Von Embilipitiya nach Bern«Die Leute aus dem Quartier sind meine zweite Familie»
Lekha Siriwardhanage (32) zog nach ihrer Hochzeit von Sri Lanka in die Schweiz. In Bern begann für sie ein ganz neues Leben.

Ich kam 2014 mit 26 Jahren in die Schweiz, sechs Monate nach meiner Hochzeit. Mein Mann Sameera lebt schon seit bald 20 Jahren in Bern, er arbeitet als Koch. Unsere Ehe wurde durch unsere Eltern arrangiert, nach singalesischer Tradition. Erst haben unsere Familien ihr Einverständnis gegeben, dann lernten Sameera und ich uns kennen. Wegen der Distanz konnten wir einander nur über Videoanrufe sehen. Aber ich merkte trotzdem sehr schnell, dass wir gut zueinander passen. Wir waren beide einverstanden mit der Verbindung, und so fand 2014 unsere Hochzeit statt.
Sameera brachte mir damals einen Koffer mit neuen Kleidern aus der Schweiz mit, und erst da realisierte ich, wie viel sich für mich ändern würde: Ich hatte gewusst, dass ich Familie und Freunde vermissen würde und dass ich mein Studium im dritten Jahr würde abbrechen müssen. Aber dass die Sitten, Menschen, Häuser, sogar die Natur ganz anders sein würde, realisierte ich erst, als ich die Jacken und Kleider sah.
«Bärndütsch» lernen im Quartier
Einige Tage später kamen wir in Bern an. Ich wusste wenig über die Schweiz, nur was Sameera mir erzählt hatte. Ich begann, Sprachkurse zu besuchen, und versuchte, die Gesetze und den Alltag in der Schweiz zu verstehen. Weil ich bemerkte, dass ich in den Kursen kein «Bärndütsch» lernen konnte, begann ich an Projekten der Quartierarbeit Stadtteil 3 teilzunehmen und Bernerinnen und Berner zu treffen. Ich lernte eine Familie kennen, die mit mir Deutsch übte, nahm an Wanderungen und Projekten teil. Eine Nachbarin übte mit mir für das erste Sprachzertifikat, mit einer anderen ging ich regelmässig joggen. Diese Kontakte pflege ich heute weiterhin: Auch wenn ich noch kein «Bärndütsch» rede, sind die Leute aus dem Quartier zu meiner zweiten Familie geworden.
Manchmal höre ich von meinen Bekannten in Sri Lanka: «Wenn du geblieben wärst und einen Mann hier geheiratet hättest, könntest du jetzt Lehrerin sein, oder Beamte, und in der Nähe deiner Familie leben.» Aber ich habe meine Heirat mit Sameera nie bereut. Er ist immer gut zu mir, und wir sind zusammen glücklich. Das ist für mich das Wichtigste.
Um Teil der Schweizer Gesellschaft zu sein, ist Arbeit sehr wichtig. Dass ich arbeiten kann, bedeutet mir sehr viel.
Meine Bildung war mir schon immer sehr wichtig, und es war am Anfang schwierig, zu akzeptieren, dass ich ganz von vorne anfangen musste. Heute versuche ich, Schritt um Schritt zu gehen: Erst die Sprachkurse, dann Allgemeinbildung für Erwachsene, mein nächstes Ziel ist eine Lehre. Am liebsten würde ich Köchin lernen, oder Floristin.
Grenzen im Alltag
Ein anderes grosses Ziel habe ich dieses Jahr endlich erreicht: Ich habe einen festen Job gekriegt, bei der Migros. Um Teil der Schweizer Gesellschaft zu sein, ist Arbeit sehr wichtig. Dass ich arbeiten kann, bedeutet mir sehr viel.
Solange man die Sprache und die Kultur der Schweiz nicht versteht, ist man im Alltag von Grenzen umgeben. Um sie zu überwinden, muss man die Menschen hier kennen lernen und sich integrieren. Am Anfang fühlte ich mich einsam in Bern, doch das hat sich geändert: Ich habe viele Freundschaften geschlossen, sei es beim Wandern, im Quartier oder beim Volleyballspielen und Schwimmen im Marzili. Dabei habe ich gemerkt, wie sehr mir die Schweiz, ihre Traditionen, ihre Bewohnerinnen und Bewohner gefallen. Heute fühle ich mich wohl hier, ich bin glücklich. Bern ist mein neues Zuhause.
Fehler gefunden?Jetzt melden.