Die Spitalfusion sorgt für Turbulenzen
Bei der Insel-Gruppe gibt es derzeit so viele Baustellen wie noch nie. Für Berner Gesundheitspolitiker ist klar: Der Grund dafür liegt in der Fusion mit der ehemaligen Spital Netz Bern AG.
Seit dem 1. Januar 2016 ist die Insel-Gruppe das grösste Spital der Schweiz. Verwaltungsratspräsident Joseph Rohrer sagte damals nach dem Zusammenschluss von Inselspital und Spital Netz Bern AG (SNB), dass die Arbeit jetzt erst richtig beginne und man sich an der Startlinie befinde. Wie recht er damit hatte, zeigt sich heute. Es scheint, als habe es noch nie derart viele Baustellen bei der Spitalgruppe gegeben wie momentan.
Weil etwa die bisherige Geschäftsleitung überlastet war, wird das Unternehmen eineinhalb Jahr nach der Fusion bereits restrukturiert. Dagegen aber wehrt sich das Pflegepersonal und sammelt derzeit Unterschriften. Denn dieses wird künftig in der neuen Konzernleitung von einem Arzt vertreten. Ein weiteres Problem zeigt sich im Patientenmanagement. Leichtere Fälle sollten eigentlich in den Grundversorgungsspitälern behandelt und erst die komplexen Eingriffe am Inselspital durchgeführt werden.
Doch 2016 stieg die Anzahl der leichten Fälle an der Insel erneut. Und schliesslich wurde bis heute ein wesentliches Ziel der Fusion nicht erreicht: Die öffentlichen Spitäler im Grossraum Bern sollten wirtschaftlicher arbeiten. Bei der Insel stimmen zwar die Zahlen, die Spitäler der ehemaligen Spital Netz Bern AG jedoch schrieben 2016 einen Verlust von 17 Millionen Franken.
Kritik aus Interlaken
Der BDP-Parteipräsident und Alt-Grossrat Enea Martinelli (Interlaken) ist ob der aktuellen Situation nicht überrascht. «Ich war von Anfang an skeptisch, ob die Fusion von Spitzenmedizin und Grundversorgung funktioniert. Jetzt wissen wir, dass sie es nicht tut», sagt er. So hätten viele der aktuellen Probleme einen direkten Zusammenhang mit der Fusion von Inselspital und SNB. Martinelli nennt als Beispiel die Patientenströme: «In einem solchen Konstrukt besteht immer die Tendenz, Patienten eher im teureren Spital zu behandeln», sagt der Chefapotheker der Spitäler fmi AG.
Komme hinzu, dass sich die Insel-Leitung mit ihrer «katastrophalen» Kommunikation sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart selber das Leben schwer mache. «Die aktuelle Reorganisation mag sinnvoll sein. So etwas muss aber sorgfältig vorbereitet und dem Personal gut erklärt werden.» Das sei nun zum wiederholten Mal nicht geschehen.
Probleme sind Politikum
Martinelli plädiert denn auch für einen Marschhalt. «Es braucht eine neutrale, ergebnisoffene Analyse. Was haben wir uns vorgenommen? Was haben wir erreicht? Und was tun wir jetzt?» Im Extremfall könne die Antwort auf die letzte Frage auch lauten: die Fusion, die einst von der Politik beschlossen wurde, wieder rückgängig machen.
So weit würde SVP-Grossrat Peter Brand nicht gehen. «Der Zug ist längst abgefahren», sagt er. Sowieso ist Brand nicht sicher, ob das sinnvoll wäre. In erster Linie sei derzeit der Verwaltungsrat gefordert. Dieser müsse die Situation in den Griff bekommen. «Die Politik muss sich raushalten», fordert Brand.
Längst sind die Probleme der Insel-Gruppe aber zum Politikum geworden. In zwei Vorstössen verlangen Grossräte verschiedenster Couleur Informationen vom Regierungsrat. Die BDP-Fraktion etwa will wissen, welche Auswirkungen auf den finanziellen Ertrag der Insel zu erwarten sind, wenn der sogenannte Case-Mix-Index weiter fällt und wie das Spital dem entgegenwirken will. Der Index ist ein Mass für die Komplexität der Behandlungen. Die SP verlangt zudem Auskunft darüber, wie die Regierung die Reorganisation der Spitalgruppe beurteilt.
Bhend relativiert
Für Grossrat Patric Bhend (SP, Steffisburg) ist Letzteres aber eher ein Sturm im Wasserglas denn ein wirkliches Problem. Aus unternehmerischer Sicht sei die Restrukturierung sinnvoll. Denn seines Wissens gebe es in der Insel-Gruppe aktuell keine Einheit, die von einer Pflegefachperson geleitet werde. Es gebe zudem andere Wege, wie sich diese einbringen könnten – etwa über eine Stärkung der Personalkommission mit Mitentscheidungsbefugnissen. Zur Kritik an der Kommunikation sagt der ehemalige Gewerkschafter und Geschäftsführer des Vereins Solina: «Wenn dem Personal etwas weggenommen wird, heisst es immer, es sei zu wenig eingebunden gewesen.»
Auch die übrigen Probleme will der Vizepräsident der grossrätlichen Gesundheitskommission nicht hochstilisieren. «Neben den bekannten Abgängen von Ärzten war die Fusion bisher von relativ wenig Nebengeräuschen begleitet», sagt Bhend. Mittlerweile sei die Spitalgruppe aber in der zweiten Phase angelangt. «Jetzt geht der Zusammenschluss in die Tiefe, Kernprozesse müssen angepasst werden. Das ist äusserst anspruchsvoll und braucht seine Zeit.»
Bhend vergleicht die Situation der Insel-Gruppe mit jener der Langzeitpflegeinstitution Solina in Spiez. Bei der Einweihung des Neubaus vor zwei gut zwei Jahren sei die gesamte Belegschaft voller Euphorie gewesen. «Welche Konsequenzen das neue Haus auf die tägliche Arbeit hat, merkte das Personal erst nach einer gewissen Zeit», so Bhend. Das sei nicht für alle einfach gewesen. Bei derart grossen Unternehmen wie der Insel-Gruppe seien solche Prozesse noch viel komplexer. Er jedenfalls habe Vertrauen in die Führung – auch wenn Bhend diese derzeit nicht beneide.
«Das Beste daraus machen»
Auch SVP-Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg stärkt dem Insel-Verwaltungsrat den Rücken. «Wir stehen in regelmässigem Kontakt, und ich glaube, dass es in die richtige Richtung geht», sagt er. Trotzdem erarbeitet die Verwaltung derzeit eine tiefgehende Analyse zum Inselspital. Schnegg macht keinen Hehl daraus, dass er die Fusion eher kritisch betrachtet. «Ein Zusammenschluss löst keine Probleme. Schwierigkeiten sind zu beheben, bevor organisatorische Veränderungen vorgenommen werden», so der Gesundheitsdirektor. Da man dies bei der ehemaligen Spital Netz Bern nicht getan habe, seien die heutigen Probleme eine logische Folge. Die Fusion binde aktuell auch sehr viel Energie seitens der Verantwortlichen. «Diese würde man besser in die Positionierung des Unispitals investieren», so Schnegg. Rückgängig machen möchte er die Fusion trotzdem nicht. «Jetzt müssen wir das Beste daraus machen.»
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