Die Vision, die für einige keine ist
Die Ergebnisse der Testplanung beschäftigen die Anwohner und Mieter des Porziareals in Langenthal. Nun haben sie erstmals Antworten erhalten. Diese befriedigen sie nicht.

Die Anspannung hängt wie eine schwere Gewitterwolke tief über dem «Spanier», dem Centro Español. Sie wird sich im Verlauf des Abends entladen, teils während der Fragerunde im Anschluss an die Präsentation. Vor Beginn des Anlasses wird die Belastung deutlich angesichts eines Stadtpräsidenten, der seine Hände knetet und sich dezent im Hintergrund hält. Zwischen «Hammer und Amboss» bewege er sich, wird Reto Müller (SP) später sagen, zwischen den öffentlichen Interessen und denjenigen der Investoren.
Anwohnerinnen und Anstösser, Mieter ebenso wie Mitglieder des Vereins Porziareal, Architekten, Politiker und andere Interessierte sind gekommen, um zu hören, was die Testplanung auf dem Areal der Porzellanfabrik hervorgebracht hat. «Ein Visionsbild», erklärt ihnen der Zürcher Architekt und Co-Leiter der Planung, Daniel Kündig, «das die maximale Entwicklung zeigt, also das, was möglich wäre.» Erarbeitet worden seien nur die Grundregeln, das Bild. Um das zu unterstreichen, zeigt er Folien, wie die Entwicklung in Etappen in den nächsten gut 35 Jahren aussehen könnte.
Fiktion für den einen ...
Aus der Sicht von Grundeigentümer Klaus Stauffer handle es sich nicht um eine Vision, sondern um eine Fiktion: Das stellt Roland Isenschmid, Mitglieddes Porzi-Vereins, im Namen des an diesem Abend Verhinderten fest. Dass Stauffers Grundstück in die Planung ohne seine Billigung miteinbezogen werde, sei unerhört (wir berichteten). Die Stadtbehörde könne grundsätzlich jedes Quartier beplanen, hält Müller fest. Die Planung gutzuheissen, obliege dann dem Volk. «Es gibt kein Prinzip, das den Grundeigentümer zwingt, etwas zu tun», doppelt Kündig nach.
Fragen stellen sich den Anwesenden einige. Brauche es ein Subzentrum mit drei Tiefgaragen, will etwa Anna Boss wissen. «Wenn ich durchs Zentrum gehe, sehe ich viele leere Lokale.» Müllers gegensätzliche Überzeugung, dass da nicht viel Leerstand im Zentrum sei, löst im Publikum hörbaren Protest aus. Er wisse nicht, was in 40 Jahren sei, sagt Investor Stephan Anliker, der als Vertreter der aktiven Grundeigentümer vorgestellt wird. «Wenn dann viel Leerstand ist, baut man wahrscheinlich nicht mehr.»
... Info für die anderen
In der Alte Mühlen verfolgen jene gut 60 Personen, die im «Spanier» schon 20 Minuten vor Beginn keinen Platz mehr fanden, die Diskussion auf Grossleinwand. Fragen, per SMS übermittelt, stellen auch sie.Waren alle Teilnehmer des Workshops gleichberechtigt? Will Anliker als Besitzer des grössten Teils des Areals die Mieter einbeziehen oder sie wegkünden? Er wolle ein Verfahren, das vorwärtsgehe, sagt dieser. «Alle konnten mitreden und mitgestalten.» Als «Team» wolle man aus dem Porziareal etwas machen. «Ich hoffe, man begreift das.»
Es habe aber doch einen Unterschied gegeben zwischen den verschiedenen Beteiligten, stellt Müller fest: stimmberechtigt waren nur die Fach- und Sachexperten.
«Der innere Sinn, der kommt nicht aus Planungsbüros aus Zürich.»
«Wir wollen doch nicht gegeneinander arbeiten», betont Anliker wiederholt. In der Alten Mühle werden vereinzelte Lacher laut. Im «Spanier» stehen mehrfach Leute auf und gehen. Die viel zitierte Seele des Porziareals, befindet Mieter Simon Spotti, sei auf die Menschen in den alten Bauten zurückzuführen und nicht auf die «schönen Bögen». «Der innere Sinn, der kommt nicht aus Planungsbüros aus Zürich», sagt er, und erntet dafür Applaus.

Der Kern des Widerstands richtet sich gegen die Dimension des Projekts und insbesondere die 30 beziehungsweise maximal 45 Meter hoch skizzierten Hochhäuser. Ob es denn denkbar sei, dass diese Bauten woanders zu stehen kommen, fragt Ueli Senn; ennet der Bahnlinie?Das sei so im Hochhauskonzept der Stadt nicht vorgesehen, sagt Müller.
Auf dasselbe Hochhauskonzept bezieht sich Adrian Berchtold, der Vizepräsident des Vereins Porziareal. Demnach seienBauten zwischen 30 und 45 Metern Höhe nicht rentabel. Dennoch wolle man die bestehenden Bauten mit Hochhäusern finanzieren. «Das geht nicht auf», so Berchtold. «Wenn sie nicht rentieren, bauen wir sie wahrscheinlich nicht», antwortet Anliker.
Kritik auch an die Stadt
Die Liste der Fragen ist lang. Wo soll der Verkehr hin, den das neue Quartier verursacht? Welches der drei Planungsinstrumente, die der Gemeinderat nun prüfen lassen will für eine grundeigentümerverbindliche Umsetzung, lässt am meisten Möglichkeiten offen? Werden die Emissionen der nahen Kadi das vergrösserte Quartier denn nicht mehr belasten?
Auch die Frage nach der Einladung taucht noch einmal auf. Sie hatte im Vorfeld in den sozialen Medien die Wogen hochgehen lassen. Nicht nur war kritisiert worden, dass der Anlass vom Porziareal an den Wuhrplatz hin verlegt, sondern auch, dass mit dem «Spanier» ein offensichtlich zu kleines Lokal dafür ausgesucht worden war. Die Kritik richtet sich auch an die Adresse der Stadt.
«In diesem Porzi-Verein sind alle meine Freunde. So bin ich tangiert.»
Diese habe die Testplanung zwar verlangt, betont Müller, die Leitung aber liege bei der Planergemeinschaft. Und ja: Er sei tangiert, kontert er auf die Frage, ob er selber auch Grundeigentümer sei. Nicht dass er Boden besitzen würde im Porziareal. Und auch nicht aufgrund irgendwelcher Geschäftsbeziehungen.«Im Porzi-Verein sind alle meine Freunde», zeigt sich jetzt auch Müller emotional. Als Stadtpräsident vertrete er aber die Haltung der Stadt und des Gemeinderats.
So ganz entladen kann sich die Anspannung bis zum Schluss nicht. Dass Vereinsvertreter eine ihnen bereits angemeldete Kündigung ins Spiel bringen, trägt ebenfalls nicht zur Beruhigung bei. Während die einen zufrieden sind mit dem Gehörten, entlädt sich die Anspannung bei den anderen erst in Form von Frust auf dem Wuhrplatz, oder aber sie wird in einigen Bieren ertränkt.
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