«Die Swiss-Life-Tochter hat sich von Maschmeyer emanzipiert»
Die Swiss Life schafft die Marke ihrer deutschen Tochtergesellschaft AWD ab. Damit löst sich der Schweizer Lebensversicherer auch definitiv vom schillernden AWD-Gründer Carsten Maschmeyer los.

Der Lebensversicherer Swiss Life schafft bei seiner Finanzvertriebstocher den bisherigen Namen AWD ab. Die Marke heisst ab 2013 «Swiss Life Select». Zudem kündigt der Konzern einen Gewinneinbruch und einen neuerlichen Stellenabbau an.
«Der AWD hat sich von der Vaterfigur Maschmeyer emanzipiert», sagte Swiss-Life-Chef Bruno Pfister heute vor den Medien in Zürich. Maschmeyer hatte die Firma 2007 rund zwanzig Jahre nach der Gründung für 1,9 Milliarden Franken der Swiss Life verkauft. Dadurch wurde er Grossaktionär und später Verwaltungsrat des Lebensversicherungskonzerns.
Maschmeyer mit aggressivem Verkaufsstil
Maschmeyer steht vor allem in Deutschland wegen des als aggressive wahrgenommenen Verkaufsstils der AWD-Berater in der Kritik. Kunden, die mit AWD-Empfehlungen Geld verloren hatten, haben eine Prozessflut ausgelöst. Maschmeyer musste vor Gericht aussagen.
Vor einem Jahr zog sich Maschmeyer, eine schillernde Figur der deutschen Unternehmerlandschaft, aus dem Aufsichtsgremium der Swiss Life zurück. Er reduzierte dabei auch seinen Aktienanteil bei Swiss Life.
Rückzug aus Ungarn und Slowakei
Die immateriellen Vermögenswerte von AWD senkt die Swiss Life in ihren Büchern auf einen Schlag von 1,34 Milliarden auf 765 Millionen Franken, wie bekannt gegeben wurde. Damit anerkennt die Swiss Life, dass sie beispielsweise die Geschäftsaussichten des Finanzprodukteverkäufers bei der Kaufentscheidung 2007 überschätzt hatte.
Vor allem in Österreich und in Osteuropa, wo Swiss Life AWD die Rolle eines Türöffners in die Märkte zudachte, erfüllt das Geschäft die einst beträchtlichen Erwartungen nicht. Aus Ungarn und der Slowakei zieht sich AWD nun ganz zurück.
Veränderte Realität
2007 sei die Zukunft von AWD vielversprechend gewesen, sagte Swiss-Life-Chef Bruno Pfister im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Das wirtschaftliche Umfeld habe sich aber geändert.
Der vom schillernden deutschen Geschäftsmann Carsten Maschmeyer gegründete AWD hat im Zuge der Finanzkrise über längere Zeit gar Verluste geschrieben. Zudem haben Klagen von AWD-Kunden, die sich fehlberaten fühlen, aus früheren Jahren den Ruf des Unternehmens angekratzt.
Der hohe Abschreiber in der Bilanz, der von Analysten seit geraumer Zeit erwartet worden war, wird den Gewinn der Gruppe deutlich schmälern. 2012 sei nur ein Resultat in zweistelliger Höhe möglich, hiess es. 2011 hatte der Konzern 606 Millionen Franken verdient. Operativ dürfte die Swiss Life im laufenden Jahr aber gut abschneiden. Die Dividende von 4,50 Franken pro Aktie bleibt unverändert.
Neues Sparziel
Pfister gab zudem bekannt, dass er bis 2015 in der Swiss-Life-Gruppe 130 bis 160 Millionen Franken einsparen will. AWD soll organisatorisch mit den Swiss-Life-Versicherungsgesellschaften verschmolzen werden. Dabei fallen bis 2015 möglicherweise bis zu 400 Stellen weg, 90 davon in der Schweiz.
Betroffen sind Verwaltungs- und Stabsstellen. Durch den Abbau werden in den kommenden vier Jahren Restrukturierungskosten von 80 bis 100 Millionen Franken fällig. Der heute rund 7500 Stellen zählende Konzern hatte schon 2009 eine Schlankheitskur durchgemacht und mehrere hundert Stellen abgebaut.
Hochfliegende Pläne
Mit AWD hatte sich Swiss Life eine schillernde Firma an Bord geholt. Am Anfang standen grosse Hoffnungen und hochfliegende Pläne. Mit dem Kauf des AWD vor über vier Jahren wollte der Lebensversicherer Swiss Life in den Rängen der europäischen Versicherer aufsteigen. Ob sich der hohe Übernahmepreis gelohnt hat, ist immer noch umstritten.
Die Chronologie des AWD-Kaufs:
- 3. Dezember 2007: Die Swiss Life erklärt sich bereit, für den Hannoveraner Finanzprodukteverkäufer, der knapp 20 Jahre davor vom schillernden Geschäftsmann Carsten Maschmeyer gegründet worden war, 1,9 Milliarden Franken zu bezahlen. Der AWD soll Swiss Life helfen, namentlich in mittel- und osteuropäischen Wachstumsmärkten besser Fuss zu fassen. Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig rühmt sich, mit dem Erwerb des 1,9 Millionen Kunden zählenden, 728 Millionen Euro Umsatz erzielenden AWD einen Coup gelandet zu haben. Analysten monieren aber, dass AWD mit seinem aggressiven Verkaufsstil nicht zur traditionsreichen Swiss Life, einem der bedeutendsten Konzerne der Schweiz, passe.
- 28. Februar 2008:Swiss Life gibt bekannt, dass sie drei Viertel von AWD besitze. AWD-Chef Maschmeyer und seine Familie verkaufen für 233 Millionen Euro Anteile, behalten aber 10,5 Prozent. Später verkauft die Familie alle Anteile. Maschmeyer kauft hingegen Aktien der Swiss Life. Er bleibt vorerst AWD-Chef.
- 1. September 2008: Die Swiss Life stellt Maschmeyer Manfred Behrens als Co-Unternehmenschef zur Seite. Behrens hatte davor Swiss Life Deutschland geleitet. Swiss Life führt bei AWD Restrukturierungen durch, die auch Arbeitsplätze kosten.
- Herbst 2008: Die Swiss Life und der AWD geraten in den Strudel der Finanzkrise. Als Folge davon schreibt der AWD mehrere Quartale lang rote Zahlen. Der Konzern schreibt weiter schwarz, das Management unter Bruno Pfister unterzieht die Swiss Life aber einer tiefgreifenden Restrukturierung.
- 20. Februar 2009: Maschmeyer hält nun 7 Prozent an der Swiss Life und wird für den Verwaltungsrat des Versicherungskonzerns vorgeschlagen. Gleichzeitig zieht er sich aus der AWD- Geschäftsleitung zurück. Schnell ist von Spannungen zwischen Maschmeyer und dem Swiss-Life-Mangement die Rede.
- 2. Juli 2009: Das Landgericht Hannover verbietet dem AWD nach einer Klage von Konkurrent DVAG, sich als «unabhängigen» Finanzvertrieb zu bezeichnen. Der AWD gebe seinen Vertretern eine Software mit Vorgaben an die Hand.
- 11. November 2009: Der AWD erzielt im dritten Quartal 2009 einen Betriebsgewinn von 6,2 Millionen Euro und ist operativ wieder profitabel. Das Image des AWD leidet schon seit längerem unter Berichten von Kunden vor allem aus Deutschland und Österreich, die sich fehlberaten fühlen und angeben, dadurch hohe Beträge verloren zu haben. Im August lässt ein österreichisches Gericht eine Sammelklage zu, die 2500 Betroffene umfasst, die Ende der 1990er Jahre mit AWD-Empfehlungen Geld verloren hatten. Maschmeyer kommt auch in die Schlagzeilen, nachdem er die Schauspielerin Veronica Ferres als seine neue Lebensgefährtin vorgestellt hatte.
- 12. Januar 2011: Der deutsche Fernsehsender ARD sendet die Reportage «Der Drückerkönig und die Politik» über Maschmeyer und den AWD, welche ein sehr schlechtes Licht auf die Firma und ihren Gründer wirft. Der Vorwurf lautet auf undurchsichtige Verstrickungen mit der Politik und Fehlberatung von Kunden.
- 7. Dezember 2011: Maschmeyer tritt überraschend aus dem Verwaltungsrat der Swiss Life zurück. «Ich möchte mit diesem Entschluss den unberechtigten Angriffen auf meine Person und auf AWD den Boden entziehen», sagte er. Maschmeyer reduziert seinen Swiss- Life-Aktienanteil auf unter 3 Prozent.
- 10. Juli 2012: Gegen den AWD läuft inzwischen eine Prozessflut. Am Oberlandesgericht Köln sagt Maschmeyer zum ersten Mal persönlich aus.
- 8. Mai 2012:Der Umsatz des AWD schrumpft im ersten Quartal 2012 um 18 Prozent auf 111,1 Millionen Euro. Dies löst neue Spekulationen aus, ob Swiss Life die rund 1,1 Milliarden Franken immateriellen Firmenwert der Tochter (Goodwill) in den Büchern nach unten korrigieren muss. Auch die Kritik, AWD sei 2008 zu teuer gekauft worden, flammt erneut auf.
- 28. November 2012:Swiss Life gibt den Namen AWD auf und nennt die Tochter ab 2013 Swiss Life Select. Der immaterielle Vermögenswert wird um 576 Millionen Franken nach unten korrigiert, Swiss Life kündigt einen Gewinneinbruch an. Die Zusammenführung der Organisationsstrukturen von Swiss Life und AWD soll bis 2014 rund 400 Stellen kosten.
SDA/mw/mrs
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