie am kaiserlichen Hofe erwartet, aber sie weiss ziemlich genau, dass sie sich dafür nicht verrenken wird. «Niemand wird mich ändern», ruft sie ihrem Vater im Streit zu. Der schweizerisch-amerikanischen Schauspielerin Dominique Devenport nimmt man diese neugierige, störrische, eigenwillige Sisi ab, die schlussendlich auch nicht davor zurückscheut, genau die Frau als Zofe zu engagieren, bei der ihr künftiger Ehemann eine Nacht im Bordell verbracht hat.
Die echte Sisi war nicht nur gebildet und reiste viel, sie war liberal, eine begeisterte Reiterin, befasste sich mit Ernährung, Diäten, Fitness und schrieb Gedichte. Alles in allem ziemlich fortschrittlich für die damalige Zeit. Angeblich hat sie sich sogar einen Anker als Tattoo stechen lassen. Von Tattoos ist in den ersten beiden vorab verfügbaren Folgen von «Sisi» zwar nichts zu sehen, dafür aber von Hofdamen, die Dildos in die Wiener Hofburg schmuggeln.
Man wolle die österreichische Kaiserin als eine «empfindsame und widerständige Frau» porträtieren, hiess es zu Beginn des Projekts von Produktionsseite. Aber auch der Kaiser (ein bisschen zu steif: Jannik Schümann) ist nicht leicht zu fassen. Zwar ist er in Sisi verliebt, aber nicht kopflos, immer noch bleiben da Zweifel im Blick, ein Rest Skepsis. Sein politisches Tun nimmt viel Raum in der Serie ein, und während Sisi sich auf die Hochzeit vorbereitet, taktiert der Kaiser zwischen Napoleon und dem russischen Zaren. Ebenfalls taktierend: Julia Stemberger als Sisis Mutter Ludovica und Désirée Nosbusch als Franz’ Mutter Erzherzogin Sophie.
Opulent inszeniert – gedreht wurde unter anderem in Lettland und Litauen –, wird Sisi gerade schon in einem Zug mit «The Crown» oder «Bridgerton» genannt. Ein Vergleich, der RTL freuen dürfte. Soll die Serie doch die eigene Videoplattform RTL+ stärken und helfen, sich gegen Anbieter wie Netflix zu positionieren. Bis Frühling 2022 könnte das vielleicht funktionieren, aber dann lanciert Netflix selbst die Sisi-Adaption «The Empress» mit Devrim Lingnau und Philip Froissant als Kaiserpaar, eine weitere Serie ist in den USA in Arbeit. Ebenfalls im Frühjahr 2022 bringen Frauke Finsterwalder und ihr Ehemann Christian Kracht «Sisi und ich» ins Kino. Darin wird die Geschichte der österreichischen Kaiserin aus dem Blickwinkel ihrer Hofdame Irma erzählt.
Doch wenn in den weiteren Folgen von «Sisi» eher die Charaktere als die Dildo-Komik im Vordergrund stehen, ist die Renaissance geglückt. Eine zweite «Sisi»-Staffel wurde jedenfalls bereits in Auftrag gegeben.
«Sisi»: sechs Folgen, ab heute auf RTL.
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