Die grössten Google-Fans tragen Lederhosen
Ein Kurort im Allgäu ist das bislang einzige Dorf, in dem Google in Deutschland seinen Dienst Street View anbietet. «Wenn alle dagegen sind», sagt Oberstaufens Bürgermeister Walter Grath,« sind wir dafür».

Google zieht die Lederhose an: Im bayerischen Beinkleid gab Wieland Holfelder, Entwicklungs-Chef von Google Deutschland, zusammen mit den örtlichen Honoratioren in Oberstaufen den Startschuss für das bisher umstrittenste Projekt des Internet-Konzerns.
Der Kurort im Allgäu ist das bislang einzige Dorf, in dem Google in Deutschland seinen Dienst Street View mit zu 360-Grad-Ansichten montierten Fotos anbietet. Die Oberstaufener dankten dies mit Alphorn-Musik und vor allem grosser Begeisterung - für Google dürfte die Herzlichkeit die scharfe Kritik der letzten Wochen relativieren.
Alle dagegen – wir dafür
Dass noch vor den zwanzig grössten deutschen Städten eine kleine Marktgemeinde mit nicht mal 7200 Einwohnern bei Street View online ging, ist das Ergebnis einer PR-Kampagne des Oberstaufener Tourismusamtes. Die Deutschland-Premiere sicherte sich der bei Ulm gelegene Kurort mit wiederholten Einladungen an Google, einem professionell inszenierten Videoclip und vor allem mit einer Torte. Das Feingebäck zierte die Aufschrift «Street View - Willkommen in Oberstaufen». Vor allem wurde es im August gebacken und dann mit Foto öffentlich gemacht - genau als gerade die Stimmung gegen den Dienst in Deutschland hochkochte.
«Wenn alle dagegen sind, wir sind dafür», sei die Idee gewesen, sagte Oberstaufens Bürgermeister Walter Grath am Dienstag. «Die Oberstaufener waren immer schon für Neues aufgeschlossen.» In der örtlichen Presse habe es keinen einzigen negativen Leserbrief gegeben, es legten auch nur 16 Hausbesitzer im Ort Beschwerde gegen die Veröffentlichung von Bildern ihrer Häuser ein, diese sind nun entsprechend unkenntlich gemacht. Ansonsten ziehe die Gemeinde an einem Strang, sagt Grath. «Der Erfolg wird uns Recht geben.» Denn Romantik treibt auch die Entscheider im einzigen deutschen Schroth-Kurort nicht an: Die Gemeinde hofft, ihre Zahl von zuletzt 1,34 Millionen Gäste-Übernachtungen zu erhöhen.
Wie entspannt sind die Grossstädte?
Google-Entwicklungschef Holfelder nahm den von den Schwaben zugespielten Ball gerne auf. «Wer solchen Innovationen aufgeschlossen gegenübersteht, hat oft einen Vorsprung», sagte er. Ob die Stimmung für Google so positiv bleibt wie in Oberstaufen, bleibt abzuwarten: Seit Dienstag sind auch ausgewählte Sehenswürdigkeiten wie zehn Stadien der Fussball-Bundesliga, das Kanzleramt in Berlin oder die Köhlbrandbrücke in Hamburg bei Street View zu sehen. In Kürze sollen die 20 grössten deutschen Städte komplett online gestellt werden - dann wird sich zeigen, ob die deutschen Grossstädter ähnlich entspannt wie die Oberstaufener auf die Veröffentlichung ihrer Häuser reagieren.
Bisher haben gerade mal 2,89 Prozent der Haushalte dieser Städte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihr Haus unkenntlich machen zu lassen. Der Blick auf Oberstaufen verrät, dass Street View ziemlich präzise Einblicke gibt: Auf den Plakaten auf Litfasssäulen lässt sich ohne weiteres das Datum der zum Zeitpunkt der Aufnahmen beworbenen Konzerte ablesen. Auf den Bürgersteigen der gepflegten Kurgemeinde finden nach optischen Makeln suchende kritische Gucker auch schon mal Abfall am Strassenrand. Und wer durchzählen will, wie viele Menschen auf der Terasse des Eiscafés dem Müssiggang frönen, kann das auch - die Gesichter der Schlemmer sind allerdings nicht zu erkennen.
Halbnackt mit Waschbrettbauch
Auch wer vor drohendem Voyeurismus durch Street View warnte, wird in Oberstaufen nicht enttäuscht: Wer genau sucht, findet in der Johann-Schroth-Strasse einen halbnackten Mann mit einem durchaus vorzeigbaren Waschbrettbauch abgelichtet. Allerdings verrät eine Aufschrift, dass hier ein Model für Landhaus-Mode wirbt: «Lust auf Lederhosen?», steht über dem von Street View verewigten Plakat - Google hat die Frage für sich mit «Ja» beantwortet.
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