Die Hälfte des verweigerten Geldes ist schon ausgegeben
Am Sonntag hat eine deutliche Mehrheit des Stimmvolkes entschieden, dass die geplanten 105 Millionen Franken für die Asylsozialhilfe nicht ausgegeben werden dürfen. Nur: Rund die Hälfte dieses Geldes ist bereits weg.

Am Sonntagabend, kurz nach verloren gegangener Abstimmung, stand Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP) den Medien Rede und Antwort. Dabei liess er verlauten, dass sich bis Ende 2019 an der Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender (UMA) nichts ändern werde. Bis dann laufe der Leistungsvertrag mit der Bäregg GmbH, welche die UMA in separaten Zentren betreut.
Das Problem an Käsers Aussage: Wenige Stunden zuvor hatte das Berner Stimmvolk das Geld verweigert, das Käsers Direktion für die heutige Betreuungsstruktur der mehr als vierhundert UMA braucht. Das Nein zum 105-Millionen-Kredit für die Jahre 2016 bis 2019 fiel deutlich aus. Käser dürfte sich einem Sturm der Entrüstung aussetzen, wenn er sich gegen den Willen des Volkes hinter einem Vertrag versteckt. Gleichzeitig darf der Kanton eine geltende Vereinbarung nicht einfach so verletzen. Ein gordischer Knoten, den Käser und die Verwaltung da entflechten müssen.
Dass die Abstimmungsniederlage den Regierungsrat und mit ihm die Kantonsverwaltung unvorbereitet traf und offenbar kein Plan B vorhanden war, zeigte die Reaktion am Montag darauf: Am ersten Tag der Woche waren sowohl Käser als auch sein Generalsekretariat nicht bereit oder in der Lage, die Folgen des Volksentscheids zu erörtern.
Man müsse nun zuerst mit dem Migrationsdienst zusammensitzen und das weitere Vorgehen besprechen, liess das Generalsekretariat der Polizei- und Militärdirektion (POM) ausrichten. Dass am Tag nach einem solch schwergewichtigen Urnenentscheid keine offiziellen Informationen erhältlich sind, die über die obligate Medienkonferenz am Abstimmungssonntag hinausgehen, ist aussergewöhnlich.
Auch die Zentrum Bäregg GmbH, die im Auftrag des Kantons die jungen Asylbewerber unterbringt und betreut, konnte am Montag nicht sagen, wie es nun weitergeht. Sie verwies auf anstehende Gespräche mit dem Kanton und liess die Frage unbeantwortet, ob die Zentrum Bäregg GmbH allenfalls Hand bieten würde für eine vorzeitige Auflösung der Leistungsvereinbarung.
«Bundesgeld muss reichen»
Derweil gehen in den politischen Parteien die Ränkespiele los. Die Positionen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. SVP-Grossrätin Andrea Gschwend (Oberburg) hatte den Asylsozialhilfekredit als Co-Präsidentin des Referendumskomitees an vorderster Front bekämpft. Für sie ist klar, was das Stimmvolk mit seinem Entscheid sagen wollte: «Der Kanton darf für das Asylwesen ab sofort nur noch so viel Geld ausgeben, wie er vom Bund pro Asylbewerber erhält.» Das bedeute, dass «auf teure Sondersettings» für UMA verzichtet werden müsse. «Es spielt mir keine Rolle, ob die jungen Asylbewerber gesondert oder in einer normalen Kollektivunterkunft untergebracht werden. Die Bundespauschale darf jedoch nicht überschritten werden.»
In Zahlen bedeutet Gschwends Aussage Folgendes: Der Kanton darf pro UMA nicht mehr wie bisher 171 Franken pro Tag beziehungsweise 5130 Franken pro Monat ausgeben, sondern nur noch die Bundespauschale von 50 Franken pro Tag respektive 1500 Franken pro Monat. Sie ist im Übrigen der Meinung, dass gerade die älteren UMA problemlos in den normalen Durchgangszentren untergebracht werden könnten, ohne dass der Kanton damit Vorschriften zur Sicherstellung des Kindeswohls missachte.
Hälfte des Kredits ist weg
Markus Wenger, Spiezer EVP-Grossrat und Präsident der Sicherheitskommission, geht im Gegensatz zu Gschwend davon aus, dass mit dem Abstimmungsentscheid nichts gespart worden sei. Er verweist dabei auf die Tatsache, dass etwa die Hälfte des vom Stimmvolk verweigerten Geldes bereits ausgegeben ist. Dies, weil das Kreditbegehren eben auch das Jahr 2016 betrifft. Mehr als 30 Millionen Franken betrugen dafür die Auslagen. Und da ein Teil der Kosten für das laufende Jahr ebenfalls bereits angefallen ist, sind für 2016/2017 unter dem Strich rund 50 der 105 Millionen aufgebraucht worden.
Ausserdem seien die rund vierhundert UMA weiterhin da, und die bestehende Struktur könne nicht von heute auf morgen heruntergefahren werden, so Wenger. «Es wäre auch dumm, die UMA-Zentren aufzugeben. Denn die Alternative würde den Kanton wesentlich mehr Geld kosten.»
Wenger skizziert, was aus seiner Sicht mit den jungen Flüchtlingen passieren würde, falls der Kanton den Vertrag mit der Zentrum Bäregg Gmbh auflösen müsste: «Diejenigen Kinder, die im Moment bei einer Familie untergebracht sind, müssten dort herausgerissen werden, was man schon fast als Katastrophe bezeichnen kann.» Und der Teil der UMA, der nicht demnächst 18 Jahre alt wird, müsste in Jugendheimen untergebracht werden. «Das wäre viel teurer als die 171 Franken pro Tag, welche die Unterbringung und Betreuung heute kostet», so Wenger.
Deshalb würde er folgendes Modell als sinnvoll erachten: Sollten die UMA nicht mehr in den heutigen separaten Zentren untergebracht werden können, würden die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) die Verantwortung übernehmen. «Statt in teurere Heime könnten die Kesb die UMA wie bisher der Zentrum Bäregg GmbH übergeben.» Der Clou an Wengers Vorschlag: Die Kosten würden nicht sinken, die Zeche würde aber nicht mehr wie heute die POM bezahlen, sondern die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion, wo die Kesb angesiedelt sind. Ob das im Sinn des Stimmvolkes wäre, ist wahrlich eine andere Frage.
SVP-Frau Andrea Gschwend hebt denn auch sofort den Mahnfinger: «Solche taktischen Verlagerungsspiele werden wir nicht akzeptieren und dagegen ankämpfen.»
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