«Die WM hat sicher etwas kaputt gemacht»
Offiziell ist Stephan Lichtsteiner Captain des Schweizer Nationalteams. Der 35-Jährige pfeift auf einen schönen Abschied – er will an die EM 2020.

Stephan Lichtsteiner kam am Donnerstag doch noch zu seinem Einsatz. Nur nicht vor grossem Publikum mit der Schweizer Nationalmannschaft, wo er Captain ist, weil nie etwas anderes kommuniziert wurde, sondern unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit Augsburg in einem Testspiel gegen den FC Schaffhausen. Nationaltrainer Vladimir Petkovic hat Lichtsteiner für die EM-Qualifikationsspiele gegen Irland und Gibraltar einmal mehr wieder nicht aufgeboten.
Seit der WM 2018 in Russland kam der 105-fache Nationalspieler bloss noch zweimal zum Einsatz: Am 11. September 2018 bei der 0:1-Niederlage im Testspiel in England und am 23. März beim 2:0-Sieg in der EM-Qualifikation in Georgien. Aber Lichtsteiner macht kein Geheimnis daraus, dass er nicht freiwillig zurücktreten wird und das Kapitel Nationalteam für ihn nicht beendet ist. Aber wie weiter, wenn es zur Patt-Situation zwischen Petkovic und Lichtsteiner kommt?
Stephan Lichtsteiner, es ist gerade Länderspielpause. Geniessen Sie einen freien Nachmittag?
Keinesfalls. Ich bin gerade auf dem Weg ins zweite Training. Freie Tage gibt es vielleicht am Wochenende ab Freitag.
Sie sollten als Schweizer Captain aber woanders sein. Wie verdauen Sie Ihre wiederholte Nicht-Nomination?
Enttäuschungen gehören zum Sport und natürlich war ich enttäuscht, als der Trainer mir mitgeteilt hat, dass ich nicht dabei bin. Wie gesagt, ich habe mir hohe Ziele gesetzt und eines davon ist die EM 2020. Darauf trainiere ich hin. Aber ich verliere keine Energie wegen Entscheidungen, die ich nicht beeinflussen kann. Als Fussballer in meinem Alter geniesst man es noch viel mehr, weil man weiss, dass das Karriereende näher kommt. Ich gebe weiterhin Gas und schaue, dass ich meine Leistung auf dem Platz bringe. Ich zeige dem Trainer, dass ich fit bin und auf höchstem Level spielen kann.
Sie wollen dem Trainer zeigen, dass Sie fit sind, ein Rücktritt kommt für Sie nicht in Frage. Vladimir Petkovic wiederum sagt, ein Nationaltrainer könne keinen Nationalspieler in Pension schicken, bot Sie aber zuletzt nicht mehr auf. Die Situation könnte Sie um einen schönen Abschied bringen. Gibt es keine Lösung?
Ich meine, das mit dem schönen Abschied ist ziemlich kitschig. Und Fussball ist keine kitschige Sache. Nationalmannschaft und Fussball ist gleich Leistung, nach Leistung soll auch gemessen werden. Ob nun schöner, schlechter oder unwürdiger Abschied – die Besten sollen dabei sein, und die Entscheidung fällt letztlich der Trainer. Ich stehe nach wie vor zu Verfügung. Die EM ist mein grosser Traum, dafür arbeite ich täglich. Im Sommer 2020 werden wir sehen, ob ich es schaffe oder nicht.
Wie beurteilen Sie die Kommunikation mit dem Nationaltrainer?
Die Kommunikation mit dem Trainer ist immer gut gewesen. Er hat mich über seinen Entscheid informiert, das gilt es zu akzeptieren. Ich habe kein Problem damit.
Wie häufig sprechen Sie miteinander und wie laufen die Gespräche ab? Tauscht man sich aus oder stellt Sie Vladimir Petkovic vor Tatsachen?
Ich weiss, das ist im Moment ein Riesenthema für die Medien, aber das sind private Dinge, die sollten auch unter mir und dem Coach bleiben.
Aber dass das Image der Nationalmannschaft gelitten hat, sehen auch Sie, oder?
Man muss differenzieren. Die WM hat sicher etwas kaputt gemacht und im Moment ist wieder extrem viel Unruhe in die Gruppe gebracht worden. Auch in dieser Woche, und ich glaube, dass dies unnötig ist. Wenn man das objektiv und fair betrachtet, ist das sicher auch die Schuld unserer Mannschaft, aber dennoch muss man die Kirche im Dorf lassen und zugeben: Diese Mannschaft feierte in den letzten Jahren grossartige Erfolge, auch wenn das letzte Jahr resultatmässig eines der schlechteren der letzten acht Jahre war. Doch es ist ein Umbruch im Gang, und dieser Umbruch braucht Zeit. Es sind Fehler passiert und es werden weiter Fehler passieren. Aber deshalb muss man nicht jeden Stein umdrehen, denn letztlich zählen die Resultate und die waren in den letzten Jahren wirklich schon sehr, sehr gut für ein Land wie die Schweiz. Das muss man auch ehrlich sagen und darauf aufbauen.
Haben Sie Kontakt in die Nationalmannschaft, auch wenn Sie nicht dabei sind?
Natürlich. Ich schreibe mit dem einen oder anderen. Ich bin auch der Typ, der sich freut, wenn er den einen oder anderen sieht oder auch privat trifft. Ich hoffe, dass die Nationalmannschaft mit einem guten Spiel mehr Ruhe reinbringt als noch zu Beginn der Woche. Das wäre positiv für das Team und das hätte es auch verdient.
Wir sprechen die längste Zeit über Unruhe in der Nati. Auslöser ist die Auszeit von Xherdan Shaqiri. Was sagen Sie dazu?
Schlussendlich ist es Xherdans Entscheid. «Shaq» hat sehr viel für das Land gemacht und hat jetzt seine eigenen Dinge, die er regeln muss. Das gilt es zu respektieren. Danach wird er wieder wie gewohnt Topleistungen für die Nationalmannschaft leisten.
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