«Diese Reform kommt nicht durch»
Nach der Parlamentswahl will Präsident Macron seine Arbeitsmarktreform sofort anpacken. Die Kraftprobe mit den Gewerkschaften ist programmiert: Der Chef der Force Ouvrière wirft Macron vor, das ganze Arbeitsrecht aushebeln zu wollen.

Von seinem Büro im fünften Stockwerk aus hat Jean-Claude Mailly einen weiten Blick über die Dächer von Paris – und über die politische Zukunft seines Landes. «Diese Arbeitsreform wird nicht durchkommen», prophezeit der Generalsekretär der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO), und auf Französisch klingt das «passe pas» fast so kategorisch wie der Republikanerslogan «no pasarán» im Spanischen Bürgerkrieg.
Nicht, dass Mailly aus Prinzip gegen jede Neuerung wäre: «Wir sind eine reformerische Gewerkschaft», betont der 64-jährige Nordfranzose, der seit 2004 an der FO-Spitze steht und einer der bekanntesten und beständigsten Gewerkschaftsvertreter seines Landes ist. Sogar über die «heissen» Punkte von Macrons Reform würde Mailly mit sich reden lassen.
«Das wäre inakzeptabel»
Das Problem für Mailly ist: «Macron attackiert die ganze Philosophie des Arbeitsrechts, das sich in erster Linie auf Branchenabkommen stützt», führt der in einem Jahr in Rente gehende FO-Sekretär aus. «Macron will aber die Verhandlung auf die Betriebsebene verlagern und dadurch das ganze Arbeitsrecht aushebeln.» Sogar bei den Löhnen, Überstunden und der Arbeitszeit sollen sich die Sozialpartner der einzelnen Unternehmen auf eigene Regeln einigen können.
Und wenn sich die Gewerkschaften querlegen, entscheiden firmeninterne Abstimmungen.» Für Mailly ist klar, dass die Arbeitsmarktreform auch auf eine Entmachtung der Gewerkschaften abzielt. «Das wäre inakzeptabel», sagt Mailly, und dieses Wort wiederholt er immer wieder. So namentlich in Bezug auf die Absicht, es den Firmen zu überlassen, die Entlassungsgründe festzuschreiben.
Macron will das Gesetz in den letzten Julitagen durch die Nationalversammlung peitschen. Wenn er morgen Sonntag wie erwartet eine Regierungsmehrheit erhalten sollte, wird er versuchen, sich im Parlament eine Blankovollmacht zur Beschlussfassung per Dekret zu holen. Erhält er sie im Juli von der Nationalversammlung, will er, wie er sagte, das neue Arbeitsrecht bis zum 21. September per Federstrich in Kraft setzen.
Beides zusammen geht nicht
In den letzten Tagen hat der Präsident sämtliche Sozialpartner einen um den anderen im Elysée-Palast empfangen. Mailly warnt die Regierung: «Wenn sie weiter inakzeptable Vorschläge macht, gehen die Verhandlungen schnell zu Ende.» Und seine Truppen auf die Barrikaden. Der FO-Boss räumt ein, dass nicht viel Zeit bleiben würde, wenn man den Ferienmonat August abrechnet. Aber er ist entschlossen, zu kämpfen.
Macron dürfe eines nicht vergessen, meint Mailly: «Der Volkszorn bleibt in Frankreich auch nach den Wahlen gross.» Macrons demokratische Legitimität sei schwach. Und in Frankreich steht dagegen stets die sozialpolitische Legitimität – die der Strasse.
Das Schicksal Frankreichs steht auf dem Spiel: Der Arbeitgeberverband Medef hält die Macron-Reform für unerlässlich, um die lahme Landeswirtschaft wieder auf Trab zu bringen und auf EU-Niveau heben. Mailly will hingegen das seit dem Krieg gewachsene Arbeitsrecht bewahren. Beides zusammen geht aber nicht.
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