Die Tunnelgebühr fällt durch
Die zweite Gotthardröhre kommt so gut wie sicher zur Abstimmung. Ähnlich umstritten wie die Röhre ist aber auch die Finanzierung. Kantone und Bürgerliche sperren sich gegen eine direkte Belastung der Nutzer.
Der Sanierungsbedarf des im Jahr 1980 eröffneten Gotthard-Strassentunnels in den nächsten rund zehn Jahren ist ausgewiesen. Wie die Sanierung ablaufen soll, bleibt jedoch höchst umstritten. Zur Wahl steht der Bau einer zweiten Röhre – oder drei Varianten für eine Sanierung ohne zweite Röhre.
Bis am Sonntag noch können sich die politischen Parteien und Verbände zum Bau einer zweiten Gotthard-Röhre äussern. Nun zeichnet sich ab, dass der Bundesrat mit seinem Vorschlag im Parlament durchkommen wird. Das Referendum dagegen scheint sicher.
Grüne: Tunnel um Milliarden teurer
Die Fronten sind klar: Linke Parteien und Verbände sind gegen eine zweite Röhre, rechte Parteien und Verbände dafür. Der Ausgang einer allfälligen Volksabstimmung ist aber vollkommen offen. Dass es zu einer solchen kommt, ist aber sehr wahrscheinlich: Eine breit abgestützte Allianz – darunter die SP, die Grünen und die Alpeninitiative – hat bereits das Referendum angekündigt. Die Alpeninitiative reichte gewissermassen als Testlauf eine Petition mit 68'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Für ein Referendum wären 50'000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen nötig.
Besonders deutlich äussern sich in ihrer Vernehmlassungsantwort die Grünen: «Die Vorlage ist verfassungswidrig, unnötig und untergräbt die Verlagerungspolitik», schreiben sie. Ein zweiter Tunnel stelle faktisch einen Kapazitätsausbau dar, was im Widerspruch zum jetzigen Alpenschutzartikel (Artikel 84 in der Bundesverfassung) stehe.
Zudem sei der bundesrätliche Vorschlag um Milliarden teurer als die Sanierung ohne zweiten Tunnel. Deshalb fordern die Grünen eine Sanierung mit Bahnverlad für Autos und Lastwagen. «Die Schienenkapazitäten dazu werden mit der Eröffnung des Neat-Basistunnels am Gotthard vorhanden sein.»
Rentabilität der Neat gefährdet
Die SP ist ähnlicher Ansicht. Eine zweite Röhre sei nicht nur ökologisch und ökonomisch gesehen eine Fehlinvestition, sondern stelle vor allem auch die Rentabilität der Neat infrage.
Zudem werde das in der Verfassung festgeschriebene Verbot der Kapazitätserweiterung mit dem revidierten Gesetz löchrig. «Die SP ist der festen Überzeugung, dass diese ‹Garantie› nicht mehr als ein politisches Statement sein wird, das über kurz oder lang hinfällig wird», schreibt die Partei in ihrem Entwurf der Vernehmlassungsantwort.
Die Grünliberalen und die EVP lehnen die zweite Röhre aus ähnlichen Gründen ab.
Bürgerliche unterstützen Bundesrat
Im bürgerlichen Lager ist die bundesrätliche Vorlage erwartungsgemäss wenig umstritten. Für die SVP ist der Neubau einer zweiten Tunnelröhre «die mit Abstand sinnvollste Lösung». Sie erhöhe die Sicherheit, stelle die Nord-Süd-Verbindung sicher und sei auch mit Blick auf weitere Sanierungen «ein echter Mehrwert».
Mit der gesetzlichen Begrenzung auf eine Fahrspur pro Röhre bleibe auch die Verfassungsmässigkeit gewahrt. «Einer möglichen Kapazitätserweiterung wird damit wirksam ein Riegel geschoben.»
Die FDP und die BDP teilen die Argumente des Bundesrats vollumfänglich. Die Alternativen einer zweiten Röhre seien nicht zielführend. Die Vorlage stelle zudem sicher, dass für den internationalen Transitverkehr die Gotthard-Route nicht attraktiver werde, hielten die Parteien in ihrer Antwort fest.
Die CVP stimmt gemäss eigenen Angaben der zweiten Röhre ebenfalls zu, wenn die Kapazitätsbeschränkung gesetzlich verankert und der Alpenschutzartikel nicht geändert werde. Demgegenüber hätte eine Vollsperrung des Tunnels inakzeptable Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Kantone stellen Bedingungen
Auch die Kantone stimmen einer zweiten Röhre unter Bedingungen zu. So soll die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels nicht zulasten anderer Verkehrsprojekte gehen. Auch müssten die Beschränkung auf eine Fahrspur pro Richtung gesetzlich abgesichert und flankierende Massnahmen ergriffen werden.
Falls diese Punkte nicht sichergestellt würden, sei eine Vollsperrung mit kurzer Sommeröffnung zu bevorzugen, schreibt die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK) in ihrer Stellungnahme. Ansonsten hätte der Bau einer zweiten Gotthard-Röhre vor allem aus Sicherheitsgründen aber mehr Vorteile.
Die beiden direkt betroffenen Kantone Uri und Tessin sehen die Sache unterschiedlich. Während sich die Urner Regierung zum wiederholten Mal gegen eine zweite Röhre am Gotthard ausspricht, bittet der Kanton Tessin um politische Unterstützung für ebendiese.
Zustimmung hier, Skepsis dort
Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag, Strasseschweiz (Verband des Strassenverkehrs FRS), der Touring Club Schweiz (TCS) und der Automobil Club der Schweiz unterstützen die Vorschläge der Landesregierung vollumfänglich, vor allem aus Gründen der Verkehrssicherheit.
Anderer Meinung sind der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) und der Verband öffentlicher Verkehr (VöV). Sie lehnen den Bau einer zweiten Strassentunnelröhre ab.
Finanzierung des Tunnelumbaus sorgt für Diskussionen
Im Rahmen der Vernehmlassung ist auch die Finanzierung des Tunnelumbaus am Gotthard zur Sprache gekommen. Auch in dieser Frage gibt es grosse Differenzen. Eine Mehrheit will nichts von einer Tunnelgebühr wissen.
Die finanziellen Mittel für Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Nationalstrassennetzes stammen heute aus der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV). Gespiesen wird diese aus der Hälfte der Mineralölsteuer, dem Mineralölsteuerzuschlag und der Autobahnvignette.
Den Einnahmen von 3,8 Milliarden Franken standen 2011 Ausgaben von über 4,5 Milliarden Franken gegenüber. Auf der einen Seite sinken die Einnahmen infolge tieferen Treibstoffverbrauchs. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben infolge immer höherer Unterhaltskosten und dringenden Ausbauvorhaben.
Fonds für die Strasse
Die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK) forderte deshalb in ihrer Vernehmlassungsantwort einen Fonds für Nationalstrassen, so wie es auch für die Bahninfrastruktur vorgesehen ist. Der Bundesrat eröffnet dazu bald die Vernehmlassung.
Auch die FDP würde einen solchen Fonds begrüssen. Dieser solle durch Anteile von der Schwerverkehrsabgabe (LSVA), Mineralöl- und Mehrwertsteuer finanziert werden. «Von diesen Mitteln soll mindestens die Hälfte der Strasse zugutekommen», verlangt die FDP. Auf lange Sicht sei dieser Anteil noch zu steigern.
Langfristig befürwortet die FDP auch die Prüfung einer Einführung eines Mobility Pricing oder eines Public Private Partnership (PPP). Für den Gotthard sei eine solche Finanzierung jedoch nicht sinnvoll. Diese Meinung teilt auch die SVP.
Die BPUK hält grundsätzlich nichts von einer PPP-Finanzierung von Verkehrsprojekten. Der öffentliche Haushalt könne sich in der Schweiz verglichen mit privaten Geldgebern günstiger finanzieren. Zudem schränke PPP die staatliche Handlungsfähigkeit ein.
Die Grünliberalen sind mit den heutigen Finanzierungsinstrumenten der Verkehrsinfrastrukturen im Grundsatz nicht einverstanden und verlangen in Zukunft ein Mobility Pricing für alle Verkehrsträger. Mit diesem System könnten die Kosten der Mobilität einschliesslich der externen Kosten verursachergerecht erhoben werden.
Nein zur Tunnelgebühr
Nach Ansicht der SVP ist der Bau einer zweiten Röhre ohne Durchfahrtsgebühr zu finanzieren. Auch die FDP lehnt die Tunnelgebühr am Gotthard ab.
Die Kantone halten ebenfalls nichts von einer Finanzierung über Tunnelgebühren. «Ein wesentlicher zusätzlicher Impuls zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist mit einer Tunnelgebühr auch nicht erreichbar», schreibt die BPUK in ihrer Vernehmlassungsantwort.
Positiv äusserte sich die GLP. Sie sei grundsätzlich für Mobility Pricing, also auch für eine Tunnelgebühr.
Obwohl der Bundesrat im Vorschlag des revidierten Bundesgesetz über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet die Tunnelgebühren ausklammerte, bat er die Vernehmlassungsteilnehmer um eine Stellungnahme.
SDA/mw
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