Das Jahr der Datenschutz-Debatte
Google, Facebook und Wikileaks haben in diesem Jahr etwas geschafft, was schon fast unmöglich schien – es gibt wieder eine Debatte über Daten und Persönlichkeitsrechte im Internet.
Google, Facebook und Wikileaks haben in diesem Jahr etwas geschafft, was schon fast unmöglich schien – es gibt wieder eine Debatte über den Datenschutz und über Persönlichkeitsrechte in Zeiten des Internets. So allmählich wird vielen Menschen bewusst, was alles an Daten über sie gesammelt wird. Ganz ohne ihr Wissen, ohne dass sie um Erlaubnis gebeten wurden. Das geschieht höchstens hinterher, und auch nur dann, wenn die Proteste deutlich genug sind. Und sicher vor Missbrauch oder einer nicht beabsichtigten Verwendung ist auch nichts – das zeigt Wikileaks fast täglich.
Wikileaks auf der Liste zum «Wort des Jahres»
Die Enthüllungsplattform und ihr Gründer Julian Assange haben die Schlagzeilen der letzten Wochen mit den Veröffentlichungen der geheimen Depeschen von US-Diplomaten und davor mit den brisanten Informationen über die Kriege der USA im Irak und in Afghanistan beherrscht. Wikileaks war so prägend für die öffentliche Debatte, dass es das Wort auf der Liste zum «Wort des Jahres» der Gesellschaft für deutsche Sprache auf Platz fünf schaffte.
Wikileaks hat vielen deutlich gemacht, dass man sich eigentlich nie sicher sein kann, was mit dem, was digital abgespeichert wurde, noch alles passiert. Es zeigte sich, dass die Berichte der Diplomaten auch nicht sicherer sind als die Daten der Kunden bei der (Schweizer) Bank oder beim Online-Shop. Überall können sie, wenn jemand den Zugang und eine feste Absicht hat, missbraucht oder auch im Glauben, etwas Gutes zu tun, an andere weitergegeben werden.
Das führt zu einer grossen Unsicherheit, selbst wenn man die Veröffentlichung von Geheimdokumenten noch als Sieg für Meinungs- und Pressefreiheit feiern kann. In Deutschland waren in einer Umfrage des Magazins «Stern» 58 Prozent der Befragten mit der Veröffentlichung der vertraulichen Depeschen gar nicht einverstanden, nur rund ein Drittel (36 Prozent) begrüsste sie.
Weitergabe von Daten ist der Alltag
Dabei ist die Weitergabe von Daten in Zeiten des Internets längst Alltag. Wer nicht ausdrücklich dieser Praxis widerspricht, muss damit rechnen, dass seine Vorlieben und Neigungen schnell auch dort bekannt werden, wo er es gar nicht wollte. So lösten die Geschäftsbedingungen des Sozialen Netzwerks Facebook eine Debatte darüber aus, wie die Nutzer verhindern können, dass andere allzu ungehinderten Zugang zu ihren Daten bekommen, damit nicht jeder alles mitbekommt.
Facebook erklärte sich zu Beginn des Jahres erst nach massiver Kritik von Internet-Nutzern und Verbraucherschützern bereit, den Schutz der personenbezogenen Daten der weltweit inzwischen mehr als 500 Millionen Mitglieder zu erleichtern und zu verbessern. Kein Wunder, dass viele Menschen eine stärkere Regulierung von sozialen Netzwerken oder ein Verfallsdatum für private Daten im Internet fordern.
Die Fortschritte in dieser Hinsicht sind zwar zäh, aber Nutzer und Politiker melden sich endlich lautstark zu Wort und fordern Rechte ein. Das musste auch die Internet-Grossmacht Google mit ihrem Dienst Street View erfahren – der Dienst geriet auch in der Schweiz in die Kritik und rief den Datenschützer auf den Plan. Um Erlaubnis für diese Fotos hatte Google nicht gefragt, und wer nicht will, dass das Bild seines Hauses im Internet zu sehen ist, der muss dies extra beantragen. Der Streit um die Veröffentlichung der Bilder löste eine Debatte über das Recht an den eigenen Daten aus, wie es sie bislang nicht gab.
Auch die EU will Rechte der Verbraucher stärken
Das wurde in anderen Ländern eher verwundert zur Kenntnis genommen, aber auch im Ausland stiess bitter auf, dass die Google-Kamerawagen nicht nur Fotos gemacht hatten, sondern ganz nebenbei auch noch ganz andere Daten wie E-Mails aus WLAN-Netzen sammelten. Das rief dann überall auf der Welt die Datenschützer auf den Plan.
Einer Lex Google haben die Politiker widerstanden. Umso wichtiger wird aber nun eine umfassende Modernisierung des Datenschutzes. Um die Privatsphäre zu schützen und die Betroffenenrechte zu stärken, sollten Einwilligungs- und Widerspruchsrechte im Datenschutzrecht grundsätzlich verankert werden, mahnte beispielsweise in Deutschland Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an. Besonders schutzwürdige Daten wie Angaben zur religiösen Überzeugung oder über die Gesundheit sollten von vornherein nur auf der Basis einer Einwilligung der betroffenen Personen veröffentlicht werden dürfen.
EU will Rechte verbessern
Auch die EU geht daran, die Rechte der Konsumenten an ihren persönlichen Daten zu verbessern. Die Vorschläge sollen im kommenden Jahr zu einer vollständigen Überarbeitung der 15 Jahre alten Datenschutzgesetzgebung der EU führen. Diese Überarbeitung ist, wie man allein schon mit Blick auf diese Zeitspanne sagen kann, überfällig.
Bislang ist das Internet für viele Unternehmen so etwas wie ein Selbstbedienungsladen, wenn es um die Daten der Nutzer geht. Jede Eingabe, jedes Foto, jeder Text wird gespeichert und ausgewertet, um ein möglichst perfektes Bild des Nutzers zu erstellen, das man dann der werbenden Wirtschaft gegen gutes Geld verkaufen kann. Und was hat der Nutzer davon? Seine persönliche Startseite, wenns hoch kommt. Ein Recht, über die Verwendung der Daten selbst zu bestimmen, hat er scheinbar nicht.
Aber man sollte sich durch die Debatte über Street View nicht täuschen lassen. Google ist mit diesem Dienst im wahrsten Sinn des Wortes in den öffentlichen Raum gegangen. Und so fühlten sich auch viele Menschen betroffen, die vielleicht mit dem Internet nicht so viel zu tun haben und ihm eher skeptisch gegenüberstehen. Deshalb ist auch noch nicht sicher, wie die Debatte enden wird, ob ein besserer Datenschutz nicht einfach nur mehr Kontrolle und mehr Verbote bedeutet.
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