Die Premiere zwischen den Extremen
2:1 führt der ZSC gegen Lugano, zwei Siege fehlen zum Meistertitel. Der 25-jährige Bülacher Christian Marti erlebt seinen ersten Playoff-Final. Er schwebt dabei auf Wolke 7 – oder flucht laut.

Christian Marti bittet, das Gespräch draussen führen zu können, vor der Trainingshalle. Er kommt von Eisbad, Dehnübungen, Hometrainer. Draussen brennt die Nachmittagssonne, die das viele Grau rundherum, vom Asphalt der Siewerdtstrasse in Oerlikon und dem Hallenstadion daneben, viel freundlicher wirken lässt.
«Ich mag halt die Sonne», sagt Marti und lacht, als wolle er sich entschuldigen. Er werde gleich nach Hause fahren und mit dem Töchterchen auf den Spielplatz gehen: «Ich will das ausnützen, im Playoff kommst du viel zu selten zu solchen Momenten.»
Nein, das 0:3 in Lugano am Montag hat Martis Laune nicht verdorben. Er sei zwar erst kurz vor 3 Uhr eingeschlafen, doch dieses Problem kenne jeder, der Eishockey spiele, sagt Marti. Sein Trick, wenn nichts mehr hilft: Hörspielen lauschen. Bloss nicht zu viel an der Niederlage herumstudieren. «Ich kenne diese alte Playoff-Floskel: Nicht nachdenken, vorwärtsblicken.» Dieses Vorhaben sei ihm diesmal nicht ganz leicht gefallen, gesteht Marti. Er erlebte alle drei Treffer Luganos hautnah auf dem Eis.
«Meine Stärke sollte eigentlich sein, keine Tore zuzulassen, selber schiesse ich ja keine 20 pro Jahr», sagt der Defensiv-Verteidiger, der 2017/18 bislang nur einmal traf. Diese Flut an Treffern, sie hatte sich nicht abgezeichnet. «Ich stand zuletzt kaum bei Gegentoren auf dem Eis», sagt Marti stolz. Auch in der Qualifikation war das eine seiner Stärken.
Marti war, in Relation zur Eiszeit, einer der besten Verteidiger des ZSC in dieser Statistik – besser als Geering, Klein oder Seger. «Darum bin ich generell zufrieden», sagt Marti. Und er sieht auch diesen Aspekt: «Wenn es dir gut läuft, denkst du irgendwann, es könne gar nichts mehr schiefgehen. Wenn es dann gleich dreimal einschlägt, hinterfragst du dich, kommst du wieder auf den Boden zurück. Das ist gar nicht so schlecht.»
Lieber in Ruhe lassen
Marti stand als Profi noch nie in einem Playoff-Final. Er versucht, sein erstes Mal zu geniessen. Er lernt aber auch, mit neuen Gefühlen der Extreme umzugehen. Er ertappe sich dann und wann dabei, wie er daran denke, wie schön es doch wäre . . . Das Wort «Meistertitel» spricht er dann doch nicht aus. «Und dann, nach der Niederlage, fluchte ich laut, dachte: Mist!» So sollte es eben nicht sein, er sehe den Unterschied zu den Routiniers in der Garderobe: «Ich profitiere sehr von ihnen. Ich kann ein letztes Mal bei Mathias Seger abschauen, wie er mit so einem Final umgeht.»
Der mentale Aspekt, er wird gerade im Playoff immer wieder betont. Und so sehr er sich auf die kurze Zeit mit Tochter und Ehefrau freut: Marti gehört zu der Sorte, die im Playoff in Ruhe gelassen werden will.
Noch extremer war das in jenen zwei Monaten in der Qualifikation, in denen ihn eine Gehirnerschütterung ausser Gefecht setzte. «Das ist die mühsamste Verletzung», sagt Marti. «Du siehst keinen Knochen, der heilt. Du weisst nicht, ob es drei Wochen oder Monate dauert. Alles ist zu laut, zu hell, zu nervig. Und kaum machst du irgendetwas, kommen die Kopfschmerzen.»
Selbst seine keine zwei Jahre alte Tochter habe gemerkt, dass mit Papa etwas nicht stimmte. «Ich war zwar plötzlich immer da, unternahm aber nichts, hatte eine kurze Zündschnur, wenn sie schrie. Da war Feuer im Dach . . .»
In Momenten wie damals oder wie nun während des Playoffs ist Marti seiner Ehefrau besonders dankbar: «Sie ist so verständnisvoll, auch wenn sie weiss, dass sie häufiger alleine ist als andere.»
Marti kennt den Grund fürs 0:3
Tempi passati, auf Martis Gesicht ist das Lachen des Finalisten zurückgekehrt. Heute wollen die Zürcher reagieren und in Spiel 4 den dritten Sieg einfahren. «Nach der Niederlage ging vielleicht etwas unter, dass wir in der Serie immer noch 2:1 führen», sagt er.
Und den Grund fürs 0:3 kenne er. Ein schönes Pässchen hier, ein Puck zwischen den Beinen da – bloss nichts Simples probieren. «Wir spielten so, als seien wir die ganz tollen Typen. Doch vielleicht», sinniert er, «war das nach vielen Siegen zuletzt auch ein wenig menschlich.»
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