«Diese Suizide sind Folge einer unsinnigen Verteilung des Reichtums»
In Italien und Griechenland häufen sich die Selbstmorde aus wirtschaftlich motivierten Gründen. Der Basler Soziologe Ueli Mäder erklärt, welche gesellschaftlichen Umstände Menschen in den Selbstmord treiben.
In südeuropäischen Krisenländern hat die Zahl der Selbstmorde offensichtlich markant zugenommen. Welche Menschen respektive Bevölkerungsgruppen sind am stärksten selbstmordgefährdet?Ueli Mäder: Bei zwei Bevölkerungsgruppen ist die Enttäuschung besonders gross. Erstens bei Jugendlichen, die viel in ihre Ausbildung investieren und trotzdem nicht reüssieren. Und zweitens bei mittelständischen Fachkräften, die eine gute berufliche Ausbildung haben und plötzlich nicht mehr gefragt sind. Generell gilt aber: Je tiefer die Einkommen, desto grösser sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Das ist auch bei Depressionen so. Sie betreffen vor allem Arbeitslose. Hinzu kommen besonders Leistungstüchtige, die absteigen und einen Statusverlust erleiden. Junge und ältere Menschen neigen zudem eher dazu, Suizid zu begehen. Auch, weil sie weniger in gängige Strukturen integriert sind. Männer sind ebenfalls suizidgefährdeter. Bei Frauen kommen allerdings Suizidversuche häufiger vor als bei Männern.