
Die Titanic sinkt, das Orchester spielt weiter. An diese Szene erinnerte die Jahrespressekonferenz des Schweizer Fernsehens, die am Mittwoch in einem TV-Studio im Leutschenbach stattgefunden hat. Wie üblich stellte Ruedi Matter, Direktor Schweizer Radio und Fernsehen, das Programm für die nächsten Monate vor und schaute zurück auf Programmhighlights, Marktanteile und Einschaltquoten.
Doch es war eben nicht wie immer. In gut fünf Wochen entscheiden die Stimmberechtigten, ob sie weiterhin eine SRG haben wollen; es entscheidet sich damit auch, ob das Fernsehen seine Pläne für 2018 wie geplant realisieren kann. Die weiteren Staffeln von «Der Bestatter» und «Wilder» würden nach einem Ja am 4. März nicht mehr gedreht, sagte Fernsehdirektor Matter auf die Frage eines Journalisten von der ARD. Sie sind zu teuer, und die Ausstrahlung ist erst für 2019 geplant, wenn schon keine Gebührengelder mehr fliessen würden.
Nein, die mit den Schauspielern abgeschlossenen Verträge enthielten deswegen keine Klausel, sonst hätte man diese Leute nicht gewinnen können. Sie brauchten eine verbindliche Zusage, sagte Ruedi Matter. Mit gewissen Liquidationskosten müsste schon gerechnet werden, wenn die Initiative durchkäme.
Stress, Liebe, Ichsuche
Natürlich sei der Start ins Jahr geprägt gewesen von der No-Billag-Initiative, sagte Ruedi Matter bei der Begrüssung. Doch dies hier sei keine Abstimmungsveranstaltung. «Wir wollen ein Programm machen, das so gut ist wie immer.» Eben, wie auf der Titanic. Mit dem Unterschied, dass bei der SRG nicht sicher ist, ob sie sinkt oder nicht. Die Zeichen stehen derzeit eher auf Nichtsinken. Die Abstimmungsumfrage der Tamedia zeigte vor zwei Wochen eine wachsende Ablehnung der Initiative.
Das Programm für 2018 enthält einiges an Reaktionen auf Kritik und Anregungen. So hatte SRG-Präsident Jean-Michel Cina letzten Herbst angekündigt, die Jungen vermehrt ansprechen zu wollen. Geplant ist nun die erste fiktionale Webserie «Nr. 47», so heisst der Wohnblock in Bern, um den die Geschichte spielt. In dieser Serie sind ausschliesslich Teenager und unter 30-Jährige zu sehen, und es geht um Dinge wie Stress, Liebe, Ichsuche oder Ausländerfeindlichkeit. «Ein Wahnsinn» sei es doch eigentlich, sagt eine junge Schauspielerin im Trailer, dieser Druck und die Erwartungen, die auf den Jugendlichen lasten. Ein anderer spricht vom «Riesen-Struggle, der sich Leben nennt».
Journalisten fragen: Gehören Webserien zum Auftrag der SRG? Ja, meint Ruedi Matter, weil die Jungen zur gebührenzahlenden Bevölkerung gehören und man sie dort abholen müsse, wo sie sind, im Internet.
Unverwechselbarkeit sei schwierig zu erreichen
Die ganztägige Liveübertragung der Berufsmeisterschaften Swiss Skills 2018 – eine Gefälligkeit gegenüber dem Gewerbeverband, der die No-Billag-Initiative befürwortet? Er wisse nicht einmal, wie fest der Gewerbeverband diesen Anlass unterstützt, sagt Matter und wirkt ein wenig überrumpelt. Die Gespräche für dieses Projekt hätten schon lange vor der Parolenfassung des Gewerbeverbands begonnen.
Weiter ist die Tanzsendung «Darf ich bitten?» geplant, in der zehn Schweizer Persönlichkeiten um die Wette tanzen, moderieren wird Sandra Studer. Auch hier die Frage eines Journalisten: Ist das Service public? Auf «Voice of Switzerland» verzichte das Schweizer Fernsehen nach der Kritik, dabei sei die Tanzsendung nicht viel besser. Ebenso Klamauk, streng genommen unnötig.
Es muss schwierig sein für ein öffentlich-rechtliches Medienhaus, den vielfältigen Ansprüchen zu genügen. Unterhaltungschef Christoph Gebel sagte, dass die Tanzsendung immerhin selber entwickelt worden sei, von einem kleinen Schweizer Unternehmen. Aber klar, Unverwechselbarkeit sei in der Unterhaltung schwierig zu erreichen. Egal, welche Disziplin – mit grosser Wahrscheinlichkeit gibt es schon eine Sendung.
Inhalte, nicht Politik
Zwischen den Journalisten sassen Mitarbeiter des Schweizer Fernsehens, die im Programm von 2018 eine Funktion haben und von Ruedi Matter auf die Bühne gebeten wurden, um ihr Projekt vorzustellen. Darunter Mona Vetsch, die während der Olympischen Spiele einen Late-Night-Talk «Chaempieon» (Koreanisch für Champion) moderieren wird. Letzten Herbst hatte sie sich in einem Interview gelassen über die No-Billag-Initiative geäussert: «Ich finde es gut, dass wir über die Bedeutung von öffentlich-rechtlichen Medien diskutieren. Leisten wir uns etwas Überflüssiges? Oder gibt es gute Gründe dafür? Diese berechtigte Frage stellt sich die Gesellschaft nun», sagte die 42-Jährige, die einst Politologie studiert hatte, dem «Migros-Magazin».
Im Leutschenbach-Studio darauf angesprochen, sagt Vetsch: «Klar, die Daseinsberechtigung der SRG basiert auf einem Gesellschaftsvertrag. Die Bevölkerung muss sich entscheiden.» Doch eigentlich wolle sie nicht Politik machen, sondern Inhalte. «Das ist unser Job.»
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Die Musik spielt wie immer
Das SRF hat sein Jahresprogramm vorgestellt. Eigentlich ein Routineanlass. Doch diesmal schwebte über allem die Frage: Was, wenn das Volk am 4. März die No-Billag-Initiative annimmt?