Die Tücken im Handel mit China
Freihandel mit dem Reich der Mitte ist auch im fünften Jahr kein Selbstläufer. Die Schweiz als Juniorpartnerin muss sich arrangieren. Insgesamt fährt sie aber besser als ohne Abkommen.

Tiefere Hürden und Zölle sind gemeinhin Ziel von Freihandelsabkommen, auch bei jenem der Schweiz mit China. Die Berner Medizinaltechnikfirma Schaerer Medical merkt wenig davon. Als vor fünf Jahren Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann nach Peking reiste, um nach Island als zweites europäisches Land den Freihandel mit China zu besiegeln, verschlechterte sich die Situation zuerst einmal: Die Firma aus Münsingen mit ihren 50 Mitarbeitern konnte ihre Operationstische nicht mehr exportieren. Mittlerweile ist das Produkt zwar wieder zugelassen und die Geschäfte haben sich erholt, wie Geschäftsführer Hans Rudolf Sägesser sagt, aber: «Die Zölle sanken nur marginal, und die Zulassungshürden sind weiterhin hoch.»
Das ist Wasser auf die Mühlen der Bauern. Sie wehren sich dagegen, dass sie den Preis bezahlen sollen bei laufenden Verhandlungen für neue Freihandelsabkommen. Sie hegen Zweifel am Wert der damals hochgelobten Übereinkunft mit China. Gemäss einer eigenen Analyse hat vor allem die Pharma wirklich profitiert. Beim Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse (2017 knapp 176 Millionen Franken) habe sich das seit dem 1. Juli 2014 geltende Abkommen nicht ausgewirkt. Die wachsenden Exporte erklären sich die Bauern anders: Auffällig sei zum Beispiel die boomende Nachfrage nach Babynahrung. Diese führt der Verband auf den Lebensmittelskandal zurück, der 2008 das Land der Mitte erschütterte. Mit Melamin verseuchte Milch gelangte in Kleinkindernahrung. Die Chinesen trauen laut Bauern ihrer eigenen Lebensmittelindustrie nicht mehr und setzen auf Schweizer Qualität.
Verbesserter Schutz
Ein anderes Bild zeichnen jene drei Branchen, die zusammen fast 90 Prozent der Exporte nach China bestreiten (10,2 Milliarden von 11,4 Milliarden Franken). Für die Maschinenindustrie ist das Abkommen trotz durchzogener Entwicklung wichtig – insbesondere als Konkurrenzvorteil gegenüber Mitbewerbern aus anderen Ländern. Lukrativ ist China insbesondere für Uhren. Nach einem Dämpfer wächst der Umsatz seit Mitte 2017 wieder.

Am wertvollsten ist für Maurice Altermatt vom Verband der schweizerischen Uhrenindustrie der dank dem Abkommen verbesserte Schutz von Marken und Herkunft. Ähnlich bewertet Scienceindustries, der Wirtschaftsverband Chemie, Pharma, Biotech, das Abkommen: «Für unsere Industrie ist ein starker Schutz des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung», sagt Marcel Sennhauser. Dies habe etwa bei biotechnologischen Produkten konkrete Verbesserungen gebracht. Alle drei Branchen ziehen darum eine positive Zwischenbilanz, auch wenn es bisweilen Umsetzungsprobleme gebe.
China spielt Macht aus
Für den Ökonomen Joseph Francois, Direktor des World Trade Institute an der Universität Bern, widersprechen sich diese unterschiedlichen Rückmeldungen nicht. Noch würden Übergangsfristen laufen, sagt er. In vielen Bereichen betrügen sie zehn Jahre. Die grössten Verbesserungen gewähre China erst kurz vor deren Ablauf. Darum seien die Effekte bisher eher bescheiden. «Je nachdem, wie heikel Zugeständnisse für China selber sind, zögert sie das Land möglichst lange hinaus», sagt Joseph Francois. Das könne sich China als zweitwichtigste Volkswirtschaft der Welt gegenüber der kleinen Schweiz erlauben. Nicht aber die Schweiz gegenüber China. Sie habe die meisten Einfuhrverbesserungen von Beginn weg zugestehen müssen.
Francois, der früher für die WTO und die internationale Handelskommission der USA gearbeitet hat, pflegt einen pragmatischen Blick auf den Freihandel. Für die Schweiz seien Abkommen mit den grössten Märkten wichtig. Von überragender Bedeutung sei ohne Zweifel der barrierefreie Handel mit der EU, dann sind oder wären Abkommen nebst China mit den USA, Japan, Südkorea und Kanada nützlich. Abkommen mit kleineren Volkswirtschaften hingegen zählt Francois zur Kategorie «nice to have». Sie böten in bestimmten Sektoren zwar ebenfalls wirtschaftliche Vorteile, seien für die Schweiz aber eher von politischem Wert. Der Kleinstaat könne so seine Position für internationale Allianzen verbessern.
Die Bestrebungen Johann Schneider-Ammanns für ein Abkommen mit den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten ordnet der Amerikaner dieser Kategorie zu. Das dürfte der Wirtschaftsminister, der Ende Woche zu einer achttägigen Reise nach Südamerika aufbricht, anders sehen.
Unzufriedene Firmen
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das auch für diese Verhandlungen zuständig ist, zeichnet auf Anfrage ein durch und durch positives Bild vom Freihandel mit China: Seit dem Inkrafttreten seien die Exporte um 29,4 Prozent von 8,8 Milliarden auf 11,4 Milliarden Franken angestiegen. China ist damit der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz.
Die Schweizerische Handelskammer in China zieht dagegen in ihrem zweiten Evaluationsbericht ein differenzierteres Fazit. Obwohl sich die Konjunktur in China abgeschwächt habe, wachse das Handelsvolumen mit China. Dies, während gleichzeitig dessen wichtigste Partner rückläufige Entwicklungen hinnehmen müssten (2016). So weit die gute Nachricht. Doch seien immer noch mehr als die Hälfte von 90 befragten Schweizer Firmen unzufrieden mit der aktuellen Situation. Sie seien nach wie vor der Meinung, das Abkommen biete wenig Mehrwert.
Das trifft auch auf das Medizinaltechnikunternehmen Schaerer Medical zu: Solange China hiesige Zulassungsverfahren nicht akzeptiere, bringe dieses Abkommen der Firma nichts, stellt Sägesser fest. «Nicht nachvollziehbar» ist für ihn insbesondere, dass in der Schweiz umgekehrt in China nach anerkannten Methoden zertifizierte Produkte (CE-Norm) keine erneute Prüfung mehr benötigten. Das Seco schreibt dazu, dass derzeit eine beiderseitige Überprüfung des Abkommens laufe. Man wolle dabei «potenzielle Vertiefungsmöglichkeiten» identifizieren.
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